Im Hell-Dunkel Kontrast der alten Schwarz-Weiß-Fotografie reihen sich kunstvoll drapierte Blüten zu Ornamenten. Um 1920 experimentierte Bertha Günther in der Lichtbildwerksatt in Loheland bei Fulda mit »Fotogrammen«, bei denen die Objekte direkt auf dem Fotopapier platziert und belichtet werden. Damit befand sich Günther in bester avantgardistischer Gesellschaft. Zeitgleich erstellten Man Ray sowie Lászlò Moholy-Nagy am Bauhaus in Weimar ähnliche Fotogramme. Doch während das Bauhaus in aller Munde ist, gilt es die im gleichen Jahr 1919 von Louise Langgaard und Hedwig von Rhoden gegründete Frauenbildungsstätte Loheland wiederzuentdecken. Gelegenheit dazu bietet eine sehenswerte Ausstellung im Vonderau Museum in Fulda, die von einem umfangreichen Katalog begleitet wird.
Zentraler Baustein der Ausbildung in Loheland war die Loheland-Gymnastik. Mit ihr schulten die jungen Frauen ihre eigene Körperwahrnehmung, wurde eine ganzheitliche körperliche und ästhetische Bildung gefördert. Die so erworbenen Fertigkeiten flossen in die künstlerische Gestaltung unterschiedlicher Objekte in den Werkstätten ein. Erfolge feierten die Loheländerinnen in den frühen 1920er Jahren zudem mit ihrem expressiven Ausdruckstanz. Vertrieben wurden die Produkte aus Loheland u. a. in eigenen Läden in Hamburg und Berlin. Im Gegensatz zum Bauhaus zielten die Loheländerinnen mit ihren Möbeln, Fotografien, Töpferwaren, gedrechselten Kugeln und den bezaubernden Stoffen mit geometrischen Mustern nicht auf eine industrielle (Massen-) Produktion, sondern auf eine handwerkliche Fertigung. Gewohnt und gearbeitet wurde in den über ein Waldareal am Rand der Rhön verstreuten Bauten. Darunter der festliche, expressionistische »Franziskusbau« oder die jüngst sanierte »Waggonia« aus ausrangierten Eisenbahnwaggons.
Offen ist, wie nach der Ausstellung Geschichte und künstlerische Arbeiten Lohelands museal auf dem Gelände präsentiert werden, damit dieses faszinierende Kapitel der Reformmoderne weiter erlebt und erforscht werden kann.
Bis 5. Januar. Loheland 100. Gelebte Visionen
für eine neue Welt. Vonderau Museum Jesuitenplatz 2, 36037 Fulda, Di-So 10-17 Uhr, Katalog, 19,95 Euro, www.fulda.de