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Automeile

Technik
Automeile

Im Autohandel haben sich in den letzten zwei Jahrzehnten wesentliche Veränderungen vollzogen. Neue wirtschaftliche Rahmenbedingungen sowie novellierte Verkaufskonzepte der Automobilhersteller brachten auch einen Wandel des architektonischen Erscheinungsbildes der Autohäuser mit sich. Diese präsentieren sich heute meist als lichtdurchflutete Stahl-Glas-Bauten. Einen exemplarischen Einblick in ihre Architektur und Konstruktion bietet die neu errichtete »Automeile Höherweg« in Düsseldorf. In the car sales business essential changes have occurred in the past two decades. New basic conditions in the economy as well as revised sales concepts of car manufactures have led to a new turn in the architectural phenotype of car sales administration buildings. An exemplary display of their architecture and construction is offered by the recently completed “Automeile Höherweg“ (“car mile“) in Düsseldorf.

Früher gab es eine Vielzahl eigenständiger Autohersteller, die mit meist kleineren Händlern breit gestreut vertreten waren. Oft übernahmen Reparaturwerkstätten oder Tankstellen zusätzlich die Vertretung eines Herstellers. Als »Showroom« diente ein größeres Ladenlokal in Verbindung mit der Werkstatt; Verkauf und weitere Kundenbetreuung waren eng miteinander verbunden.

Seit den 1990er Jahren gibt es gravierende Umwälzungen: Die Zahl der großen Automobilkonzerne nimmt weltweit durch Fusionen beständig ab, die der hier zu Lande konkurrierenden Marken durch Etablierung von Importmarken jedoch zu. Das Autoverkaufen ist somit schwieriger geworden, konjunkturelle Schwankungen bewirken ein
Übriges. Als Reaktion kam es im Autohandel zu immensen Konzentrationsbestrebungen. Die meisten kleineren Händler sind inzwischen aus dem Stadtbild verschwunden, eine geringere Anzahl größerer Markenvertretungen trat an ihre Stelle – mit Auswirkungen auf den Städtebau wie auf die Architektur: Die neuen Investoren und Verkaufsorganisationen errichten großzügige
Gebäudekomplexe, häufig in Gewerbegebieten außerhalb der Stadt, meist mit einer tragenden Konstruktion aus Stahl. Großflächig verglast, bieten die Autohäuser so ein Höchstmaß an Transparenz und Offenheit. Nach Außen wirkt der Verkaufsraum als Schaufenster, im hell belichteten Inneren kommen die ausgestellten Fahrzeuge gut zur Geltung. Außerdem werden Stahl und Glas gerne mit technischem Fortschritt assoziiert und sind auch beim Auto die augenscheinlich prägnantesten Materialien.
Obwohl in den Gebäudekomplex integriert, treten die zugehörigen Werkstätten meist in den Hintergrund, um der Hochglanzpräsentation der Automobile keinen psychologischen Kratzer zuzufügen. Vereinzelt wollen Konzerne aber auch dem Kunden den Werkstattbereich bewusst vor Augen führen, beispielsweise durch eine transparente Glaswand zwischen Reparatur und Verkauf. Dem Kunden soll somit vermittelt werden, dass er hier auch nach dem Kauf in guten Händen ist.
Die Frage, ob die Werkstatt versteckt oder gezeigt wird, ist Bestandteil des Corporate-Identity-Konzepts (CI-Konzept), das mittlerweile das Erscheinungsbild der meisten Autohäuser in weiten Bereichen regelt. Vorgegeben werden Materialien, Schrifttypen, gestalterische Detailausbildungen, manchmal auch Gebäudeformen oder Verkaufsflächengrößen.
Die Ausführung der Autohäuser als Stahlbauten ist ebenfalls häufig Bestandteil des vom Konzern bestimmten CI-Konzeptes oder ergibt sich aus dessen Vorgaben wie etwa der Errichtung eines transparenten Baukörpers mit flexibler Struktur, um so schnell und gezielt auf sich ändernde Bedürfnisse zu reagieren.
Doch wie verhindert man, dass bei aller Ähnlichkeit heutiger Autohäuser weder Monotonie aufkommt noch aktionistisch aufgesetzte Individualitätsmerkmale das Erscheinungsbild bestimmen? Die neu entstandene »Automeile Höherweg« in Düsseldorf bietet ein gutes Beispiel, wie diese Frage gelöst werden kann. Zusätzlich dient sie als städtebauliche Anregung für die Neunutzung innerstädtischer Industriebrachen. Im Unterschied zu anderen Konglomeraten benachbarter Autohändler wurde ein städtebauliches, architektonisches und verkaufsstrategisch übergreifendes, gemeinsames Konzept verwirklicht, an dem sich bisher sechs Händler mit sieben verschiedenen Gebäuden beteiligen. 1998 vom Geschäftsführer des
alteingesessenen VW-Autohauses (es grenzte direkt an das 100 000 m² große, ehemalige Areal der Stadtwerke) initiiert, konnte so im Sommer 2004 die durchgängig gestaltete Promenade eingeweiht werden. Sie präsentiert sich als städtebauliche Einheit und bietet den Besuchern bisher 19 unterschiedliche Marken. Daneben sind der ADAC und die DEKRA vertreten, die Stadt Düsseldorf verlegte ihr Straßenverkehrsamt sowie ihr Einwohnermeldeamt hierher. Fahnen und Markenembleme auf den Dächern untersagt die Gestaltungssatzung der übergeordneten Automeile Höherweg, Pylone mit dem gemeinsamen Logo demonstrieren, dass die Konkurrenten nach außen als Einheit auftreten, was auch gemeinsame Marketingmaßnahmen beinhaltet. So wurden auch für die Architektur der Autohäuser, die von banal über funktional bis anspruchsvoll gestaltet ist, Vorgaben gemacht, beispielsweise hinsichtlich der Gebäudehöhe oder des transparenten Mindestanteils der Fassaden. Trotz Einheitlichkeit gibt sich jedes Stahl-Glas-Gebäude individuell, wie die folgenden drei Beispiele mit ihren unterschiedlichen Stahlkonstruktionen zeigen.
Volkswagen Nähert man sich der Automeile vom Stadtzentrum, passiert man zuerst das VW-Autohaus. In den 1950er Jahren als Lagerhalle mit Sheddach errichtet, später umgebaut zum Verkaufsraum für Automobile, wurde es im letzten Jahr nochmals neu gestaltet. In diesem Zuge erhielt die Halle aus einem Betonskelett und Ziegelmauerwerk einen gläsernen, im Grundriss leicht trapezförmigen Vorbau als Erweiterung, der mit dem Bestand in interessantem Kontrast steht.
Im Inneren des Anbaus fallen zwei silbergrau gestrichene, stählerne Stützenbäume ins Auge, auf deren Ästen ein gitterartiges Raumfachwerk aufliegt. Dieses scheint auf den ersten Blick seine Lasten auf die schlanken Rundstützen der Glasfassade abzugeben. Tatsächlich jedoch hängen die Stützen (Ø 178 mm) statisch gesehen am Fachwerk. Stützen und Pfosten-Riegel-Konstruktion der Verglasung konnten daher besonders gering dimensioniert werden und lassen die Fassade leicht und transparent erscheinen.
Die beiden Stützenbäume tragen somit allein die 1040 m² große Dachfläche sowie die Fassade. Sie erinnern an die von Norman
Foster beim Flughafen London-Stansted verwendeten Stahlbäume: in Form eines Quadrates wurden vier, hier 280 mm dicke Rundstützen angeordnet, deren obere Enden mit Rundstählen verbunden sind. Die Stützen sind biegesteif verschweißt und diagonal ausgekreuzt. Von den oberen Ecken des »Stammes« gehen diagonal vier »Äste« (Ø 168 mm) ab. Sie wurden zur Mitte des Baumes hin mit je zwei parallelen Stahlzugstäben abgespannt, die sich in einem gemeinsamen Knotenpunkt treffen. Dieser bildet die Spitze von vier zeltförmig zusammengeführten, auf den Ecken des Stammes verschweißten Rundstählen. Die Abspannungen haben nur noch geringe Kräfte abzutragen, da sich die horizontalen Anteile der auf die Zugstäbe einwirkenden Zugspannungen gegenseitig aufheben. Die auf den Enden der Äste ruhenden Fachwerkträger wurden ebenfalls aus verschweißten Stahl-Rundrohren (Ober- und Untergurte je Ø 168 mm) zusammengesetzt. Zur Fassade hin auskragend, verjüngen sich die Fachwerkträger entsprechend ihrer geringer werdenden statischen Beanspruchung, hier sind die Untergurte schräg geführt. Deren Enden verbinden niedrigere Fachwerkträger, die die hängenden Stützen der Fassade tragen. Auf dem Deckentragwerk liegen unterseitig sichtbar Trapezbleche sowie in der darauf folgenden Wärmedämmschicht die Diagonalauskreuzung der Decke.
Baumstützen und Fachwerkträger wurden in größtmöglichen Elementen vorgefertigt und vor Ort verschweißt. Architekt Ralf Arno Schormann wählte diese Konstruktion, um einen in die Gebäude-
erweiterung ragenden, nicht weiter belastbaren Keller des Altbaus zu erhalten, indem der Anbau unabhängig davon vor diesem gründet. Zugegeben: rein funktional betrachtet, hätte es einfachere
Lösungen dieses Problems gegeben. Aus ästhetischer und architektonischer Sicht war dies jedoch sicher eine anspruchsvolle und interessante Variante. Die Stahlkonstruktion ist zwar optisch präsent, drängt sich aber nicht auf, was der Auflösung der Bauteile in Fachwerkkonstruktionen sowie den schlanken Dimensionen der einzelnen Elemente zu verdanken ist.
Seat Unmittelbar neben dem erweiterten VW-Gebäude plante ebenfalls Ralf Arno Schormann mit Jenny Heiderich (Projektleitung) das neue Seat-Autohaus: ein schnörkelloser, allseitig verglaster Kubus, den ein in der Fläche doppelt so großes Überdach, getragen von quadratischen Stahlstützen, überspannt. Dem Kunden bietet sich ein rechteckiger, nicht weiter unterteilter Verkaufsraum mit einer für heutige Verhältnisse relativ kleinen Fläche von 580 m² bei etwa 7 m Höhe. Nach drei Seiten öffnet sich der Raum über die durchgängige Glasfassade, westlich schließt ein zweigeschossiger Bereich aus Sichtbeton an. Hier befinden sich ebenerdig zwei Werkstatträume, einer davon über eine Glaswand vom Ausstellungsraum aus einsehbar, sowie der Übergaberaum für Neuwagen. Darüber liegen Büros. Außerhalb des transparenten Kubus steht nördlich und westlich eine vom Überdach geschützte Freifläche zur Verfügung, auf der Gebrauchtfahrzeuge ausgestellt werden.
Die Stahlkonstruktion bestimmt erheblich das architektonische Erscheinungsbild: In gleichmäßigem Raster von etwa 7 x 7 m beziehungsweise 7 x 10 m im Außenbereich stehen quadratische Stützen, die jeweils aus einem Doppel-T-Profil (HEB 300) mit zwischen den Flanschen eingeschweißten, 8 mm dicken Flacheisen zusammengesetzt sind. Der quadratische Querschnitt war gewollt, die Dicke der Flacheisen ergab sich teilweise aus statischen Gründen, aber auch zur Vermeidung von Torsion der 10 m langen Profile im Zinkbad. Auf den Stützen ruhen die Hauptträger des äußeren Daches. Sie überspannen in Querrichtung 38 m, zusammengesetzt aus zwei 19 m langen HEA 550-Profilen. Deren beachtliche Höhe nimmt der Betrachter kaum wahr, da zwischen den Trägern eine Sheddachkonstruktion liegt. Die nördlich orientierten Flächen des Daches bestehen aus transluzenten Polycarbonat-Doppelstegplatten, die südlich ausgerichteten aus Trapezblechen, auf denen Solarzellen geplant sind.
Um die Verkaufshalle von Stützen freizuhalten und dennoch den Aufbau des Innendachs möglichst flach zu gestalten, wurde die
innere Konstruktion vom Überdach abgehangen. Sechs schlanke Zugstäbe mit einem Durchmesser von 24 mm tragen mit den am Rand stehenden, durchlaufenden Stützen das 52 t schwere Dach mit einem Flächengewicht von 65 kg/m². Es besteht aus einem Traggitter aus IPE 220-Profilen, an die unterseitig sichtbar belassen Trapezbleche geschraubt wurden. Die Gitterzwischenräume wurden wärmegedämmt, oberseitig Dachdichtungsbahnen verlegt.
Ausgesteift wird das Stahltragwerk durch eine nicht sichtbare Diagonalauskreuzung des Innenraumdaches sowie durch den Sichtbetonkern.
Interessant ist auch die Dachentwässerung des Sheddaches: die geneigten Flächen entwässern in quergelegte Doppel-T-Träger, auf denen sie auch auflagern. Als Rinnen wurden vierfach gekantete Bleche zwischen die Flansche eingebaut, diese wiederum leiten das Wasser in »Rinnen« (mittels 9 cm hohen, aufgeschweißten Flach-stählen konstruiert) auf den unteren Flanschen der Hauptträger.
Die Fallrohre schließlich liegen versteckt in den Stützen.
Die schlichte Architektur zeigt eine Vielzahl durchdachter Detailpunkte, neben den erwähnten gehören hierzu beispielsweise das Beleuchtungssystem oder das Brandschutzkonzept. Etwas bedauerlich ist lediglich, dass die optische Massivität der Stützen das leicht wirkende »fliegende« Überdach nicht so recht abheben lässt.
Toyota Im Unterschied zu den übrigen, orthogonal gestalteten Verkaufshäusern der Automeile gibt sich das Toyota-Autohaus abgerundet. Markant sind zwei im Grundriss ovale Baukörper, einer durchsichtig hell, der andere anthrazitfarben mit geringerer Lichtdurchlässigkeit verglast: sie beherbergen die Verkaufsräume der beiden angebotenen Marken Toyota und Lexus. Ein niedriger ge-haltenes Bistro verbindet beide Bereiche, rückseitig schließt die in Bogenform angeordnete Werkstatt an. Der gesamte Komplex besteht aus einer tragenden Stahlkonstruktion, den ein Betonkern aussteift.
Im Mittelpunkt des Toyota-Verkaufsraums, geplant von der Ingenieurgemeinschaft Krabbe, steht wiederum ein Stützenbaum aus vier Stahlrundrohren (Ø 140 mm), der jedoch mit denen im VW-Haus nur wenig vergleichbar ist. Sämtliche Verbindungen sind hier gelenkig ausgeführt. Von den vier oberen Ecken des »Stammes« gehen jeweils drei Äste aus, auf deren Enden die Knotenpunkte des Traggitters des Daches (IPE 200 und IPE 300) liegen, wobei die äußeren Äste jeder Ecke mit den benachbarten Astenden zusammengeführt wurden. Die Baumkonstruktion wirkt hier noch deutlich filigraner als bei VW, was in erster Linie den mittragenden Fassadenstützen zu verdanken ist. Dass die Fassade dennoch transparenter als übliche Pfosten-Riegel-Konstruktionen gehalten werden konnte, liegt an der Einfachverglasung, die mit einer Ausnahmegenehmigung abweichend von den Vorgaben der Energieeinsparverordnung ausgeführt werden konnte. Die Fassade ist von zwischen den Stützen befestigten Trägern abgehängt, die jedoch keine Dachlasten aufnehmen.
Auch im Innenraum dieses Hauses, ist die Stahlkonstruktion präsent – zurückhaltend zwar, aber architekturbestimmend. jk
Literaturhinweis: Eine Vielzahl weiterer Autohäuser wird vorgestellt in der Broschüre »Ausstellungs- und Verkaufsgebäude für Automobile«, herausgegeben vom Stahl-Informations-Zentrum. Die Broschüre ist in Einzelexemplaren kostenfrei zu beziehen beim Stahl-Informations- Zentrum, Sohnstraße 65, 40237 Düsseldorf, www.stahl-info.de
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