~Christian Marquart
Die Zeiten, als Hafenstädte ihre Kais und Piers direkt vor den Kontoren der Reeder und Handelsherren hatten, sind passé: Für Containerschiffe und Riesentanker ist da kein Platz mehr. Nur die Passagiere von Vergnügungsdampfern bestehen noch auf kurzen Wegen zwischen Kaschemme, Einkaufsmeile und Kajüte – und das lassen Hafenstädte sich einiges kosten. So wie die Stadt Bordeaux, ein UNESCO-Welterbe an der Garonne: Dort machen jährlich bis zu 40 Kreuzfahrtschiffe vor der Altstadtkulisse fest. Das ist gut fürs Geschäft, aber schlecht für den Verkehr an Land, der auch flussabwärts auf Brücken ohne gigantische Zufahrtsrampen angewiesen ist.
Bordeaux löste das Problem mit einer Hebebrücke – nicht kostengünstig, aber elegant und mit vier, jeweils 77 m hohen Pylonen eindrücklich als »Tor« zur Stadt gestaltet; auch große Passagierschiffe passen unter dem 117 m langen, 2 500 t schweren Mittelstück der Fahrbahn durch, wenn es um maximal 53 m angehoben wird.
Bordeaux erfindet sich derzeit neu: Die Stadt zählt (wieder) zu den attraktivsten in Frankreich, rechnet mit Einwohnerzuwachs und plant »Grands Projets« auf Konversionsflächen im Umfeld der alten Bassins, die seit der Verlegung des Hafens ungenutzt sind. Die neue Brücke wird diese Entwicklung stützen. Sie wurde von dem Ingenieur Michel Virlogeux und dem Architekturbüro Lavigne-Chéron entworfen und geplant, sie bietet sowohl im Modus der Befahrbarkeit (vier Spuren plus Raum für zwei Straßenbahngleise) wie auch im »abgehobenen« Zustand eine ebenso dynamisch wie diszipliniert wirkende Erscheinung. Die Proportionen der Baukörper, das Zusammenspiel der schlanken Vertikalen mit den gespannten, leicht gebogenen Traversen der Fahrbahnelemente und die jeweils uferseitige Verglasung der Pylone, hinter der sich Wendeltreppen ringeln, fügen sich zu einer Komposition, die aus jeder Perspektive »funktioniert«.
Das muss auch jener UNESCO-Kommission gefallen haben, die einst der Stadt Dresden den Weltkulturerbe-Status aberkannte, weil sie vom Bau der plumpen Waldschlösschenbrücke nicht lassen wollte. In Bordeaux fahren dafür jetzt plumpe Pötte mit Blasmusik unter einer Brücke von stiller Eleganz hindurch.
- Standort: Pont Jacques Chaban Delmas, Bordeaux
Architekten: Lavigne & Chéron Architectes, Vanves, mit Michel Virlogeux Consultant, Bonnelles
Einweihung: März 2013
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