~Lars Quadejacob
Das Projekt des Hamburger Stadtparks begleitete Fritz Schumacher nahezu während seiner gesamten Karriere als Hamburger (Ober-) Baudirektor. Als er 1909 in die Hansestadt kam, schwelte bereits ein kulturpolitischer Streit um das Vorhaben: Viele Hamburger Experten plädierten für eine malerische Anlage in der Tradition des englischen Landschaftsgartens, Kulturreformer wie Alfred Lichtwark für einen architektonisch klar gegliederten Volkspark – gestalterisch den Auffassungen der Reformarchitektur entsprechend und zudem für breite Bevölkerungsschichten tatsächlich nutzbar. Schumacher schlug sich auf die Seite der Erneuerer; 1914 konnte der Park offiziell eingeweiht werden, wenngleich sich die Ausstattung mit Bauten und Skulpturen noch bis um 1930 hinzog. Als räumliches Rückgrat wurden zwei breite, sich in einem Parksee kreuzende, Achsen angelegt und an deren Endpunkten formal aufeinander bezogene Gebäude platziert, die sich wiederkehrender stereometrischer Grundformen bedienten. Dabei ging es Schumacher aber nicht allein um das Durchdeklinieren gestalterischer Ideen: Vielmehr entsprach er mit den architektonischen Elementen des Parks, ihren Bezügen untereinander und zu den naturnah belassenen Arealen einer selbstentwickelten Theorie, die das Erleben von Räumen aus wahrnehmungspsychologischer Sicht erklärt – und die auch Grundlage seiner städtebaulichen Entwürfe war, mit denen er die Stadt in den 1920er Jahren so nachhaltig prägte.
Das hundertjährige Jubiläum der Parkeröffnung nahm das Museum für Hamburgische Geschichte zum Anlass für eine kleine Ausstellung, in der sowohl die Planungsgeschichte als auch der Bauverlauf anhand überwiegend originaler Zeichnungen und historischer Fotos dokumentiert wird, u. a. ergänzt um ein Architekturmodell der Anlage sowie um Skulpturen und werbegrafisch anspruchsvolle Plakate, mit denen für Veranstaltungen im Stadtpark geworben wurde. Auch die soziale Situation, aus der heraus das »Freiluft-Volkshaus« entstand, wird beleuchtet, ebenso die verschiedensten Aneignungen durch die Nutzer; in der Ausstellung durch je ein historisches Boot und Motorrad (stellvertretend für die Stadtpark-Rennen der 30er) dargestellt. So heterogen all diese Exponate sind, so schaffen sie es doch bemerkenswert gut, etwas vom Flair der 20er Jahre in die Präsentation zu tragen; Parkatmosphäre wird zudem über die Ausstellungsarchitektur geschaffen, u. a. mit entsprechendem Mobiliar, Parkgeräuschen und rotierend eingespielten Fotoprojektionen. Eindrucksvollstes Exponat: Bruchstücke figürlicher Baukeramik, die 1957 bei der Sprengung des sogenannten Kaskadengebäudes in den See geschleudert und in jüngster Zeit geborgen wurden – drastisches Zeugnis dafür, wie fremd der Wiederaufbauzeit das Werk Schumachers geworden war. Das unbeschädigte Bauwerk war zentrales Gelenk zwischen Wasserturm und Stadthalle an den Enden der 1,7 km langen Hauptachse. Auch die Stadthalle selbst und weitere (gastronomisch genutzte) Gebäude waren nach Kriegsschäden bereits 1950 abgebrochen worden und hinterließen architektonische Leerstellen deren Neubesetzung bis heute wünschenswert erscheint. Dafür votiert auch ein 1996 erstelltes Parkpflegewerk, auf dessen Grundlage seitdem die gesamte Anlage wieder dem Entwurfskonzept im Zustand von etwa 1930 angenähert wird, ohne diesen sklavisch in Einzelformen nachzubilden. So wurde die nach dem Krieg zugepflanzte Nord-Süd-Achse wiederhergestellt, wurden verschwundene Wege neu angelegt und Bewuchs ausgelichtet, um die historischen Raumbegrenzungen und Blickbeziehungen wieder erstehen zu lassen.
Treibende Kraft hinter diesen langfristigen Rekonstruktionen ist Heino Grunert, Leiter der Hamburger Gartendenkmalpflege. Er ist auch Herausgeber einer parallel zur Ausstellung erschienenen Publikation innerhalb der Schriftenreihe des Hamburgischen Architekturarchivs. Es ist die bisher umfangreichste Einzelveröffentlichung zum Hamburger Stadtpark, die nahezu alle Aspekte der Parkentstehung und -geschichte beleuchtet: Behandelt werden nicht nur die einzelnen Gebäude und Kunstwerke, sondern erstmals auch ausführlich die Nutzungsgeschichte, die unter anderem durch einen umfangreichen Fundus von Postkarten aufschlussreich und stimmungsvoll dokumentiert wird. Überhaupt machen die zahlreichen Reproduktionen historischer Fotos – darunter viele bisher unveröffentlichte – und ein ansprechendes Layout das Buch zu einem Lesegenuss, wie man es von dieser Buchreihe inzwischen gewohnt ist. Bei so viel Lob sollte aber nicht unerwähnt bleiben, dass neben aufschlussreich-prägnanten Aufsätzen, etwa von Grunert oder von Hamburgs langjährigem Chefdenkmalpfleger Frank-Pieter Hesse, manchem Text deutlichere Eingriffe durch das Lektorat gut getan hätten. Doch ist das nur ein kleiner Wermutstropfen, insgesamt sind in diesem Jubiläumsjahr sowohl mit dem Buch wie auch mit der Ausstellung zwei äußerst gelungene und empfehlenswerte Würdigungen des Gesamtkunstwerks Hamburger Stadtpark entstanden.
- Bis 23. Februar 2015. Parkpioniere – 100 Jahre Hamburger Stadtpark. Hamburg Museum, Holstenwall 24, 20355 Hamburg, Mo-So 10-17 Uhr, www.hamburgmuseum.de
- Betreten erwünscht – hundert Jahre Hamburger Stadtpark. Von Heino Grunert (Hrsg.), 248 S., Hardcover, 39,90 Euro, Dölling und Galitz, Hamburg 2014
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