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Das Treffen der Vernetzten

3D-Modelling-Symposium
Das Treffen der Vernetzten

Anfang April fand in Berlin ein dreitägiges 3D-Modelling-Symposium statt, das sich an Architekten, Industriedesigner und Ingenieure richtete. Übergreifendes Thema war die Visualisierung und Realisierung komplexer Geometrien. In drei Modulen, den »Lectures«, »Case Studies« und »Masterclasses«, konnten sich die 150 Teilnehmer unter anderem über das digitale Entwerfen mit der Software Rhinoceros informieren oder über die Möglichkeiten, die Daten vom dreidimensionalen Visualisieren direkt in die Produktionskette zu übertragen.

Text: Tim Dressler

Bereits Mitte der Neunziger gab es die erste große Welle digitaler Architektur. Seither unterstützen immer leistungsfähigere Hardware und die stetig wachsende Zahl digitaler Zeichenwerkzeuge die Planer dabei, hoch komplexe Geometrien virtueller Gebilde zu entwerfen und exakte Abbilder der Wirklichkeit zu erzeugen. Welchen Stellenwert 3D-Techniken mittlerweile für die Architektur haben, zeigen die seit einigen Jahren weltweiten, imagebildenden Prestigeobjekte großer Konzerne, Museen und Olympiastadien. Mit herkömmlichen Planungswerkzeugen wären sie in ihrer atemberaubenden Komplexität kaum zu realisieren. Für derartige Aufgaben existieren allerdings in der Regel keine vordefinierten, genormten Vorgehensweisen, wie sie sonst in der Baubranche üblich sind. Dies ist zwar zunächst ein Problem – aber auch eine Chance, ausgetretene Pfade zu verlassen.
Diesen Wunsch hatten wohl auch die meisten Teilnehmer des restlos ausgebuchten, ersten 3D-Modelling Symposiums – gleich ob Architekt, Tragwerksplaner, Industriedesigner, Künstler, Programmierer, Visualisierer, NURBS-Modeller oder Softwareentwickler. Die Veranstaltung, die an der Universität der Künste in Berlin stattfand, initiierte der dortige Professor Christoph Gengnagel (Lehrstuhl für Konstruktives Entwerfen und Tragwerkslehre, Studiengang Architektur) gemeinsam mit Ioannis Zonitsas, Inhaber von Visual-Dream, einem autorisierten Händler und Trainer der Modelliersoftware Rhinoceros 3D.
Das dreitägige Event sollte einen Überblick über die aktuelle Diskussion des 3D-Modellings, der digitalen Formfindung, geben sowie die Wege der Realisierung komplexer Geometrien aufzeigen. Zu diesem Zweck war eine bunte Mischung Vortragender aus den Fachbereichen Architektur, Tragwerks-planung, Industriedesign und Kunst sowie Universitätsdozenten aus ganz Europa eingeladen. Unter den rund dreißig Referenten fanden sich beispielsweise Mitarbeiter der Büros Herzog & de Meuron, Schlaich Bergermann und Partner oder Bollinger + Grohmann. Sie stellten ihre Arbeiten und Projekte auf diesem Themengebiet dem größtenteils ebenfalls hochspezialisierten Publikum vor und sorgten für anregende Diskussionen. Die Teilnehmer konnten dabei zwischen zehn »Key Lectures« zu je 45 Minuten, 27 »Case Studies« zu je zwanzig Minuten und drei anderthalbtägigen »Master Classes« wählen.
Einblicke
In diesen »Master Class«-Workshops konnten Interessierte ihre bisherigen Rhino-Kenntnisse vertiefen, etwa im Bereich der »Oberflächenbearbeitung während des Designprozesses«, und sich mit der aktuellen Version 4 besser vertraut machen. Diese bringt immerhin über hundert neue Werkzeuge und Verbesserungen für die Bearbeitung von Kurven, Flächen, Volumenkörpern und Polygonnetze mit sich und erweitert somit nochmals die Möglichkeiten der Generierung hoch komplexer Freiform-Geometrien. Unter den neuen Technologien befindet sich beispielsweise »G-infinity«, das die Werkzeuge für variable Überblendungen und boolsche Operationen verbessert und dem Designer die Möglichkeit bietet, Überblendungen interaktiv anzupassen. Oder die »Universal Deformation Technologie«, die Eigenschaften von Flächenverbänden und Volumenkörpern erkennt und die uneingeschränkte Verformung von Kurven, Flächen, Polygonnetzen und Volumenkörpern ermöglichen soll, ohne dass dabei deren Integrität verloren geht. Weitere Verbesserungen bestehen in einer frühzeitigeren Erkennung von Problemen sowie der Auswertung und Reparatur von Polygonnetzen.
Mit RhinoScript, einer Untergruppe der Microsoft-Programmiersprache Visual Basic, ist es möglich, mehr Funktionalität in Rhino einzubringen oder sich wiederholende Aufgaben zu automatisieren. Die Teilnehmer konnten folglich ihre Kenntnisse im Programmieren anhand konkreter Aufgaben an experimentellen Studien vertiefen und dabei die Automatisierung und Optimierung von Arbeitsabläufen erforschen.
Besonders, wenn es um die Realisierung komplexer, freigeformter Geometrien geht, bietet die Optimierung moderner Verarbeitungsmethoden mit digitalen Planungswerkzeugen ein großes Potenzial an Rationalisierungsmöglichkeiten. Dies führt, wie im Vortrag von Sigrid Brell-Cokcan von der TU Wien erläutert, zu einer Suche nach der inneren Logik einer Form: Zunächst völlig willkürlich erscheinende Geometrien werden mittels Segmentierung und/oder Planarisierung in ein optimiertes und berechenbares Raster, ein sogenanntes Mesh, gezwängt, das aus ebenen Flächen und möglichst torsionsfreien Knotenpunkten besteht. Außerdem können Konstruktionsprinzipien, auf unterschiedliche Geometrien angewandt, Material und damit Gewicht einsparen und Strukturen auf ihr Trageverhalten untersucht und optimiert werden. Das Wissen um das Zusammenspiel von Geometrien und Kräften beeinflusst somit bereits den Entwurfsprozess, verdeutlichte auch Roman Kemmler des Ingenieurbüros Schlaich Bergermann und Partner in seinem Vortrag anhand des National Stadium of Malaysia in Kuala Lumpur: Dort steht die Leichtigkeit der durch eine Kabelfachwerk gestützten Membran-Dachstruktur für eine gelungene Formoptimierung.
Auch ging es immer wieder um die Umsetzung vielfach gekrümmter NURBS-Flächen beziehungsweise Splines in einen optimierten und rationalisierten Verarbeitungsprozess – oder anders formuliert: um den »Workflow« von der Spline-Kurve zu einem materialisierten Objekt, egal in welchem Maßstab. Wie bedeutend dieser nahtlose Prozess vom Entwurf über die technische Planung bis hin zur Umsetzung ist, erläuterten schließlich Fabian Scheurer und Arnold Walz von der design-to-production GmbH in ihrem Vortrag »Bits to Pieces« über digitale Verarbeitungsmethoden in der Architektur. Sie wurden unlängst auch mit dem »M Technologie Award 2008 Silver« für eines ihrer Projekte ausgezeichnet. Das Vorbild für logistisch perfekt organisierte Entwicklungsprozesse kommt nicht zufällig aus der industriellen Massenproduktion von Konsumgütern, wo ein rein digitaler Workflow schon seit Langem praktiziert wird. Dabei ist ein tiefes Verständnis für Produktionsverfahren nötig, um zur konstruktiv, strukturell und funktional besten Lösung zu gelangen. Das sogenannte Rapid Prototyping – Fertigungsverfahren, zu denen etwa Lasergenerieren oder 3D-Printing gehören – ermöglichen es, aufgrund von Konstruktionsdaten schnell Musterbauteile herzustellen, also vorhandene CAD-Daten ohne manuelle Umwege direkt in Werkstücke umzusetzen. Rapid Prototyping wird in der Produktentwicklung bereits seit Längerem zur Validierung, Evaluierung, Optimierung von Produktmerkmalen und der Erhöhung der Planungsqualität eingesetzt. Die daraus resultierende Minimierung der Entwicklungskosten, die Verkürzung der Entwicklungszeit und der schnellere Markteintritt von Produkten sind Vorteile, die das Rapid Prototyping zunehmend auch für den Einsatz im »architektonischen Maßstab« interessant machen, wie Matthias Eckhard von der UdK Berlin in seinem Vortrag anhand bereits realisierter Architektur- und Innenarchitekturprojekte aufzeigte. Ein Beispiel hierfür sind die vier Stationsgebäude der im Dezember errichteten Hungerburgbahn in Innsbruck von Zaha Hadid. Für diese wurden die Elemente der sphärisch gekrümmten Dachhaut in einem vollständig digitalen Verarbeitungsprozess – vom Entwurfsmodell bis hin zur Steuerung einer 5-Achsen-CNC-Maschine – geplant und gefertigt.
Der unreflektierte Einsatz digitaler Gestaltungswerkzeuge wurde auch durchaus kritisch betrachtet: Der Berliner Architekt Urs Füssler stellte in seinem Vortrag die Frage, inwieweit heutige CAD-Programme den Planer in seinem Entwurfsprozess beeinflussen und somit in die Formfindung eingreifen, beispielsweise durch die Bereitstellung von Bauteilkatalogen. Trotz der fast unbegrenzten Möglichkeiten der bis heute entwickelten digitalen Entwurfswerkzeuge schränken sie den Benutzer immer wieder in seiner Kreativität ein, da das digitale Modellieren kein Äquivalent in der realen Welt hat und ein intuitives Entwerfen zum Teil stark behindert. Um diese Kluft in der Entwurfsmethodik zu überbrücken und das Freihandzeichnen als elementares Werkzeug zur Formfindung aus seiner naturgemäßen Zweidimensionalität zu »befreien«, arbeitet der Diplominformatiker Johann Habakuk Israel gemeinsam mit dem Fraunhofer IPK (Institut für Produktionsanlagen und Konstruktionstechnik) in Berlin an einem neuartigen System beziehungsweise einer »Interaktionstechnik«: Sie soll die Zeichnung des Designers, also die Strichführung beim Skizzieren, direkt im dreidimensionalen Raum erfassen und somit schneller zur digitalen Darstellung einer ersten Entwurfsidee zu gelangen.
Wie tiefgreifend digitale Werkzeuge zukünftig über den Entwurf, die Planung sowie die Ausführung hinaus auch in das spätere Gebäudemanagement eingreifen können, zeigte Dirk Schaper anhand der gemeinsam mit Hochtief entwickelten Software ViCon (Virtal Design and Construction). Sie dient der Bündelung sämtlicher relevanter Gebäudedaten zur virtuell-animierten Bauablaufplanung, Massenermittlung, Betriebssimulation bis hin zum Facility Management über den gesamten Lebenszyklus eines Bauwerks und wurde bereits an rund dreihundert Projekten weltweit eingesetzt. Der Informationsgehalt eines 3D-Modells wird hier um die Komponenten Zeitplanung, Kosten, Technik und Raumnutzung erweitert: An einem sogenannten 4D-Modell kann der Betrieb, die Nutzung und das physikalische und energetische Verhalten eines Bauwerkes geplant und berechnet werden. Wie inzwischen allgemein üblich, ist es auch hier möglich, beliebige Datenformate unterschiedlicher Gewerke und auch unterschiedlicher Softwarehersteller zu importieren.
Ausblicke
Bereits das erste Berliner 3D-Modelling Symposium hat gezeigt, auf wie vielen Ebenen – von der Kunst über die Produktentwicklung bis hin zur Architektur – an der Realisierung komplexer, virtuell generierter Geometrien gearbeitet und geforscht wird. Dass bisher noch keine Standards sowohl auf Seiten der Planungsprozesse als auch für die Umsetzung geschaffen wurden, liegt wohl ein Stück weit in der Natur der unendlichen Vielfalt der Form. Gleichzeitig bietet diese Tatsache Ansporn, weiter an der »Rationalisierung des Irrationalen« zu arbeiten. So diente das Symposium als interdisziplinärer Erfahrungsaustausch auf einem Gebiet der Architektur, das durch seine ikonenhaften Bauten auch in Zukunft Impulse setzen wird. Man darf also gespannt sein, welch neuen Entwicklungen bei dem bereits geplanten 3D- Modelling Symposiums im nächsten Jahr zu beobachten sein werden. •
Das 3D-Modelling-Symposium fand vom 7.-9. April an der UdK Berlin statt. Der Termin für das zweite 3D-Modelling-Symposium im nächsten Jahr steht bereits fest: 30. März bis 1. April 2009, Udk Berlin. Siehe auch: www.3d-msb.de
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