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Ein Amerikaner in Madrid

Technik
Ein Amerikaner in Madrid

Text: Rosa Grewe Fotos: FH Rosenheim, HFT Stuttgart / SDE Team, living EQUIA, Picture Garage, Achim Zweygarth

Solar Decathlon Europe
Initiiert vom spanischen Wohnungsbauministerium und mitgetragen vom spanischen Ministerium für Wirtschaft und Tourismus, fand nun erstmals auch in Europa ein solarer Zehnkampf als Hochschulwettbewerb um das beste und schönste Energiesparhaus der Zukunft statt. Die vier deutschen Beiträge setzten dabei traditionell auf hocheffiziente Gebäudetechnik und innovative Materialien – und auf die jeweiligen Sponsoren, ohne die die kostspieligen Prototypen kaum zustande gekommen wären. Zum Zeitpunkt dieser db-Ausgabe steht der Sieger fest – zu unserem Redaktionsschluss waren die Häuser in Madrid allerdings noch im Bau.
Der amerikanische Solar Decathlon, der solare Wettkampf aus Washington, wird europäisch: Mitte bis Ende Juni 2010 fand der erste Solar Decathlon Europe statt, in einer der klimaextremsten Städte Westeuropas: In Madrid, wo die topografische Höhe und das Kontinentalklima häufig für Schnee im Winter und im Sommer für Hitze deutlich über 30 ° C sorgen. Am Ufer des Manzanares errichteten 17 Hochschulen energiesparende Wohnhäuser auf einer Grundfläche zwischen 42 und 74 m2, mit jeweils ihren Ideen vom solaren Wohnen in der Zukunft. Die Teams kamen aus Spanien, Deutschland, Frankreich, den USA, China, Mexiko, Brasilien, Finnland und Großbritannien. Eine Jury mit 18 internationalen Fachleuten, darunter der australische Architekt und Pritzker-Preisträger Glenn Murcutt, die Berliner Architektin Louisa Hutton und der spanische Architekt Francisco Managado, bewertete die Wohnhäuser nach zehn Kriterien: 1. Architektur, 2. Effizienz und Funktionalität der Haustechnik und Konstruktion, 3. Effizienz und Funktionalität der solaren und solarthermischen Technik, 4. Energiebilanz, 5. Qualität von Raumluft, -klima, -belichtung und -akustik, 6. technische Ausstattung, 7. Präsentation des Projekts in der Öffentlichkeit, 8. technische, logistische und ökonomische Marktreife des Projekts, 9. Qualität der Innovation und 10. noch einmal im genauen Blick: die Nachhaltigkeit aller Punkte. Die vier deutschen Teams zeigten sich vorab selbstbewusst, für ihre Plusenergiehäuser rechneten sie fest mit einem Platz unter den Top Five.
Altbewährtes mit neuen Technologien
Schließlich waren für sie die Innovationen aus den letzten Jahren bereits Wettbewerbsstandards, ohne die sie sich hier kaum ins Rennen gewagt hätten. Fast alle verfügen über eine hochwertige Dämmung – meist Vakuumisolationspaneele –, dreifachverglaste Fenster, PCM (Phasenwechselmaterialien), aber auch effiziente Wärmepumpen mit Wärmerückgewinnung, Solarthermie und monokristalline Solarzellen auf dem Dach, polykristalline in der Fassade, ein einheitliches, einfach bedienbares Steuerungssystem für die komplexe Haus- und Heimtechnik und natürlich einen deutlichen Plusenergieertrag.
Neu im Wettbewerb zu entdecken war die Kühltechnik, die die nächtliche Strahlungskälte des Himmels über eine dachseitige Abstrahlfläche an einen Kühlwasserkreislauf weitergibt, der wiederum mit PCM-Platten, Kühldecken und/oder Wasserspeichern verbunden ist. Die Technik funktioniert in trockenem Klima besonders gut und ist daher clever für das sommerliche Madrid. Die Anlagentechnik besteht bei drei der vier deutschen Teams aus selbst ertüftelten Lösungen, die sich der Architektur anpassen. Insgesamt standen in diesem Jahr die architektonische Integration der technischen Anlagen und das Verständnis von ökologischer Architektur im Vordergrund. Während die Deutschen vor allem Energieeffizienz, -ertrag und Klimatechnik perfektionierten, betonten z. B. die Studenten der technischen Universität Catalunya den Lebenszyklus der Materialien durch eine extreme Modulsystembauweise. Holz als ökologisches »One-for-All«- Material nutzten die Finnen. Einfach und effizient, das galt wohl auch für das Team aus Virginia: Oder wie ist es wohl zu verstehen, dass sie ihr Haus aus dem letzten Wettbewerb 2009 noch einmal an den Start lassen?
Berlin: Living Equia vom Dream Team
Studenten der HTW Berlin, der Beuth Hochschule für Technik und der Universität der Künste traten mit dem Beitrag living EQUIA gemeinsam als Team Berlin an. Sie entschieden sich für ein Haus mit Satteldach und optimierten damit sowohl die Ausrichtung und Größe der PV-Flächen im Dach als auch die Vermarktung über einen Fertighaushersteller, in dessen Angebot sich das Haus nach dem Wettbewerb einreihen wird. Die abgeflammte Lerchenholzfassade integriert die dunkel erscheinenden Technikober- flächen gut in eine einheitliche Gebäudehülle. Statisch tragen zwei Doppel-Dreigelenkrahmen aus Stahl und Außenwände aus massiven Schichtholztafeln. Dazu addieren sich Holzfaserdämmplatten zu einem Wandaufbau von rund 50 cm – wenig platzsparend und insgesamt eine eher schwere Konstruktion, die aber diese nicht modulare Kubatur leichter produzierbar und finanzierbar macht. Für die Abstrahlfläche wählte das Team Metall mit Kapillarröhrchen an der Unterseite, und setzte damit auf ein Material, das die Kälte sehr gut leiten kann. Sie verzichteten aber gleichzeitig auf Synergien mit den monokristallinen, ins Dach integrierten Solarzellen (4,59 kWp). Die in Dach und im Sonnenschutz der Fassade integrierten Zellen (1,1 kWp) erzeugen 8 300 kWh/a, der errechnete Stromverbrauch liegt in Madrid bei 4 200 kWh/a.
Hochschule Rosenheim: Unvollendeter Hingucker
IKAROS, das Projekt der Hochschule Rosenheim, ist eine Holzrahmenkonstruktion und das kleinste Haus der deutschen Teams, dafür mit flexiblen Raummöbeln im Innern. Ein Hingucker ist die gefaltete Fassade des Gebäudes mit Dünnschichtsolarzellen auf den nach oben weisenden Flächen. Außerdem leitet die Fassade das Tageslicht nach innen und ist gleichzeitig Sonnenschutz. Für die eigens entwickelte Fassade ist bereits ein Patent beantragt, doch konnten die Studenten die PV-Nutzung für den Wettbewerb leider noch nicht umsetzen. Monokristalline Solarzellen auf dem Dach sollen am Standort Madrid aber rund 16 000 kWh/a Strom erzeugen, der errechnete Stromverbrauch des Hauses beträgt dort 4 300 kWh/a. Die Rosenheimer nutzen wie die Stuttgarter diese dachseitigen PV-Module als Abstrahlflächen, synergetisch ›
› sinnvoll. Sie leiten aber im Gegensatz zu Berlin und Stuttgart das Wasser offen über die Oberfläche; das ist kostensparend, aber eventuell schmutzanfälliger. Dem Erfolg schadet das ebenso wenig wie der Verzicht (zugunsten der größeren PV-Fläche) auf Solarthermie: Das Haus ist bereits verkauft und wird nach einer Ausstellungsphase als Gästehaus eines Hotels dienen.
HFT Stuttgart: Die Klimatüftler
Vier aneinandergereihte Module und gläserne Fugen dazwischen, das ist das Home+ der HFT Stuttgart. Statisch tragend sind Tafeln aus Furnierschichtholz, vor die zwei Schichten Vakuumisolationsplatten (2 x 2 cm) montiert wurden. Die äußere Hülle bilden polykristalline Solarzellen (Wirkungsgrad 12 %), in Gold und Bronze schillernd. Auffällig ist der sogenannte Energieturm, der die natürliche Thermik nutzt: In zwei Abluftkanälen entweicht die warme Raumluft nach oben ins Freie, im Zuluftkanal fängt sich oben die warme Frischluft, kühlt sich über feuchte Textilfilter ab, sinkt ab und kühlt den Raum. Ebenfalls eine intelligente Weiterentwicklung ist die Strahlungskühltechnik: Das solare Hybridsystem auf dem Dach erzeugt wie beim Rosenheimer Projekt Strom über monokristalline Solarzellen und überträgt gleichzeitig wie bei living EQUIA über Kapillarröhrchen auf den Modulrückseiten Strahlungskälte. Auf den Dachverglasungen der gläsernen Fugen wiederum sind Solarkollektoren angebracht. Für den Standort Madrid haben die Studenten einen Stromverbrauch von 4 000 kWh/a und einen Stromertrag von 11 000 kWh/a errechnet. Der spätere Standort des Hauses wird das heimische Unigelände.
Wuppertal: Fliessende Räume
Auch die TU Wuppertal entschied sich für ein Haus in Holzrahmenkonstruktion. Der fließende Raum, innen wie außen, ist der Kerngedanke des Architekturkonzepts und so öffnen sich die ost- und westseitigen Glasfassaden komplett zu zwei Holzterrassen. Das ist geschickt, um die kleine Wohnfläche räumlich zu erweitern, ohne das gesetzte Bauvolumen zu sprengen. Die Materialität war den Wuppertalern wichtig: Ein mit Aluminium beschichtetes Kunstfasergewebe umzieht als lichtreflektierender Sonnenschutzvorhang das Haus. Die sichtbare Solartechnik dagegen lagern die Wuppertaler aus. Sie integrieren mono- und polykristalline Solarzellen (3,5 kWp) und die Solarthermie als Gestaltungselement in die Wandscheiben, die die Terrassen umfassen. Zusammen mit monokristallinen Solarzellen (6,6 kWp) auf dem Hausdach ergibt sich nach Berechnungen ein Stromertrag von etwa 13 000 kWh/a, der errechnete Stromverbrauch beträgt für Madrid rund 4 000 kWh/a.
Teure Rennstrecke
Der Großteil der Techniken sind bereits marktreif, in der Gesamtkombination aber ergeben sich bei den meisten Wohnprototypen Bauinvestitionen von über einer halben Mio. Euro – allein für Materialien und Anlagen- technik. Rechnet man die Arbeitskosten hinzu, läge man bei rund einer Mio. Euro für maximal 74 m2 Wohnfläche. Je mehr deutsche Teams starten, desto schwieriger wird die Suche nach deutschen Sponsoren. Daher wäre ein weiterer Bewertungspunkt interessant: Die Einhaltung eines festgelegten oder gar marktnahen Budgets. So aber ist es wie bei der Formel 1: gute Innovationen mit vielen Investitionen, ordentlich Presse und Prestige, aber die Serienreife kommt stückchenweise. •
Beitrag aus Berlin, siehe: www.living-equia.com
Team der HTW Berlin (Prof. Friedrich Sick, Prof. Volker Quaschning, Susanne Rexroth, u. a.), UdK Berlin (Prof. Christoph Gengnagel, Prof. Christoph Nytsch-Geusen), Beuth Hochschule Berlin
Beteiligte Firmen: Solon SE, www.solon.com (PV-Anlage Süddach); Colt, www.solon.com (photovoltaischer Sonnenschutz); Wagner Solar, www.solon.com; Solvis, www.solon.com (Solarthermie); Haacke Haus, www.solon.com – weitere Sponsoren s. Homepage
Beitrag aus Stuttgart, siehe: www.sdeurope.de
Team der HFT Stuttgart um Prof. Jan Cremers, Prof. Heiner Hartmann, Sebastian Fiedler, Christiane Kloss, Siegfried Baumgartner, Antoine Dalibard, Markus Binder, Annette Kunz-Engesser, Albert Stöcker, Ole Fach, Dominik Hahne, Jürgen Aldinger, Silvio Barta
Beteiligte Firmen: sunways, www.sunways.de (PV-Module Fassade); va-Q-tec, www.sunways.de (VIP); ertex solartechnik, ertex-solar.at; Dörken, www.sunways.de (PCM als Rohmaterial) – weitere Sponsoren s. Homepage
Beitrag aus Wuppertal, siehe: www.sdeurope.uni-wuppertal.de
Team um Lehrstuhl für Baukonstruktion, Entwerfen und CAD (Prof. Anett-Maud Joppien, Martin Hochrein), Lehrstuhl für Bauphysik und technische Gebäudeausrüstung (Prof. Karsten Voss, Soara Bernard), Lehrstuhl für Unternehmensgründung und Wirtschaftsentwicklung (Prof. Christine Volkmann, Holger Berg, Christiane Stüttgen)
Beteiligte Firmen: SunPower, us.sunpowercorp.com; Adolf Würth, www.wuerth.de; Meko, www.wuerth.de; Finnforest, www.wuerth.de; Glas Trösch, www.wuerth.de; KNAUF Gips, www.wuerth.de; Dörken, www.wuerth.de (PCM als Rohmaterial); VARIOTEC, variotec.de; Xella, www.wuerth.de – weitere Sponsoren s. Homepage
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