~Ralf Wollheim
Fotos und Modelle von realisierten Bauten, Videos und irritierende Kunstinstallationen geben eine vielseitige Einführung in die Welt des Islams und wie er sich in der Architektur manifestiert: als Moschee.
In der Bauentwurfslehre von Ernst Neufert werden die dazugehörigen typischen Elemente auf einer Seite abgehandelt: Minarett, Zentralkuppel und ein Vorhof mit Brunnen gehören bei den größeren Bauten dazu. Der deutsche Alltag mit seinen Hinterhofmoscheen sieht dagegen ganz anders aus. Basierend auf einer Untersuchung in Stuttgart mit zahlreichen kleinen Gemeinden, die sich in Gewerberäumen, Werkstätten und Wohnräumen eingerichtet haben, ergänzte Johannes Buchhammer zwei Seiten in dem Standardwerk, die die schmucklosen Hinterhofmoscheen als realistischeren Typus vorstellen. Denn ein dezidiertes Bauprogramm für Moscheen gibt es nicht. »Eine Wand, die nach Mekka ausgerichtet ist … « das ist, so der kuwaitische Architekt Omar Khattab, genug. Diese räumliche Unbestimmtheit inspirierte die Architektin und Künstlerin Azra Aksamija zu ihren textilen Entwürfen. Ein Businessanzug und sogar ein graues Dirndl können mit wenigen Handgriffen in ein Kopftuch, Gebetsteppich und weitere Utensilien verwandelt werden und erfüllen damit die relativ simplen Anforderungen an einen Gebetsplatz.
Nicht nur die spielerischen künstlerischen Projekte loten die Grenzen des Machbaren aus. So unterläuft ein Hochhausentwurf das Minarettverbot in der Schweiz indem er die signifikante Turmsilhouette über die gesamte Fassadenhöhe ausspart.
Den Schwerpunkt der Ausstellung bildet jedoch eine verwirrende Vielfalt von realisierten Moscheen weltweit, mit weitgehend unbekannten modernen Bauten seit den 70er Jahren; auch im Beton-Brutalismus wie Etimesgut Camii bei Ankara für das türkische Militär oder in Albuquerque für ein Gemeindezentrum. Moderne, relativ schlichte aber umso größere Moscheen sollten das Bild neuer islamischer Staaten wie Pakistan oder Indonesien prägen, so die Shah Faisal Moschee in Islamabad mit einem imposanten Betondach oder die Unabhängigkeitsmoschee in Jakarta für insgesamt 120 000 Gläubige. Das Kapitel »Zeitgenossenschaft« stellt dagegen heutige Projekte vor, von Köln-Ehrenfeld, London bis nach Dubai (Abb.: Moschee in Dubai von 2010, Architektur Fariborz Hatam), versehen mit orientalisierenden Ornamenten wie im bayrischen Penzberg, als schlichten, ganz in Weiß gehaltenen Innenraum wie die Refiye-Soyak-Moschee in Istanbul oder auch als modernistische, dynamische Welle. Die Ausstellung zeigt die ganze Vielfalt der architektonischen An- sätze und bietet so einen guten Einblick in fremde Sakralbauten.
Bis 30. September. Kubus oder Kuppel. Moscheen – Perspektiven einer Bauaufgabe. ifa-Galerie Berlin, Linienstraße 139/140, 10115 Berlin, Di-So 14-19 Uhr. Zur Ausstellung erscheint ein lesenswerter Katalog bei Wasmuth. www.ifa.de/ausstellungen
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