~Paul Andreas
Etwa 20 000 Tote und Vermisste, knapp 6 000 Verletzte und über 450 000 Menschen, die über Monate in Notunterkünften ausharrten – allein die Opferbilanz der Dreifachkatastrophe aus Erdbeben, Tsunami und atomarem Supergau vom 11. März 2011 war verheerend. Die Zerstörung und Auslöschung ganzer Kommunen zog weltweit eine beispiellose Welle der Solidarität und Hilfsaktionen nach sich. Naturgemäß beteiligten sich auch viele Architekten daran, aus der Region wie dem Ausland, bekannte Größen und der akademische Nachwuchs. Taro Igarashi, Architekturtheoretiker, -kritiker und Professor an der vom Beben schwer erschütterten Tohoku-Universität in Sendai, hat eine Ausstellung zusammengestellt, die dieses Engagement in seiner Breite und Vielfalt dokumentiert. Auf über 50 Bildtexttafeln, ergänzt durch Modelle und Interviewsequenzen, ist das Spektrum der Reaktionen während der ersten 12 Monate nach dem Unglück festgehalten: Von den ersten simplen Kartonhäusern und autark beheizten Badehäusern für die improvisierten Notunterkünfte, über temporäre Container- und Holzhausburgen (Abb.: Temporäre Behausung mit Turm und Mauer von Tarô Igarashi Laboratory) und die mannigfaltigen Initiativen, ihnen öffentlichen Gemeinschaftsraum abzugewinnen, bis hin zu Ideen für den Wiederaufbau.
Gerade der Wiederaufbau lädt Architekten dazu ein, Visionen zu entwickeln, die über den Status quo hinausgehen: Überdurchschnittlich ist der Nordosten seit Jahren von Schrumpfungsprozessen geprägt, von Überflutungen gefährdet sein enger besiedelter Küstenstreifen. Dass hier eine andere Architektur vonnöten ist, die die Koexistenz mit der Natur als conditio sine qua non akzeptiert, das wird in vielen Beiträgen deutlich: Vorschlagsweise werden Siedlungen auf erhöhtes Terrain verlegt, die verwüsteten Landstriche zum selbst organisierten Musterländle von wiederbelebter Fischerei, sanftem Eco-Tourismus und nachhaltigen Energieparks transformiert. Aber auch an Symbolen soll es nicht mangeln: Geht es nach dem Atelier Tsukamoto werden die Kühltürme von Fukushima 1 mit einem Ständerdach versehen und in einen Schrein mit dem Ewigkeitsanspruch langer Halbwertzeiten verwandelt. Was davon in die offiziellen Planungen der Kommunen wie einfließt – das allein dürfte in einigen Jahren Stoff genug für eine zweite Ausstellung geben.
Bis 2. Februar. Wie haben Architekten unmittelbar nach dem 11. März 2011 reagiert? Japanisches Kulturinstitut Köln, Universitätsstraße 98, 50674 Köln. www.jki.de
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