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Felsen, Schaukelpferde und kristalllüster

… in die Jahre gekommen
Felsen, Schaukelpferde und kristalllüster

Eine ungenierte Mischung aus Schweizer Chalet, Rokkoko, Zuckerbäckerei, rustikaler Blockhüttenatmosphäre und Versatzstücken idyllisierter europäischer Geschichte – 109 Zimmer, von denen keines dem anderen gleicht, eine Welt der bunten Farben und des hemmungslosen Ekklektizismus. Die Traumwelt von Alex und Phyllis Madonna ist längst als Touristenattraktion am Highway 101 zwischen Los Angeles und San Francisco etabliert.

Text: Elisabeth Plessen

Das große grell-pinkfarbende Schild ist nicht zu übersehen. Seit 1958 lädt es die Reisenden ein, eine Rast in einer etwas anderen Welt zu erleben. Selbst der sprachgewandte Semiotiker Umberto Eco musste schon 1975 konstatieren, dass die menschliche Sprache nur ungenügende Worte habe, das Madonna Inn zu beschreiben. In seinen »Travels in Hyperreality« greift er deshalb zu wortgewaltig bildhaften Vergleichen, um dem (Schock-)Erlebnis gerecht zu werden. Das Madonna Inn, so Eco, erwecke den Eindruck, als habe Albert Speer nach überaus reichlichem Genuss von LSD in einem Buch über Gaudís Werke geblättert und anschließend eine Hochzeitsnachtkatakombe für Liza Minelli gebaut. Doch selbst dieser Vergleich, so räumt Eco freimütig ein, greife zu kurz und er fügt weitere gedankliche Monstrositäten an, von denen hier nur noch eine zitiert werden soll. Madonna Inn, das sei Chopins Zweite Sonate in b-moll, gesungen von Perry Como nach einem Arrangement von Liberace, begleitet von einer Musikkapelle der Marine.
Dies ist sicher eine sehr geschichtsbezogene europäische Sicht. Lässt man dererlei Betrachtungen außer Acht, stellt sich das Madonna Inn als Vorläufer oder vielleicht sogar als das erste der mittlerweile en vogue aus dem Boden sprießenden »Designer-« oder Themenhotels dar; inzwischen sogar zum Themenpark etabliert. Längst ist aus dem etwas anderen »Motel« am Highway 101 ein so genanntes Landmark geworden, ein als lebende Legende seiner selbst mittlerweile professionell hochkommerzialisiertes Familienunternehmen. Hotel, Landschaft und das angrenzende Alex-Madonna-Expo-Center, benannt nach dem erst vor wenigen Jahren hochbetagt verstorbenen Gründer, bieten neben dem Übernachtungserlebnis ›
› Rundumpakete für Tagungen, Messen und Hochzeiten gleichermaßen und sind eine beliebte Attraktion für Touristen geworden.
Busweise fallen diese tagsüber auf dem Areal ein, besichtigen mit schrillen Schreien des Entzückens die Wunderwelt, erwerben in den Souvenirläden einen Teil des Wunders und partizipieren an der Zuckerbäckerlandschaft durch den Besuch des »European style Café« oder den Kauf der exquisit- süßen »French & Danish« Konditoreiwaren. Erst gegen Abend kehrt dann gelegentlich wieder die Atmosphäre zurück, die das Madonna Inn seit jeher auszeichnete.
geschichte
Schon 1958 übernahmen der 2004 verstorbene Alex Madonna, dessen familiäre Wurzeln in das Tessin reichen, und seine Frau Phyllis das bis dahin eher unscheinbare Motel Inn. Eleganz und Komfort der ungewöhlichen Art entlang des Weges in den Nordwesten wollten sie ihren Gästen bieten. Zwölf Zimmer bildeten den Anfang, denen sehr bald weitere 28 folgten, da das etwas andere Übernachtungserlebnis sich schnell herumsprach.
Nachdem bei einem Brand 1966 das Hotel bis auf die Grundmauern zerstört wurde, konnten schon ein Jahr später die Gäste wieder in der bis heute erhaltenen überbordenden plüschigen Fantasiewelt übernachten, die seitdem auf dem 22 Hektar großen Gelände weitergebaut wurde. Neben dem Haupthaus sind weitere Zimmer mittlerweile auf neue Gebäude verteilt. Eingebettet in Hügel und Felsen und mit Blick auf die Berge, eingefasst von Springbrunnenanlagen und durchwandert von zutraulichen kleinen Tierherden ist hier ein Bambiland entstanden.
Die Felsen der Zimmer und der übrigen Räume sowie der Außenanlagen – darauf ist man stolz – sind keine Attrappen, sondern stammen alle vom Grundstück, einige sind bis zu 200 Tonnen schwer. Ein Weinkeller, eine Bäckerei, Bars und Lounges sowie teure Boutiquen, Souvenirläden und weitere Annehmlichkeiten runden das Bild ab.
109 welten –– eine auswahl
Namen wie Old Mill, Irish Hills, Cloud Nine, Rock Bottom oder Austrian Suite, Caveman Room, und Jungle Rock machen neugierig. Unter architektonischen Gesichtspunkten kann man sich diesem Konglomerat aus Neanderthal, Aschenputtel, Wildwest und weiteren wilden Fantasien sicher nicht nähern. Faszinierend aber ist, dass der »Wohlfühlfaktor« in diesen Räumen – wie auch ein Blick in das online-Gästebuch verdeutlicht – sehr groß ist. Anlass also, sich die Kompositionen genauer anzusehen. •
Alle 109 Zimmer sind auf der Homepage des Madonna Inns zu betrachten: www.madonnainn.com 100 Madonna Road, San Luis Obispo, CA 93405 Bauzeit: seit 1958
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