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Erfolg im Verbund

energieeffizientes bauen durch Das Netzwerk Architos
Erfolg im Verbund

24 Architekturbüros, überwiegend aus der Schweiz und Baden-Württemberg, zählt Architos derzeit zu seinen Mitgliedern. Vor sieben Jahren gegründet, hat sich die Gruppe dank intensiver Vernetzung, Werbung und der Zusammenarbeit mit Fachplanern und einschlägigen Firmen zu einer wichtigen Referenz für Energiesparhäuser aus Holz entwickelt – wie das Beispiel des Architekten Rainer Graf aus Gomaringen zeigt.

Text: Christoph Gunßer Fotos: Thomas Drexel, Markus Niethammer

Die Dinge laufen gut für Rainer Graf, sehr gut sogar – hat er doch in den letzten zwei Jahren allein sieben Passivhäuser realisiert, und das rund um Tübingen, wo 130 Architekturbüros um Bauherren buhlen (im benachbarten Reutlingen sind es noch einmal rund hundert Büros). Sein eigenes Wohn- und Bürohaus in Gomaringen hat der Vierzigjährige gerade fertiggestellt, es ist ebenfalls ein Passivhaus. Nach zehn Jahren Selbstständigkeit mit eher kleinen Aufträgen hat Graf so seinen Platz – oder seine Nische – gefunden: Wer das Internet zum Stichwort Passivhaus und Tübingen durchstöbert, stößt schnell auf sein Büro. Und dieser Weg der Akquisition wird nicht nur für ihn immer wichtiger.
Architos als Marke
Unterstützung bekommt er dabei von den Kollegen der Gruppe Architos, der er seit bald drei Jahren angehört. Alle vier bis sechs Wochen treffen sie sich einen halben Tag lang zum Austausch, zwei Fachtagungen im Jahr sowie regelmäßige Mail-Kontakte dienen dem Dialog der Planer. Möchte beispielsweise einer von ihnen wissen, ob und wie im Passivhaus eine Katzentür machbar ist, hat sicher einer der anderen Erfahrungen parat, in diesem Fall sogar einen Blower Door-Test für dieses Bauteil, und kann Empfehlungen geben. ›
› Nach außen gewann die Gruppe durch professionell gestaltete Messeauftritte an Profil; auch Rainer Graf steht am Architos-Stand des öfteren für Fragen zur Verfügung – immerhin war er einer der ersten Energie-berater in der Region.
Insgesamt 150 Passivhäuser haben die Architekten von Architos schon gebaut – und langjährige Erfahrungen mit energiesparenden Bauweisen gesammelt. Mittlerweile hat die Gruppe eigene, einheitliche Qualitätsstandards für (hölzerne) Passivhäuser formuliert, die insbesondere die Dauerhaftigkeit der Konstruktionen gewährleisten sollen. So verleiht die »Marke« Architos den Mitgliedern mehr Seriosität bei Bauherren wie Herstellern.
Aufträge können im Netzwerk weitergereicht oder trotz räumlicher Distanz gemeinsam bearbeitet werden, wie der Entwurf für ein Dienstleistungs- zentrum in der Passivhaus-Mustersiedlung im österreichischen Waldviertel [1] beweist: Das über Datenleitung vernetzte Team dreier Architos- Architekten gewann damit im Wettbewerb den ersten Preis.
Wer bei Architos Mitglied werden will, muss ein mehrstufiges Auswahl-verfahren durchlaufen. Erfahrungen im energieeffizienten Holzbau, eigenständige Realisierungen und eine zeitgemäße Gestaltung der Bauten werden verlangt. Gerade bei letzterer gibt es indes große Unterschiede zwischen den Partnern. Selbst Rainer Grafs Häuser würde man auf den ersten Blick nicht ein und demselben Büro zuschreiben.
Bei unserer Rundfahrt durch die verstädterte Voralblandschaft besichtigen wir unter anderem ein weiß verputztes Niedrigenergiehaus mit breiten Fensterbändern und knallblauem Vorbau, das im Inneren kühl, licht und offen gehalten ist, ein in naturbelassener Lärche gekleidetes Doppelhaus mit Einzelöfen, geölten Holzböden und Balkenlagen (Bild 1) sowie sein eigenes, weiß verputztes Haus mit Lochfassade, anthrazitfarbener Bürobox, Stampflehmwand und Dachterrasse unterm »Wolkenbügel« (Bilder 3 und 4). Energietechnisch hat der Architekt verschiedene Lösungen ausprobiert, bis er zur heutigen Passivhausbauweise kam.
Bauen für Menschen
Rainer Graf ist gewiss kein Vertreter einer reinen Lehre. Seine Bauherren kommen oft mit recht vagen Erwartungen auf ihn zu. Sie wollen halt Energie sparen – ein seit dem letzten Preissprung beim Öl deutlich häufiger geäußerter Wunsch – , haben zum Beispiel irgendetwas gelesen über Wärmepumpen. Zum Passivhaus bekommt er immer die gleichen Vorurteile zu hören: Man könne die Fenster nicht öffnen, sei wie eingesperrt, habe Schimmelprobleme … Zur Gestaltung gebe es meist eher konventionelle Bilder in den Köpfen. Dann habe es auch keinen Sinn, diese Menschen »in die klassische Moderne hineinzudrängen«, meint Graf, der selbst diese Richtung bevorzugt. »Die werden da drin nicht glücklich.« Den Architekten hänge der Ruf an, sie wollten sich auf Kosten der Bauherren selbst verwirklichen. Davon möchte er sich distanzieren – und baut eben auch mal rustikal, wenn die Bauherren dies wünschen. Gleichwohl hat er manchem Bauherrn schon die toskanische Landhausvilla ausgeredet und dann eine schlichte Giebelform ohne Dachüberstand gefunden (Bilder 5 und 6). Von Nutzen ist ihm da seine frühere Ausbildung zum Schreiner: Graf spricht die Sprache der Leute und der Handwerker, ist einer von ihnen. Selbst die Energieeffizienz ist für ihn kein Totschlagargument, wenn es etwa um die Ausformung des Daches oder die Kompaktheit des Baukörpers geht. »Ich baue für Menschen«, sagt er, und so finden sich beispielsweise auffällig viele Übereckfenster und Versprünge in seinen Bauten, auch wenn diese energetisch nicht ideal sind. Auch sichtbare Pelletöfen und Heizkörper in Passivhäusern sind akzeptable Zugeständnisse an traditionelle Wohnvorstellungen.
Alltägliche Probleme
Zu kämpfen hat Graf häufig mit veralteten Bebauungsplänen, im Raum Reutlingen beispielsweise stammt ein Bebauungsplan aus dem Jahr 1895. Auch seien je nach Gemeinde oder Landkreis die Regeln unterschiedlich strikt – ein B-Plan schreibe zum Beispiel Sprossenfenster vor, was bei einem Passivhaus vollkommenen unsinnig ist. Selbst wenn Landratsamt und Bürgermeister in diesem Fall Ausnahmen zulassen würden, nützt das nicht viel, solange der Gemeinderat nach wie vor auf Sprossen besteht. Und es gibt kaum geeignete Vorgaben für eine intelligente Verdichtung: Reihenhäuser würden immer als einförmige »Stangen« ausgewiesen, was unweigerlich zu nachbarlichen Spannungen und Dichtestress führe. Allerdings hat der Architekt bisher fast ausschließlich Einfamilienhäuser gebaut – und damit zu dem bedenklichen Trend der Landschaftszersiedlung beigetragen.
Nach Visionen befragt, wie man wohl in Zukunft bauen und wohnen werde, nennt Rainer Graf denn auch eher technische Entwicklungen wie Vakuum-Isolationspaneele (VIPs, siehe db 04/07), die künftig die übermäßig dicken Wände der Passivhäuser ersetzen könnten, die Brennstoffzelle, die zu einer umweltverträglicheren Mobilität beitragen könne, oder die Renaissance der Straßenbahn, die früher bis auf die Albhochfläche fuhr und heute die verstopften Zentren entlasten könnte. Wie um diese Idee zu unterstreichen, stehen wir bei unserer Rundfahrt im Siedlungsbrei am Ende – im Stau.
Gemeinsamer Nenner: Energieeffizienz
Betrachtet man die Werke der Architos-Gruppe insgesamt [2], stellt man fest, dass ein Phänomen fast flächendeckend auftritt: Passivhäuser, ›
› das sind in aller Regel frei stehende, aufwändig erschlossene, beträchtliche Verkehrsströme auslösende Strukturen. Im städtebaulichen Kontext, wo die kontrollierten Lüftungssysteme unter Immissionsaspekten besonders Sinn ergäben, gibt es so gut wie keine Beispiele. Auf diese Weise verlagern die Bauherren aber ihren Ressourcenverschleiß nur vom Schornstein zum Auspuff.
Einer der Architos-Partner der ersten Stunde, Martin Wamsler aus Markdorf, hat immerhin in Konstanz eine große Wohnanlage im Passivhausstandard verwirklicht: Im stadtnahen »Tannenhof« plante er für eine Bauherrengemeinschaft aus acht Familien eine kompakte, doch im Detail individuelle Zeile mit zentraler Pelletheizung und einem Verbrauch von nur 13 kWh/m²a [3] – solch ein Wert lässt sich in der Verdichtung selbstverständlich leichter erreichen als im frei stehenden Haus.
Baugruppen-Projekte wie dieses – oder die mittlerweile für ihre bunte Urbanität berühmte Tübinger Südstadt – sind allerdings für Architekten sehr zeit- und beratungsintensiv. Moderieren muss man als Architekt erst einmal können und wollen – das Image des Berufes ist landauf, landab noch immer ein ganz anderes. Mit Blick auf die Südstadt meint Rainer Graf, sie gedeihe auch nur im Tübinger »Biotop« von aufgeklärten, engagierten Akademikern. Auch Martin Wamsler berichtet vom Vergabechaos und dem nötigen langen Atem des Konstanzer Experiments, der sich aber gelohnt habe.
Anders als Graf traut Wamsler sich, seine Holzhäuser auch nach außen hin sichtbar als solche zu zeigen – auch wenn sie mit der Zeit vergrauen. Dass diese Ehrlichkeit aber so selten ist, zeigt wohl nur, dass die Energiesparbauweise inzwischen aus der alternativen »Öko-Ecke« heraus ist. Passiv- oder Niedrigenergiehäuser werden meist aus ökonomischen Gründen gebaut – und nicht mehr, um ein Zeichen für die Gesellschaft zu setzen. Den Gebäuden soll man die ökologische Komponente nicht unbedingt ansehen, Holzhäuser waren den klassischen Häuslebauern ohnehin immer suspekt. Die Zeit der radikalen Pioniere scheint somit endgültig vorbei zu sein. Denn wen beeindruckt heute noch eine Solaranlage auf dem Dach? Zumal die meiste übrige Technik inzwischen sowieso fast unsichtbar ist und damit für die Demonstration von Fortschrittlichkeit ungeeignet. Womöglich steht man am Ende noch als Geizhals da! •
Anmerkungen: [1] Entwurf des »Kompetenzzentrums Sonnenplatz« von Architos-Team r-m-p architekten, Roland Matzig, Mannheim, und schaller + sternagel architekten, Thomas Sternagel, Stuttgart, Till Schaller, Allensbach; www.probewohnen.at [2] siehe unter: www.probewohnen.at oder www.probewohnen.at [3] Gemeint ist hiermit der Energiekennwert Heizwärme nach dem Passivhaus Projektierungs Paket (PHPP)
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