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BIM (Building Information Modeling) löst Probleme – aber nicht alle

Teil 1: Was kann BIM tatsächlich, was nicht und was ändert sich für Planer?
Intelligenter planen, bauen und nutzen

Intelligenter planen, bauen und nutzen
[1] In der Praxis kommt BIM v. a. bei Großprojekten zum Einsatz, aber auch die Planer kleiner und mittlerer Projekte profitieren davon
Nimmt man den Fortschritt in der Rationalisierung anderer Industriezweige zum Vergleich, wird deutlich: Der Baubereich hinkt um Jahre hinterher. Building Information Modeling (BIM) verspricht Abhilfe. Der erste Teil dieser kleinen Reihe bietet einen fundierten Einstieg in das Thema. Fortgesetzt wird sie in db 9/2015 mit BIG BIM/Open BIM, Schulungen und Trends sowie in db 12/2015 mit Erfahrungen, die Anwender mit BIM gemacht haben.

Text: Marian Behaneck

Building Information Modeling (BIM), was übersetzt etwa »Bauwerksdaten-Modellierung« bedeutet, ist derzeit das wichtigste Bau-Trendthema, das Experten zufolge die Bauplanung und alle angegliederten Bereiche nachhaltig verändern wird. BIM ist keine Software, sondern eine Arbeitsweise, ein Prozess, eine Technologie, die für die Erstellung, Koordination und Übergabe eines fachübergreifenden virtuellen Bauwerksmodells erforderlich ist. Technisch gesehen steht der Begriff für eine durchgängige Integration planungs-, ausführungs- und nutzungsrelevanter Bauwerksdaten in einer zentralen Datenbank. Als Idee dahinter steckt die ganzheitliche Betrachtung des gesamten Lebenszyklus eines Produkts resp. Bauwerks – von der Konzeption über die Konstruktion, Fertigung und Wartung bis zu dessen Entsorgung oder Wiederverwertung. Nach der BIM-Methode wurden in den USA, in Asien, im Nahen Osten oder in Nordeuropa bereits zahlreiche Projekte realisiert. Auch das Europäische Parlament oder die deutsche Reformkommission empfehlen für Großprojekte inzwischen BIM. Aktuelle Standardisierungsbestrebungen nach VDI, DIN bzw. CEN und ISO sowie Forschungsprojekte und Referenzobjekte werden die neue Planungsmethode auch hierzulande zum Standard machen.
BIM hat Vorteile, schafft aber auch Unsicherheiten
Die BIM-orientierte Arbeitsweise verspricht zahlreiche Vorzüge: Mehrfacheingaben durch die jeweils beteiligten Fachplaner werden vermieden, Arbeitsabläufe werden effizienter, die Produktivität wird verbessert, Planungs- und Ausführungsqualitäten gesteigert. Projektdaten können parallel bearbeitet werden – von mehreren Bearbeitern und von verschiedenen Standorten aus. Planungsalternativen lassen sich schneller analysieren und bewerten, Gebäude, Bauteile, die Statik und Haustechnik können auf Kollisionen gewerkübergreifend überprüft werden. Gebäudeentwürfe lassen sich einfacher statisch, bau- und haustechnisch, bauphysikalisch oder energetisch optimieren. In der Ausschreibungsphase ist eine präzisere und schnellere Kostenkalkulation und Bauzeitenplanung möglich. Werden alle für die Produktion, Lieferung, Montage und Ausführung relevanten Informationen in das BIM-Modell eingepflegt, lassen sich entsprechende Prozesse optimieren. So können etwa Bau- und Montageabläufe anhand des BIM-Modells bis ins Detail simuliert werden, um Überraschungen auf der Baustelle vorzubeugen. Baubeteiligte können am Tablet-PC mobil auf aktuelle Pläne zugreifen und den neuesten Projektstand abfragen. Sogenannte BIM-Viewer ersetzen teilweise klassische Papierpläne, Kommentarfunktionen vereinfachen die Plankorrektur und ermöglichen eine schnelle Reaktion auf Änderungswünsche.
BIM schafft aber auch Unsicherheiten. Schon der Aufbau und die Pflege des BIM-Datenmodells sind erheblich aufwendiger als bei der zeichnungsorientierten Planung. Dieser Mehraufwand wird im Idealfall zwar später ausgeglichen, da nachfolgende Prozesse davon profitieren und etwa in der Bauphase weniger Fehler passieren. Doch es gibt auch Konflikte: So setzt das BIM-Modell Informationen voraus, die zum Planungszeitpunkt häufig noch nicht feststehen. Zudem verschiebt sich der Arbeitsaufwand: So bekommt die Vor- und Entwurfsplanung ein stärkeres Gewicht, weil hauptsächlich in dieser Phase das BIM-Basismodell generiert wird. Das hat zur Folge, dass der Entwurfsverfasser viel Zeit in das 3D-Modell investieren muss, ohne daraus unmittelbar einen Nutzen ziehen zu können und sie vergütet zu bekommen. Andererseits vermindert sich der Aufwand für die Genehmigungs-, Ausführungs- und Fachplanung, da sich vieles aus dem Modell ableiten lässt. Zu einer Herausforderung können auch der Datenumfang und das Datenmanagement werden. Insbesondere Großprojekte müssen gewerk-/fachbereichsweise unterteilt werden, damit sie bearbeitbar bleiben.
BIM ist überall
BIM ist mittlerweile in vielen Bausparten präsent – im Hoch- und Tiefbau ebenso wie im Massiv-, Betonfertigteil-, Stahl- oder Holzbau. Zahlreiche Bausoftware-Lösungen orientieren sich bereits am BIM-Standard – vom 3D-Aufmaß über die Planung, Realisierung und Nutzung bis zum Abriss. BIM-Daten nutzen zunehmend auch Programme für die Kostenplanung und -steuerung, für die Bauzeiten- und Ressourcenplanung, für bauphysikalische Untersuchungen, die statische oder energetische Gebäudeoptimierung. Auch aktuelle Trends, wie die Visualisierung und 3D-Präsentation innerhalb virtueller oder erweiterter Realitäten (Virtual bzw. Augmented Reality) sowie die dreidimensionale Ausgabe über 3D-Drucker, erhalten durch die 3D-Planung neue Impulse. Wird das dreidimensionale BIM-Datenmodell mit unterschiedlichen Parametern verknüpft, entstehen vielfältige Einsatzmöglichkeiten: Eweitert man es beispielsweise um die vierte Dimension »Zeit«, kann der komplette Bauablauf geplant und visualisiert werden. Damit lassen sich geometrische Konflikte gewerkübergreifend aufdecken oder Baustellen-, Montage- und Logistikabläufe optimieren [5]. Die 5D-Simulation berücksichtigt neben dem 3D-Bauwerksmodell und der Zeit auch Mengen, Baukosten und Ressourcen wie etwa Baustoffe, Maschinen und Personal. Damit lassen sich Bau-, Montage- und Installationsprozesse vorab simulieren, Abläufe und Termine präziser planen, Kollisionen und Probleme frühzeitig erkennen. Werden zusätzlich Lebenszyklusaspekte wie die Gebäudebewirtschaftung, der Abriss und die Entsorgung/Materialwiederverwertung berücksichtigt, erhält man 6D-BIM. Dabei kann das Gebäude im Sinne der Nachhaltigkeit optimiert werden, um bestimmten Nachhaltigkeits-Standards (DGNB, LEED usw.) zu entsprechen. 7D-BIM berücksichtigt zusätzlich Aspekte der Gebäude-Nutzung (Facility Management) wie Wartung, Instandhaltung usw.
Von Little BIM zu Big BIM
Obengenannte BIM-Vorteile und Möglichkeiten können in der Praxis häufig nicht greifen, weil noch immer überholte Arbeitsweisen vorherrschen: Pläne werden zeichnungsorientiert erstellt, Bauwerksdaten aufgrund von Schnittstellenproblemen von den Projektbeteiligten mehrfach eingegeben, Geometrie-, Objekt- und Berechnungsdaten getrennt gehalten, Änderungen nicht in allen Plänen und Gewerken konsequent nachvollzogen und anderes mehr. Mit BIM kann man diese Probleme vermeiden. Das lässt sich jedoch nur mithilfe von »Big BIM« erreichen. Darunter versteht man die fachübergreifende Zusammenarbeit aller an der Planung, Ausführung und Nutzung eines Bauwerks beteiligten Partner und deren Softwarewerkzeuge unterschiedlicher Hersteller. Das ist derzeit noch weitgehend Vision, wird aber in Teilbreichen, wie etwa im Rahmen der Entwurfs- und Ausführungsplanung zwischen Tragwerks- und Haustechnik-Planer, schon praktiziert. Weitaus verbreiteter ist derzeit »Little BIM« in den Unternehmen: Darunter versteht man den BIM-Einsatz als »Insellösung« innerhalb eines Unternehmens oder einer Planungsdisziplin und einer Softwarelösung eines Herstellers.
Angesichts einer hierzulande vorherrschenden arbeitsteiligen Planung und einer kleinteiligen, heterogenen Unternehmensstruktur, innerhalb derer mehrere Büros mit unterschiedlichen Softwarewerkzeugen an einem Projekt arbeiten, sind für eine fachübergreifende Zusammenarbeit leistungsfähige Schnittstellen erforderlich. Schließlich wird von der Konzeption und dem Entwurf über die Planung, den Bau, die Nutzung und Bewirtschaftung bis hin zum Rückbau von Bauwerken eine Fülle geometrischer und alphanumerischer Informationen unterschiedlicher Datenformate erzeugt. Damit sie sich effizient verwalten, dokumentieren, archivieren und zwischen den Beteiligten verlustfrei austauschen lassen, wurde mit den objektorientierten Basisdatenmodellen IFC (Industry Foundation Classes) von BuildingSmart International eine gemeinsame Basis für den Austausch von BIM-Daten geschaffen. BuildingSmart International ist eine internationale Organisation mit nationalen Ablegern, die sich für eine Optimierung von Planungs-, Ausführungs-, und Bewirtschaftungsprozessen auf der Grundlage digitaler Bauwerksmodelle und der BIM-Planungsmethode im Bauwesen einsetzt. Allerdings wird der ISO-registrierte IFC-Standard von den Softwareherstellern in Bezug auf Gewerke und Versionen unterschiedlich gut unterstützt, sodass es immer wieder zu Austauschproblemen kommt.
BIM ist eine Management-Aufgabe
Auch wenn heute viele Softwareprodukte unter diesem Begriff vermarktet werden – BIM ist keine Software. BIM stellt aber bestimmte Anforderungen an Programme, damit sie »BIM-fähig« sind. Dazu gehören u. a. parametrisierbare 3D-Objekte mit assoziierten alphanumerischen Objektinformationen, eine die Planung vereinfachende Bauwerksstrukturierung, automatische Planableitungen und Auswertungen sowie eine IFC-Schnittstelle für den Datenaustausch [1]. Doch die Einführung und Umsetzung von BIM ist weniger eine IT-, sondern vielmehr eine Management-Aufgabe. Weitaus wichtiger sind nämlich die Anforderungen an Planungsprozesse und -abläufe, die Kommunikation, Abstimmung und Koordination aller Beteiligten. Entscheidend ist die Projektkoordination, denn die neue Planungsmethode setzt eine frühzeitigere, engere gewerk- und fachübergreifende Zusammenarbeit voraus: Absprachen und Vorgaben müssen getroffen, Arbeitsschritte abgestimmt, Informationen und Daten ausgetauscht werden usw. Ohne eine resp. mehrere koordinierende Schnittstellen funktioniert fachübergreifendes BIM nicht. Die Funktion eines »BIM-Managers« kann dabei der Architekt oder Bauingenieur, der Generalplaner, der Facility Manager oder ein eigens dafür engagierter Dienstleister übernehmen. Er sorgt für die Einhaltung von Vorgaben zur Bauteilmodellierung, Gebäudestrukturierung oder der Datenübergabe und achtet darauf, dass das gemeinsame Datenmodell und alle Fachmodelle konsistent bleiben und anderes mehr. BIM wirft nicht zuletzt auch berufspolitische Fragen auf: Wie werden der erhöhte Planungsaufwand honoriert resp. die durch BIM veränderten Leistungsphasen-Anteile? Wie wirkt sich BIM auf den Berufsstand des Planers und auf die Struktur von Planungsbüros aus? Es ist abzusehen, dass Planungsleistungen aus einer Hand mehr Bedeutung bekommen, da die komplette Architektur-, Statik- und Haustechnikplanung derzeit am besten in einem zentralen Datenmodell eines Softwareherstellers abgebildet werden kann. Unternehmen, die alle planungs- und nutzungsrelevanten Informationen in einem Modell abbilden resp. die komplette Architektur-, Haustechnik-, Tragwerksplanung mit einem Programm ausführen können, sind im Vorteil. Das könnte mittel- und langfristig dazu führen, dass sich etablierte Berufsbilder verändern, Planungsabteilungen neu strukturiert, Hard- und Softwarewerkzeuge angepasst werden müssen usw. Größere Unternehmen bekommen zusätzlichen Aufwind, kleinere müssen sich für neue Formen der Zusammenarbeit öffnen.
BIM löst Probleme – aber nicht alle
BIM wird als zukunftsweisende Technologie angepriesen – gleichwohl ist BIM nicht die Lösung aller Probleme am Bau. Weder Stress, mangelndes Nachdenken, eine fehlende Detailplanung und erst recht nicht das ständige Ändern von Plänen kann die BIM-Methode auffangen [2]. BIM funktioniert derzeit nur innerhalb einer Produktreihe eines Softwareherstellers einigermaßen reibungslos. Sobald Daten zwischen CAD- und Berechnungsprogrammen unterschiedlicher Hersteller ausgetauscht werden müssen, »knirscht« es. In der Praxis wurde die BIM-Methode weltweit bisher bei keinem einzigen Vorhaben durchgängig und konsequent mit allen am Bau Beteiligten eingesetzt [3]. Auch honorarrechtliche oder juristische Fragen bedürfen teilweise noch einer Klärung [4]. Viele Anwender, aber auch einige Software-Anbieter sehen BIM deshalb noch skeptisch. Doch technische Entwicklungen haben die Eigenschaft, dass man sie nicht aufhalten kann. In vielen Ländern wird BIM bereits praktiziert oder befindet sich in der Einführungsphase. Das ist angesichts aktueller Empfehlungen durch Behörden, Referenzprojekte des Bundes, Regelwerk-Entwicklungen usw. auch hierzulande zu erwarten. Wer nicht mitmacht oder zumindest sein BIM-Wissen auf dem Laufenden hält, gerät in Gefahr, abgehängt zu werden – spätestens dann, wenn BIM zum Standard wird, weil es Bauherren/Investoren einfordern. Wer von der neuen Planungsmethode profitieren will, muss aber bereit sein, sich bisheriger Arbeitsweisen zu entledigen, Zeit und Geld in die BIM-Einarbeitung, teilweise auch in neue Planungswerkzeuge und entsprechende Schulungen zu investieren. •

Marian Behaneck
1962 in Trencianske Teplice (CSSR) geboren. Architekturstudium, 1991 Diplom an der TH Karlsruhe. 14 Jahre in der Bausoftware-Branche in den Bereichen Dokumentation, Marketing und PR tätig. Mitarbeit bei Weller + Sebastian und Werkgemeinschaft Landau. Freiberuflicher Fachautor mit zahlreichen Buch- und Artikelveröffentlichungen zum Thema EDV/CAD-Einsatz im Baubereich.


[1] Egger, M., Hausknecht, K., Liebich, T./ Przybylo, J., Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR, Hrsg.): BIM-Leitfaden für Deutschland, Eigenverlag, Berlin 2014, Download: http://bit.ly/1tDYG5Y
[2] Scherzer, R.: Welches BIM brauchen wir?, aus: Deutsches Architektenblatt 11/2014, Corps, Düsseldorf,Online: www.dabonline.de, Suche: BIM
[3] Wernik, S./May, I., buildingSmart e.V.: Building Information Modeling: Das steckt hinter BIM und darum sollten Sie sich damit befassen, aus: Planungsbüro professionell 10/2014, IWW, Würzburg, Online: www.iww.de, Suche: ID 42937295
[4] Dittmar, T.: BIM und Recht, aus: BTGA-Almanach 2015, Bundesindustrieverband Technische Gebäudeausrüstung e.V. (Hrsg.), Strobel-Verlag, Arnsberg 2015, Download: www.btga.de
[5] Günthner, W./Borrmann, A.: Digitale Baustelle – innovativer Planen, effizienter Ausführen, Werkzeuge und Methoden für das 21. Jahrundert, Springer, Heidelberg 2011
BIM-Werkzeuge und -Organisationen (Auszug):

www.5d-initiative.eu: 5D-Initiative von ENCORD
www.aec3.de: BIM-Prozessoptimierung
www.allplan.com/de: Open BIM
www.autodesk.de/bim: BIM-Basisinfos
www.bentley.com, Suchwort »BIM«
www.bim4you.de: 5D BIM-Lösung BIM4You
www.bimserver.org: BIM-Modelserver
www.buildingsmart.de: IFC/BIM-Anwendergruppe
www.buildingsmart-tech.org: BuildingSmart International
www.ceapoint.com: BIM-Management
www.computerworks.de: Open BIM
www.graphisoft.de: BIM-Server, BIMx, Open BIM
www.mefisto-bau.de: Bauablaufsimulations-Projekt
www.rib-software.com/itwo: 5D-Planung mit RIB iTWO
www.solibri.com: BIM-Modellverifikation
www.teklabimsight.com: Tekla BIMsight
www.nevaris.com NEVARIS BIM-Software »iceBIM«


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