1 Monat GRATIS testen, danach für nur 6,90€/Monat!
Startseite » db-Archiv »

Vakuumisolationspaneele (VIPs) und -Gläser (VIGs)

Prinzip Thermoskanne
Vakuumisolationspaneele (VIPs) und -Gläser (VIGs)

Vakuumdämmungen in Form von VIPs und VIGs besitzen hervorragende Wärmedämmeigenschaften bei geringer Dicke, sind dafür aber auch um einiges teurer als Lösungen mit herkömmlichen Dämmmaterialien. Dennoch lohnt die Verwendung überall dort, wo wenig Platz zur Verfügung steht, etwa bei der energetischen Sanierung.

Text: Ulrich Heinemann

Dass man mit Vakuum hervorragend Wärmedämmen kann, ist uns allen von Thermoskannen bekannt. Seit 1904 werden diese für die Aufbewahrung und den Transport von heißen oder auch kalten Getränken hergestellt. Im Wesentlichen beruht die Dämmwirkung auf der Unterdrückung der Gaswärmeleitfähigkeit in einem evakuierten Zwischenraum. Zylinderförmige Gefäße sind dabei in der Lage, den externen Lastdruck der umgebenden Atmosphäre zu tragen. Will man dieses Prinzip auch auf flache Elemente übertragen, muss man ein Füllmaterial zwischen die Wände der Vakuumhülle einbringen, das die enormen Druckkräfte aufnimmt. Diese entsprechen immerhin einer Gewichtslast von 10 t/m². Andernfalls würde ein solches Element sofort zusammengedrückt werden. Neben den mechanischen Anforderungen muss dieses Füllmaterial evakuierbar und damit offenporig sein. Gleichzeitig soll es den Wärmetransport nur unwesentlich erhöhen, so dass gegenüber konventionellen Dämmmaterialien eine deutliche Verbesserung bleibt.
In den achtziger und neunziger Jahren wurden solche flachen Vakuumdämmelemente – Vakuumisolationspaneele oder auch Vakuumsuperisolationen (VSI) genannt – für die Anwendung in Kühlschränken und im Automobilbereich (Hochtemperaturbatterien und Latentwärmespeicher) entwickelt und eingesetzt. Die Anwendung im Bauwesen geht auf einen »Selbstversuch« des Bayerischen Zentrums für Angewandte Energieforschung (ZAE Bayern) zurück. Dort wurden 1999 in die Experimentierfassade eines neu zu erstellenden Anbaus des Institutsgebäudes Vakuumisolationspaneele integriert. Seitdem fand dieser Ansatz nicht nur Nachahmer bei anderen Forschungseinrichtungen, vielmehr gibt es inzwischen zahlreiche marktfähige Produkte. Vakuumisolationspaneele für die Anwendung im Bauwesen werden inzwischen allein in Deutschland von fünf Firmen hergestellt (Stand Anfang 2007). Mehrere zigtausend Quadratmeter VIP wurden 2006 in diesem Bereich eingesetzt; die Tendenz ist steigend.

Thermisches Potenzial

Während herkömmliche Dämmmaterialien wie Glas-, Mineralwolle oder Polystyrolschäume bei Umgebungstemperatur Wärmeleitfähigkeiten von etwa 0,035 bis 0,045 W/(m K) aufweisen, lassen sich mit evakuierten Isolationsmaterialien Wärmeleitfähigkeiten von etwa 0,002 bis 0,008 W/(m K) erreichen. Schwergas-gefüllte Polyurethanschäume haben Wärmeleitfähigkeiten von etwa 0,022 bis 0,030 W/(m K); bei speziellen, besonders fein gegliederten Materialien kann die Wärmeleitfähigkeit von trockener, ruhender, das heißt nicht-konvektierender Luft von etwa 0,026 W/(m K) noch unterschritten werden. Im Vergleich zu nicht-evakuierten Dämmmaterialien besitzen Vakuumisolationen somit ein Verbesserungspotenzial von einem Faktor 5 bis 10 (Bild 1).

Aufbau von VIPs

Hintergrund für eine zunehmende Markterschließung ist sicherlich die stark steigende Anforderung an die thermische Dämmwirkung einer Gebäudehülle gepaart mit dem Wunsch – oder der Notwendigkeit –, die Wanddicke zu beschränken. Auf der technischen Seite ist die Entwicklung flacher Vakuumdämmelemente einhergegangen mit Entwicklungen bei den Füllmaterialien und beim Aufbau der Vakuumhülle. Im Bereich der Füllmaterialien waren dies besonders feingliedrige, auf der Nanometerskala strukturierte SiO2-Pulver, so genannte pyrogene oder hochdisperse Kieselsäuren. Dieses Material, das auch als »Sand in seiner feinsten Form« oder »Weißer Ruß« umschrieben wird, ist allerdings kein neues Produkt. Es findet umfangreiche Anwendung sowohl als Zusatzstoff etwa für Reifen, Farben oder Lacke als auch als Verdickungs- und Geliermittel für Kosmetik- und Pharmazieartikel sowie Lebensmittel.
Für dieses extrem fein strukturierte Füllmaterial sind die Anforderungen an die Dichtigkeit der Vakuumhülle deutlich geringer als es beispielsweise für Thermoskannen der Fall ist. Daher kommen auch weniger dichte, jedoch speziell für diese Anwendung entwickelte Hochbarrierelaminate in Betracht, die aus mehreren Lagen verschiedener funktioneller Kunststofffolien mit mehreren aufgedampften wenige zig Nanometer dünnen Aluminium-Sperrschichten bestehen. Hiermit erschließt sich eine Fertigungstechnik, die deutlich günstiger und flexibler ist als die Fertigung von Hüllen aus Glas oder Edelstahl. Man denke nur an die gewaltigen Mengen unterschiedlichster Lebensmittel, die heute in Sperrschichtfolien verpackt werden. Erst die Kombination des Füllmaterials mit den geringsten Anforderungen an die Dichtigkeit der Hülle und den dichtesten heute verfügbaren Kunststoffsperrschichtfolien ermöglicht relativ günstig zu fertigende VIP-Produkte, die auch die im Bauwesen enormen Anforderungen bezüglich der Dauerhaftigkeit erfüllen.
Ein VIP besteht prinzipiell aus einem Füllmaterial und einer Vakuumhülle. Damit ist ein VIP weniger ein Dämmmaterial, das nach Bedarf bearbeitet und zurechtgeschnitten werden kann, sondern vielmehr ein vorgefertigtes, hocheffizientes Dämmelement (Bild 2). Vom Standpunkt der Dämmtechnik vollzieht man also mit dem Einsatz der Vakuumisolationspaneele einen Systemwechsel. Da Vakuumisolationspaneele jeweils als Sonderanfertigung in der erforderlichen Größe herzustellen sind, empfiehlt es sich aus Kosten- wie auch logistischen Gründen, die Anwendung auf einheitliche Maße abzustimmen. In verschiedener Hinsicht sind Planung und Einsatzbedingungen von einem VIP vergleichbar mit denen eines Fensters – mit entsprechenden Konsequenzen für den Einsatz in der Praxis. Bei der Konzeption und Ausführung müssen daher die diversen Anschlussdetails besonders beachtet werden, wie etwa die Maßhaltigkeit der Bauteile und die Abdichtung der Fugen.

Wärmebrücken / Umgang auf der Baustelle

Um die hervorragende Dämmfunktion nicht zu gefährden, darf die Hülle keinesfalls verletzt werden. Folienumhüllte VIPs müssen daher gut vor mechanischer Beschädigung geschützt sein. Weniger kritisch ist die Verwendung einer Vakuumhülle aus Edelstahl. Während Transport und Montage sind Vakuumdämmpaneele im Gewerk Fassade deutlich besser geschützt als im Gewerk Rohbau. Zu beachten ist der hohe Abstimmungsaufwand auf der Baustelle, da viele Handwerker im Umgang mit VIPs und deren Einbau noch nicht über ausreichende Erfahrung verfügen.
Ein besonderes Problem sind die Wärmebrücken im Bereich der Anschlüsse und Befestigungen. Bei der Verwendung von VIPs verschärft sich dieses Problem im gleichen Maße, wie mit dem Einsatz dieser hocheffizienten Dämmung die Dicke der Dämmschicht verringert werden kann. Selbst ruhende Luft oder konventionelles Dämmmaterial stellt im Vergleich zu einem Vakuumdämmpaneel eine Wärmebrücke dar. Somit sind für eine wärmetechnisch optimierte Gebäudehülle die Anschlussdetails von besonderer Bedeutung. Da es am Rand der Elemente einen erhöhten Wärmedurchgang gibt, sollten sämtliche Stoßfugen sorgfältig geplant und deren Anzahl möglichst reduziert werden.

Typische Anwendungsfelder von VIPs im Bauwesen

Im Vergleich zu einer konventionellen Wärmedämmung ist – bei gleicher Dämmwirkung – die Vakuumdämmung deutlich teurer (ca. 50 bis 100 Euro/m², U-Wert einer 2 cm dicken Platte etwa 0,2 W/(m² K)). Hinzu zu rechnen ist der erhöhte Planungs- und Abstimmungsaufwand. Der Vorteil von Vakuumisolationspaneelen liegt in der Verbesserung der Wärmedämmung bei gleichzeitigem Raumgewinn. So werden sie insbesondere dort eingesetzt, wo man ein vorgegebenes Dämmmaß mit einem möglichst schlanken Aufbau erreichen möchte oder wo der für die Dämmung verfügbare Raum begrenzt oder sehr wertvoll ist. Ihre spezifischen Vorteile kommen also hauptsächlich zum Tragen, wenn
  • für eine konventionelle Dämmung kein ausreichender Raum zur Verfügung steht
  • durch den Einsatz von VIPs insbesondere bei der wärmetechnischen Sanierung weitere Maßnahmen eingespart werden können, wie zum Beispiel der Versatz von Tür- und Fensteröffnungen oder die Verlängerung eines Dachüberstandes
  • es darum geht, aus einer vorgegebenen Grundfläche möglichst viel Nutzfläche zu erzielen (Innenstädte von Großstädten mit hohen Grundstückspreisen)
Weitere Anwendungsgebiete/Beispiele:
  • bei Dachterrassen zur Vermeidung von Stufen oder Schwellen, wie dies insbesondere in der Schweiz relativ weit verbreitet ist. Besonderes Augenmerk ist insbesondere hier auf trockene Bedingungen während des Einbaus zur richten, da das VIP in diesem Fall von oben und unten mit einer dampfdichten Bahn versehen ist. Eingeschlossene Nässe vermindert dann früher oder später dessen Wirkung.
  • bei kleinen Anbauten mit besonders ungünstigem Oberfläche-Volumen-Verhältnis wie zum Beispiel Dachgauben
  • bei Fassaden in Element- und Pfosten-Riegel-Konstruktionen. Die VIPs im Werk in vorgefertigte Fassadenpaneele für Pfosten-Riegel-Konstruktionen zu integrieren, ist die in Deutschland aktuell gebräuchlichste Art der Nutzung von Vakuumisolationspaneelen. In einem einheitlichen System können hierbei transparente und opake, hochwärmedämmende Elemente in attraktiver schlanker Bauweise kombiniert werden. Die gestalterischen Möglichkeiten in Bezug auf Farbe und/oder Materialwahl der Fassadenelemente bleiben davon unberührt. Kritischer Punkt bei diesen Konstruktionen sind die Wärmebrücken im Randbereich: Wenn die Rahmenkonstruktion nicht besonders wärmebrückenarm ausgeführt wird, kann der erhöhte Wärmedurchgang in diesem Bereich die hervorragende Dämmwirkung in der Paneelmitte komplett überdecken. Für diese Anwendung spricht aber, dass das Risiko der mechanischen Beschädigung der VIPs aufgrund der werksseitigen Vorfertigung unter kontrollierten Bedingungen durch eingewiesenes Personal sowie der schützenden zweiten Hülle auf ein Minimum reduziert ist. Die »zweite Hülle«, wenn, wie bei einer Isolierglasscheibe, dampfdiffusionsarm ausgeführt, verringert die klimatischen Lasten speziell für folienumhüllte VIPs.

Aufbau von VIGs

Auch bei den gut wärmegedämmten Gebäuden sind die thermischen Schwachstellen heute noch im Bereich der Fenster zu finden. Während bei opaken Fassaden U-Werte von 0.15 W/(m2 K) erreicht werden, liegen selbst die UW-Werte hochwertiger Fenster (Dreifach-Verglasung, inklusive Rahmen) nur bei 0,8 W/(m2 K), sie sind damit um einen Faktor 5 schlechter. Indem durch Evakuierung des Gases im Scheibenzwischenraum der Wärmetransport unterdrückt wird, bietet sich also auch bei den Fenstern ein erhebliches Verbesserungspotenzial. So wurde bei der glasstec 2006 ein Prototyp einer Vakuumverglasung mit einem U-Wert von 0,5 W/(m² K) vorgestellt. Er war das Ergebnis einer Forschungs- und Entwicklungskooperation vom ZAE Bayern und mehreren Forschungs- und Industriepartnern.
Die technischen Herausforderungen bei der Realisierung der Vakuumverglasung bestanden darin, Stützen zu entwickeln, die, analog zu dem Füllmaterial bei den VIPs, in der Lage sind, die externe Last aufzunehmen (Bild 12), ohne jedoch nennenswert zum Gesamtwärmetransport beizutragen. Zudem sollten diese optisch möglichst wenig in Erscheinung treten. Die Anforderungen an die Qualität des Vakuums und damit die Dichtigkeit der Hülle, insbesondere der des Randverbundes, sind bei den VIGs weitaus höher. Kann bei den VIPs mit nanostrukturiertem Füllmaterial der Gasdruck einige zig Millibar betragen, so muss bei den Vakuumisolierglasfenstern über die gesamte Funktionsdauer der Gasdruck unter einem tausendstel Millibar (10–3 mbar) gehalten werden.
Zwar unterscheidet sich der reine Ug-Wert von einem VIG (0,5 W/(m² K)) kaum von dem einer Dreifachverglasung (Ug-Wert > 0.5 W/(m² K)), doch mit einem Gesamtaufbau von nur 9 mm ist dieses außerordentlich schlank (zum Vergleich: Standardwärmeschutzgläser 24 mm, Dreifachverglasungen 36 – 44 mm) – und vor allem leicht. Sie bringen lediglich das Gewicht einer konventionellen Zweifachverglasung auf die Waage und stellen somit keine erhöhten mechanischen Anforderungen an den Rahmen und die Aufhängung. Aktuell bedarf es noch weiterer Forschungs- und Entwicklungsarbeiten, um die bisher gewonnenen Erkenntnisse auf die Erfordernisse einer industriellen Serienproduktion umzusetzen.

Fazit

In den vergangenen Jahren haben verschiedene Hersteller die Idee der hocheffizienten Vakuumdämmung aufgegriffen und marktfähige Produkte entwickelt. Vor dem Hintergrund gestiegener Anforderungen an den baulichen Wärmeschutz ist durchaus mit einer weiteren Marktdurchdringung zu rechnen. Dabei gibt es noch zahlreiche Verbesserungsansätze: den Aufbau der Elemente betreffend wie auch die Anschluss- und Befestigungsdetails. So sind beispielsweise Fassadenelemente denkbar, bei denen die äußere Hülle aus Glas oder Metall gleichzeitig Bestandteil der Vakuumhülle darstellen. Hier sind sicher auch Architekten und Planer aufgefordert, gemeinsam mit der Industrie Produkte zu entwickeln. Im Übrigen bleibt darauf hinzuweisen, dass bis zur Erteilung entsprechender allgemeiner bauaufsichtlicher Zulassungen für eine Anwendung derzeit noch eine Zulassung im Einzelfall bei der zuständigen Baubehörde einzuholen ist. •
Hersteller von Vakuumisolationspaneelen (Auswahl Deutschland):
Paneele mit Kunststoffhochbarrierefilmen oder kaschierten Aluminiumfolien:
Edelstahl-umhüllte Paneele:
lambdasave, Emden, www.lambdasave.com
Literatur:
Heinemann, Ulrich, Roland Caps und Jochen Fricke: Characterization and optimization of filler materials for vacuum super insulations. Vuoto scienza e tecnologia, Vol. 18, N. 1–2 1999, S. 43– 46
Caps, Roland, u. a.: Application of Vacuum Insulation in Buildings. VIA Symposium: Progress in vacuum insulation, Juni 2000, Vancouver
Informationsplattform zum Thema »Evakuierte Dämmungen im Bauwesen«: www.vip-bau.de
Simmler, Hans, u. a.: Vacuum Insulation Panels – Study on VIP-components and Panels for Service Life Prediction of VIP in Building Applications, IEA-Annex 39, 2005, www.vip-bau.de
Armin Binz, u.a.: Vacuum Insulation in the Building Sector, Systems and Applications, IEA-Annex 39, 2005, www.vip-bau.de
Aktuelles Heft
Titelbild db deutsche bauzeitung 5
Ausgabe
5.2024
LESEN
ABO
MeistgelesenNeueste Artikel

Architektur Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Architektur-Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum arcguide Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des arcguide Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de