Allgemein
Architekturwissen
Grundlagentexte aus den Kulturwissenschaften. Band 1: Zur Ästhetik des sozialen Raums. S. Hauser u. a. (Hrsg.). 363 Seiten, 24,80 Euro, transcript Verlag, Bielefeld 2011
~Christian Holl
Warum gibt man eine Anthologie heraus, die bereits vielfach publizierte Texte enthält und diese nur um wenige ergänzt? Es mag drei Gründe geben, auch wenn sie sich nicht scharf voneinander trennen lassen. Der eine ist, eine nach eigenem und besten Wissen und Gewissen zusammengestellte Textsammlung für die Lehre verfügbar zu machen; der zweite, sich mit einer spezifischen Kombination von Texten und eigenen Kommentaren dazu vor der akademischen Welt zu präsentieren. Das Lehrskript könnte man einfacher haben, für den zweiten Grund spricht in diesem Fall die überreichlich mit Fußnoten als Nachweis der Herausgeberkompetenz gespickten Einleitungen zu den sechs Kapiteln, nach denen die Texte geordnet sind. Richtig interessant wird der dritte Grund: Mit der Kombination, eine aktuelle Diskussion zu kommentieren, die Texte sich derart aufeinander beziehen zu lassen, dass auch vermeintlich bekannten eine neue Lesart abzugewinnen ist. Letzteres wird hier zumindest zum Teil eingelöst – und so lohnt es sich, die Texte auch für den zu lesen, der sie schon kennt. Es ist deswegen müßig zu fragen, ob die Sammlung vollständig ist; lesens- und bedenkenswert ist sie allemal. Betrachtet man die sechs Kapitel für sich, stellt sich der Effekt einer neuen Sicht auf die Texte eher selten ein. Sie heißen u. a. Architektur als Kunst, Techniken der Wahrnehmung, Geschichte der Sinne. Man findet Simmel, Schmarsow, Giedion, Adorno, Arnheim. Nicht immer sind die Kategorien und die Textzuordnungen trennscharf, das ist zu verschmerzen. Das eigentliche Anliegen liegt in der Gesamtzusammenstellung begründet – es ist der Wunsch, dass aktuelle Diskussionen einen »erweiterten Architekturbegriff« bemühen, einen, der nicht beim Gebauten aufhört. Das ist keine Sicht, die im Diskurs über Architektur ausreichend vertreten wäre, insofern ist die Anthologie sehr nützlich. Allerdings muss die Frage erlaubt sein, ob die Form dieser Anthologie die erreicht, denen es fremd ist, sich kulturwissenschaftlichen Texten zuzuwenden, ob sie die Aktualität der historischen Sichtweisen plausibel macht. Das muss, auch wenn der zweite Band erst zum Jahresende erscheint, leider bezweifelt werden. Die Herausgeber hätten dann wohl bei der akademischen Anerkennung Abstriche machen müssen.
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