Kaum ein Friseur lässt es sich heute noch nehmen, seinen Salon anspruchsvoll zu gestalten. Für Günter Rau haben die Architekten nicht nur die räumliche Organisation im vorhandenen Altbau geplant, sondern auch das gesamte Mobiliar und die Beleuchtung entworfen – bis hin zu ganz speziellen Neuentwicklungen, wie die Waschbecken aus gewachstem Beton. Hardly any hairdresser neglects nowadays to have his premises designed. For Günter Rau the architects have not only replanned the spatial organization of the existing building but also designed the whole of the fittings and lighting, to the extent of special new developments such as wash basins of waxed concrete.
Text: Cornelia Krause
Fotos: Wolfgang Ott
Das Friseurhandwerk scheint – trotz allgemeiner Wirtschaftskrise – immer noch goldenen Boden zu haben. Wen wundert´s: Haarwuchs hat nun mal keine Spartaste. Speziell in den gut durchmischten Stadtteilen großer Städte häufen sich die Salons. Konkurrenz belebt bekanntlich das Geschäft, jedoch reicht der meisterliche Haarschnitt allein nicht mehr aus, um neue Kunden an sich zu binden. Schließlich will man sich in dieser Stunde auch optisch eine Auszeit vom hektischen Alltag gönnen.
Da passte es gut, dass ein Friseur und ein Architekt – beides passionierte Perfektionisten – sich begegneten und gemeinsame Sache machten. Kein »normaler« Salon sollte es werden, an dessen Shampoos im Regal und den aufgestellten Werbedisplays sich erkennen lässt, wer hier die Ladeneinrichtung mitbestimmt hat, sondern etwas ganz Ungewöhnliches: ein Atelier für die Haarkunst, in dem Handwerk und Architektur die gleiche Sprache sprechen. Auf den Leitgedanken einigte man sich schnell: Reduktion. Nur das zum Funktionieren Notwendige sollte den Raum »schmücken« – und das edel und schön. So etwas gibt es bekanntermaßen nicht komplett zu kaufen. Und so hat der Architekt nicht nur die räumliche Organisation im vorhandenen Altbau neu strukturiert, sondern auch das gesamte Mobiliar, einschließlich der Beleuchtung entworfen – und mehr noch. Sein Gestaltungswille machte selbst vor den Kopfwaschbecken nicht Halt: wunderschöne Schalen aus gewachstem Beton. Experiment und Risiko zugleich. Halten die Becken der chemischen und mechanischen Beanspruchung stand? Zugegeben, nicht auf Anhieb. Nachbesserungen waren notwendig. Aber wie sonst kann man sich neuen Materialanwendungen nähern, außer durch Probieren?
Weil die Becken etwas Besonderes sind, stehen sie auch – inszeniert auf einen weit auskragenden Tisch-Unterbau aus Wengenholz mit entsprechend reduzierten Armaturen – mitten im Laden. Eine bessere Werbung als mit einem typischen Utensil kann ein Friseur für sich gar nicht machen. Um diese Inszenierung nicht zu stören, ist der L-förmig angelegte Salon (entstanden aus zwei Läden) äußerst sparsam eingerichtet. Aus milchig schimmernden Acryl-Stableuchten, die wie Stalaktiten von der Decke hängen, fällt das Licht auf die wenigen Materialien, die sich auf Beton für Wand und Boden (geschliffener Estrich) und dunkles Holz für die Einbauten beschränken. Die, vor die eigentlichen Raumabschlüsse geführten 2,40 m hohen Betonscheiben (großformatige Brandschutzplatten) betonen den Ablauf des Haareschneidens und dienen in einem Fall sogar als Sichtschutz für den Personalraum. Bündig darin eingelassen ist das umlaufende Spiegelband. Die horizontale Linearität wird zusätzlich durch die über dem Fußboden schwebende Fußstange aus gebürstetem Edelstahl unterstrichen.
Die konsequente Reduktion zwingt auch den Autor zur Zurückhaltung. Viel mehr kann man über den Salon Rau in der Augsburger Innenstadt nicht schreiben – außer vielleicht noch, dass dieser in seiner Schlichtheit bestechend schöne Raum nur aus der intensiven Zusammenarbeit von Bauherr und Architekt entstehen konnte. kr
- Bauherr: Günter Rau, Augsburg
Architekten: Ott Architekten, Augsburg Wolfgang Ott, Ulrike Seeger
Mitarbeiter: Torben Tjarks, Peter Greggenhofe
Tragwerksplaner: Wolfgang Demuth, Augsburg
Bauzeit: Januar bis März 2003
Bausumme: 40000 Euro, BGF: 95 qm
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