1 Monat GRATIS testen, danach für nur 6,90€/Monat!
Startseite » Architektur » Hotel | Gastronomie »

Hotel mit tausend Sternen

»Parkhotel« in Ottensheim bei Linz (A)
Hotel mit tausend Sternen

Die Zimmer aus Standardkanalrohren liegen in einem öffentlichen Park. Die Übernachtungsgäste nutzen die bereits vorhandene Infrastruktur der Umgebung: ein Schwimmbad zum Duschen, einen Tankstellenshop als Frühstücksraum. Mehr Minimalismus ist kaum denkbar, Grundbedürfnisse wie Sicherheit und Geborgenheit werden dennoch befriedigt und der Aufenthalt mit ganz eigenen Reizen angereichert.

    • Konzept und Umsetzung: Andreas Strauss, Gunda Wiesner

  • Text: Romana Ring Fotos: Dietmar Tollerian
Wer sich der Marktgemeinde Ottensheim von Westen her auf dem Radweg entlang der Donau nähert, sieht die drei »Suiten« des »Parkhotels« schon liegen: Ein wenig erhöht, auf dem Hochwasserdamm gelegen, schauen sie mit ihren »extra breiten Eingangstüren« nach Süden, wo zwischen den lichten Kronen des Auwaldes das Flussufer zu erahnen ist. Gebucht haben wir unsere Suite anlässlich eines Besuches auf der Seite www.dasparkhotel.net. Wir wissen also, was uns erwartet: eine der seltenen Umsetzungen des minimalen Raumes mit maximaler Wirkung, ein parasitäres – oder doch symbiotisch angelegtes? – Ready-made, das Gedanken zu Themen wie Gastfreundschaft, Offenheit oder modernem Nomadentum mit scharfsichtigen Aussagen zur international gleichgeschalteten Ästhetik der Tourismusindustrie verwoben hat. Der Linzer Künstler und Designer Andreas Strauss hat gemeinsam mit der Linzer Künstlerin Gunda Wiesner und einem Team freiwilliger Helfer und großzügiger Sponsoren buchstäblich auf die Erde gebracht, was Generationen von Künstler immer wieder aufs Neue träumen. Er hat den etwa drei Meter langen Abschnitt eines handelsüblichen Betonrohres mit (scheinbar) wenigen Handgriffen in genau die unkompliziert zugängliche, bequem zu nutzende und unaufdringlich gestaltete Rückzugszelle verwandelt, die Leute wie er schätzen, wenn sie auf Reisen sind.
Klopfen wir die Anlage also darauf hin ab, was uns seitens »der Direktion« versprochen worden ist. ›
› Der Name »Parkhotel« – wie »Suite« im landläufigen Jargon ein Sinnbild für Noblesse – ist zwar auf dem Beet der Ironie gewachsen, doch niemand könnte dem Umfeld seinen lieblichen, auf Freizeitvergnügen und Naturerlebnis ausgerichteten, kurzum: Park-Charakter absprechen. Unmittelbar vor der Tür nutzt – haben wir es mit einem Familienhotel zu tun? – ein Spielplatz mit seinen Rutschen den Geländeabfall. Unten in der Senke liegen, wie wir bereits dem mit der Reservierung übermittelten Informationsblatt entnehmen konnten, die Duschen und Toiletten und auch der Frühstücksraum in Gestalt einer Imbissbude, denn »… alle andern hotelspezifischen Einrichtungen (Toiletten, Duschen, Minibar, Cafeteria …) werden durch die im öffentlichen Umfeld vorhandenen Einrichtungen abgedeckt«. Der ebenfalls mit der Buchungsbestätigung zugestellte Sicherheitscode öffnet die sorgfältig in den Falz der Betonröhre eingepasste Sperrholztür.
Die Suite ist, jedenfalls in geöffnetem Zustand, überraschend geräumig. Aufrechtes Stehen – gleich hinter der Tür hat Andreas Strauss einen Schritt weit dafür Platz gelassen – ist angesichts des Rohrdurchmessers tatsächlich kein Problem. Dahinter ist über die gesamte, in bequemer Sitzhöhe liegende Breite der Röhre ein Möbel von Wand zu Wand gespannt, das die von einem Lattenrost getragene Matratze in Doppelbettgröße und einen das Bett flankierenden Stauraum umfasst. Dieser birgt Decken, Polster und frisch gewaschene Schlafsäcke, seine Klappe setzt die Oberkante der Matratze fort, was die Liegefläche zusätzlich erweitert. Unter dem Bett ist Platz für Mitgebrachtes. Eine Lampe, eine Dreifachsteckdose und die drahtlose Verbindung ins Internet vervollständigen die technische Infrastruktur der Suite. Auch die Kunst kommt zu ihrem Recht: Der österreichische Künstler Thomas Latzel-Ochoa hat die Rückwand der Suite bemalt.
Einmal geschlossen, bietet der Raum mit seiner Masse von immerhin neuneinhalb Tonnen jene Sicherheit, die man im fremden (wenn auch freundlichen) Umfeld wohl sucht. Die zwanzig Zentimeter dicken Wände (innen staubfrei lasiert) würden Lärm abschirmen, sofern es ihn hier gäbe, und halten das Raumklima stabil. Zwei runde, mit feinem Gitter verwahrte Öffnungen, eine in Boden-, eine in Deckennähe, sorgen für die Lüftung. Ein etwas exzentrisch gesetztes, kreisrundes Fenster ist fix verglast und bringt Tageslicht in den Raum. Nachts schauen wir – warm gehalten und behütet – in den Sternenhimmel. So minimal, wie wir gedacht haben, ist das alles nicht: für den Preis einer Übernachtung im Parkhotel heißt uns immerhin ein ganzer Ort willkommen. Morgen werden wir zeitig auf den Marktplatz frühstücken gehen …


  • Idee, Ausarbeitung und Design: Andreas Strauss, Linz/Wien (A)
    Ausarbeitung und Organisation: Gunda Wiesner, Georg Brunader Website, Buchungssystem und Technik: Claudia Kogler, Nikolaus Diemannsberger, Gerd Trautner
    Wandgestaltung: Thomas Latzel-Ochoa Länge: 2750 mm
    Durchmesser: 2500 mm; Innendurchmesser: 2020 mm Gewicht: 9,5 t Die standardisierten Kanalrohre sind derzeit noch nicht beheizbar und daher nur von Mai bis Oktober in Betrieb. Aufgrund des hohen Eigengewichts ist keine Verankerung nötig, es wird lediglich die Grasnarbe im Bereich der Auflagefläche entfernt. Buchung und Versand des Zutrittscodes werden online vorgenommen. Der Betreiber hält weder Sanitäreinrichtungen noch Frühstücksraum oder andere hotelrelevante Einrichtungen vor. Gemäß dem »pay as you wish«-System ist es dem Übernachtungsgast bislang selbst überlassen, mit welchem Betrag er das Projekt unterstützen möchte. Eröffnung: Juli 2005, vor dem Brucknerhaus in Linz; 2006 Translozierung ins nahe gelegene Ottensheim Weitere Standorte, geplant: u. a. Maribor (Slowenien), Wien
  • Beteiligte Firmen / Unterstützer: Kulturplattform Oberösterreich KUPF, Linz (A), www.kupf.at
    Kanalrohre: C. Bergmann, Traun (A), www.kupf.at
    Matratzen: Eurofoam, Kremsmünster (A), www.kupf.at
    Betteinsätze: Optimo Schlafsysteme GmbH, Braunau/Inn (A), www.kupf.at
Tags
Aktuelles Heft
Titelbild db deutsche bauzeitung 4
Ausgabe
4.2024
LESEN
ABO
MeistgelesenNeueste Artikel
3 Saint Gobain Glass
Eclaz

Architektur Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Architektur-Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum arcguide Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des arcguide Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de