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Auf der Suche nach Mr. Wright
~Joe D. Day
Diesen Monat ist es fünfzig Jahre her, dass das lange Leben Frank Lloyd Wrights (8. Juni 1867 bis 9. April 1959) zu Ende ging. Seine Karriere umfasste einen Großteil des »industriellen Zeitalters« und fast die gesamte Moderne und verlief parallel zur Erschließung des Westens der USA. Zu einem großen Teil begründete sich sein Genie darin, diese weite Landschaft zu feiern und zugleich zahlreiche neue Wege zu erfinden, sie zu zähmen.
Ein Überblick über Wrights Projekte – von über hundert realisierten Einfamilienhäusern bis zu unzähligen Aufträgen von Firmen und der öffentlichen Hand – offenbart ein Talent, das sowohl vielseitig als auch erstaunlich fruchtbar war: die langen, horizontalen Linien und der sich um einen Punkt drehende Grundriss des Robie House (1909) sowie die beiden Anlagen in Taliesin (1911–25; 1937 bis heute); die neuen Ideen bezüglich Raum und Tragwerk, die er im Larkin Building (1904) erstmals umsetzte, das Imperial Hotel in Tokio (1916–22) und das Johnson Wax Building (1936–39); und ganz besonders seine späten Meisterstücke an beiden Enden der privaten und öffentlichen Klaviatur, Fallingwater (1937) und das erste Guggenheim-Museum (1947–59). Sogar die Zeiten, in denen sein Büro brachlag, nahmen heroische, wenn nicht sogar mythische Proportionen an, gut aufpoliert von der russischen Autorin Ayn Rand in »Der ewige Quell« (1946).
Trotz all seiner Verdienste um die amerikanische Fantasie war Wrights Einfluss früher – und vielleicht sogar stärker – noch als in seinem Heimatland in der deutschsprachigen Sphäre zu spüren. Die erste umfassende gedruckte Darstellung seines Werks, die sogenannte Wasmuth-Mappe »Ausgeführte Bauten und Entwürfe von Frank Lloyd Wright«, die die frühen Präriehäuser mit Zeichnungen in starkem Schwarz-Weiß-Kontrast zeigte, wurde 1910 in Berlin veröffentlicht und von der europäischen Avantgarde geradezu verschlungen. Jahrzehntelang erschien kein vergleichbares Werk auf Englisch. Es ist schick, zu behaupten, Wrights größter Einfluss auf die Moderne sei aus zweiter Hand, durch das Werk seiner vielen Jünger und insbesondere seine Wiener Protégés Rudolph Schindler und Richard Neutra.
Für viele Amerikaner klang die berühmte abfällige Bemerkung von Philip Johnson schlüssig, Wright sei »der letzte Architekt des 19. Jahrhunderts« gewesen. Viele von ihnen wären überrascht, dass zu einem so späten Zeitpunkt wie den neunziger Jahren Christian Sumi und Marianne Burkhalter ihre Studenten an der EPF Lausanne maßstäbliche Modelle von Wrights Usonian Houses anfertigen ließen, um deren Geradlinigkeit und Effizienz besser zu verstehen. Wright entwarf sie kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, um der drastischen Rationierung von Baumaterialien zu begegnen, und diese filigranen, flexiblen Bauten aus Sperrholz und temperiertem Beton unterstreichen eine eher prosaische, aber – so ist zu hoffen – nachhaltigere Seite von Wrights Brillanz.
Aktuelle Bücher: Alan Hess, Alan Weintraub: Frank Lloyd Wright – Moderne Häuser. 336 Seiten, DVA 2009, 69,95 Euro Margo Stipe: Frank Lloyd Wright. Sein Leben erzählt in Briefen, Plänen, Dokumenten, plus Audio-CD, 92 Seiten, Callwey 2009, 49,95 Euro Daniel Treiber: Frank Lloyd Wright. 192 Seiten, erweiterte Auflage, Birkhäuser 2008, 39,90 Euro
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