1 Monat GRATIS testen, danach für nur 6,90€/Monat!
Startseite » Wissen » Energie »

Wasser im und am Haus als regenerativer Energieträger

Flüssige Potenziale
Wasser als regenerativer Energieträger

Nahezu ein Drittel des gesamten Wasserbedarfs wird in deutschen Haushalten in Form von Trink-Warmwasser benötigt – und fordert demzufolge entsprechend energetische Aufwendungen zur Bereitstellung. Während Teil 1 dieser Fachartikelreihe (in db 11/2016, S. 66) die Wasserwege und Wasserwirtschaft in Wohngebäuden dargestellt hat, widmen wir uns nun den energetischen Potenzialen von Wasser: Das Grauwasserrecycling etwa bietet die Möglichkeit, Wasser auch als Wärmequelle zu nutzen – während die adiabate Kühlung z.B. von der wärmesenkenden Funktion von Wasser profitiert.

Text: Frank Hartmann, Fotos: David Matthiessen u. a.
In Anbetracht dessen, dass durch den energetischen Standard der thermischen Hülle der notwendige Jahres-Heizwärmebedarf zur Lufterwärmung inzwischen immer niedriger ausfällt, der Jahres-Wärmebedarf für Trink-Warmwasser aber konstant bleibt (Abb. 3), hat sich in der haustechnischen Auslegung von Wärmesystemen längst ein Paradigmenwechsel eingestellt. Denn während früher die Trinkwassererwärmung quasi »nebenbei« miterledigt wurde, stellt sie heute den Schwerpunkt der Wärmeversorgung energieeffizienter Gebäude. Daher ist eine grundsätzliche Differenzierung der Energiemengen für die Bereitstellung von Wärme notwendig. Dies gilt nicht nur für Wohngebäude, sondern gleichfalls für Nicht-Wohngebäude, z.B. für Sonderbauten wie etwa Schwimmbäder.
Zwar werden in der öffentlich-rechtlichen Nachweisführung gemäß EnEV verschiedene Energieflüsse detailliert aufgeführt, allein die Wärmeenergie, die als Grauwasser aus dem Gebäude fließt, wird nirgends erwähnt. Selbst der Luft wird als Wärmeträger eine weitaus höhere Bedeutung zugesprochen: Nicht nur Außenluft wird als Wärmequelle betrachtet, sondern auch die Wärmerückgewinnung aus Abluft wird hoch bewertet, wenngleich Luft als Medium kaum mehr als ein Viertel der Wärmekapazität von Wasser besitzt. Selbst im Energieeffizienz-Zeitalter hat Wasser als Energieträger kaum eine Relevanz – ungeachtet der Tatsache, dass der Wärmeinhalt von Grauwasser mindestens dem anderer Umweltwärme (Erdwärme, Außenluft, Grundwasser usw.) entspricht.
Wärmeenergiebedarf und -verteilung
Im derzeitigen Neubau-Standard kann von einer Drittelung der Wärme-Energiebedarfe ausgegangen werden, die sich in etwa annähernd auf Raumwärme, Lüftung und Warmwasser aufteilen. Bei einem durchschnittlich veranschlagten Warmwasserbedarf von etwa 50 l/Tag und Person werden über das Jahr knapp 1 000 kWh Wärmeenergie für die Warmwasserbereitung benötigt. Erfahrungswerte [2] zeigen einen Warmwasserbedarf für ein Einfamilienhaus von mind. 3 000 kWh bei herkömmlicher Nutzung. Der Wärmeinhalt des Grauwassers beträgt dabei 35-40 % der für die Warmwasserbereitung eingesetzten Energie. Das bedeutet, dass man dementsprechend immer von 1/3 plus x der eingesetzten Energie, die einer Wärmerückgewinnung zur Verfügung stehen, ausgehen kann, also mind. 1 000 kWh/Familie und Jahr. Diese Energiemenge ist de facto als Wärmeverlust zu begreifen und zeigt das Wärmerückgewinnungspotenzial aus Grauwasser auf. In öffentlichen Schwimmbädern etwa, die in der Regel ohne massive öffentliche Zuschüsse schließen müssten, stehen demzufolge ganz andere Werte der Energieverschwendung zu Buche. Was in einem modernen KfW-Energieeffizienzhaus an einem Tag an thermischer Energie benötigt wird, wird im gleichen Zeitraum innerhalb eines Tages in einem eher kleinen Schwimmbad in den Abfluss gekippt [2]. Was nützen energieeffiziente Gebäude, wenn unser Verhalten und Denken das Gegenteil dessen sind?
Dezentrale Wärmerückgewinnung aus Grauwasser
Die Differenzierung der Wasserarten, wie im Beitrag »Wasserwege« in db 11/2016 [1] dargestellt, zeigt nicht nur, dass Grauwasser im Sinne der Ressourcenschonung zweimal genutzt werden kann, sondern führt auch in einer energetischen Bewertung den Wärmeinhalt von Grauwasser vor Augen. Um eine Wärmerückgewinnung aus Grauwasser realisieren zu können, ist allerdings mitnichten eine Grauwasseranlage notwendig. Vielmehr kann die Wärmemenge des Grauwassers schon dezentral, besser gesagt wohnungszentral (stationär) mit einfachsten Modifikationen genutzt werden, wie Abb. 4 für den Fall einer Duschwanne mit integriertem Wärmetauscher zeigt.
Diese Option bietet sich nicht nur für Neubauten an, sondern gleichfalls in der Modernisierung. Da bei einer Badsanierung meist auch die komplette Dusche ausgetauscht wird, lässt sich eine derartige Duschrinne problemlos integrieren. Der Nutzer profitiert selbst und unmittelbar davon, sobald er unter der Dusche steht: Das warme, ablaufende Grauwasser wird zur Vorerwärmung des Kaltwassers über einen Wärmeübertrager geleitet, der sich im Ablauf der Duschwanne befindet. Während des Duschens kann also die notwendige Trink-Warmwassermenge deutlich reduziert werden. Der Wärmeübertrager der Duschrinne wird seriell (in Reihe) in die Kalt-Trinkwasserleitung integriert (Abb. 5) und ist zu Revisions- und Reinigungszwecken frei zugänglich. Die Art der Wärmeerzeugung ist dabei irrelevant. Das Warmwasser kann sowohl zentral als auch dezentral, hydraulisch oder elektrisch bereitgestellt werden.
Nicht nur um dem individuellen Wärmekomfort beim Duschen optimal zu entsprechen, sondern auch, weil das Duschwasser selbst die Vorerwärmung des Kaltwassers übernimmt, muss das Mischverhältnis stets dynamisch definiert werden. Dementsprechend bestehen hinsichtlich der Ausstattung der Armatur zwei Möglichkeiten: Entweder die Kombination dieses Systems mit einer Thermostatarmatur, da diese den Temperaturausgleich, also die Drosselung der Warmwasserzufuhr, selbstständig erledigt – oder mit einem Einhandmischer, um die Temperatur von Hand nach zu justieren: Nach Anstieg der Kaltwassertemperatur muss der Einhebelmischer ins Kalte geführt werden, was den Energiespareffekt dann umso deutlicher macht.
Zentrale Wärmerückgewinnung aus Grauwasser
Im Mehrgeschoss-Wohnungsbau, aber auch bei Hotels, Schwimmbädern, Wellness-Oasen usw. kann neben der dezentralen Wärmerückgewinnung auch eine zentrale Wärmerückgewinnung aus Grauwasser erfolgen, wenn eine Grauwassernutzungsanlage vorhanden ist. Diese ist notwendig, um das Grauwasser vom Schmutzwasser zu trennen und an zentraler Stelle zu recyceln. Dem anlagentechnischen Mehraufwand steht dabei die zweimalige Nutzung des Warmwassers zu Buche. Eine Grauwasseranlage ist bereits ab vier Wohneinheiten wirtschaftlich darstellbar [1, 2].
Zentrale Wärmerückgewinnung aus Grauwasser bedeutet auch zentrale Warmwasserbereitung, wie Abb. 6 zeigt. Das Grauwasser wird zentral innerhalb des Gebäudes im Technikraum gesammelt. Bereits in der ersten Reinigungsstufe befindet sich ein Wärmeübertrager im Grauwasserspeicher, der – ähnlich einer solarthermischen Anlage – die Wärmemenge über ein geschlossenes System in den Systemspeicher der Heizungsanlage mit zentraler Frischwassererwärmung führt. Selbstredend bestehen hier niedrigere Grauwassertemperaturen als bei der dezentralen Wärmerückgewinnung, denn das Grauwasser legt einen ungleich längeren Weg zum Wärmeübertrager zurück. Doch schließlich wirken sich die deutlich höheren Wärmemengen auf den Vorerwärmungsgrad des eingeführten Kalt-Trinkwassers aus. Der Energieaufwand der Nacherwärmung ist in jedem Fall geringer, als wenn das Kalt-Trinkwasser mit den üblichen +/- 10 °C in den Systemspeicher eintritt. Natürlich wirkt sich dies auch auf das Wärmeregime und die Schichtung innerhalb des Speichers positiv aus. Dementsprechend verlangt insbesondere das Zusammenspiel von Wärmeübertrager und Wärmespeicher eine anlagentechnische Detailplanung.
Eine Wärmerückgewinnung aus Grauwasser ist so sinnvoll, dass sie nicht einmal Förder- oder Marktanreizprogramme benötigt. Aber nicht nur in Grauwasser befinden sich Wärmepotenziale, die thermisch nutzbar sind; über den Wärmebedarf hinaus kommt dem Kühlbedarf von Gebäuden im Sommer eine immer größer werdende Bedeutung zu. In Fachkreisen ist längst bekannt, dass in den letzten zehn Jahren der Kühlbedarf von Gebäuden nahezu um 300 % gestiegen ist, Tendenz weiter steigend. Sinnvoll erscheint also, das Wasser auch zur Gebäudekühlung zu nutzen.
Wasser zur Adiabaten Kühlung der Zuluft
Die thermische Konditionierung des Innenraums kann sommers wie winters sowohl durch das Bauteil (Bauteilaktivierung, Flächenheizung/-kühlung) als auch durch die Raumluft erfolgen. Für Gebäude mit raumlufttechnischen Anlagen und Wärmerückgewinnung kommt eine Konditionierung der Außenluft mittels adiabater Kühlung infrage. Voraussetzung ist eine bestehende RLT-Anlage, die lediglich um einen »besonderen Wärmeübertrager« ergänzt wird. Dabei wird die aus dem Raum geführte Abluft durch feines Einsprühen von Wasser in den Abluftkanal unmittelbar vor dem Lüftungsgerät zur Wärmesenke gemacht, indem die Abluft durch Verdunstungskälte gekühlt wird, bevor sie am Wärmeübertrager im Lüftungsgerät ankommt. Dort kann sie nun die Wärme der eingeführten Außenluft aufnehmen und somit eine deutlich kühlere Zuluft in das Gebäude bringen. Die Funktionsweise der adiabaten Kühlung ist schematisch als Bestandteil einer RLT-Anlage in Abb. 7 dargestellt.
Im Gegensatz zu vorgelagerten Wärmeübertragern, die sich außerhalb des Gebäudes befinden und mitunter hohe Herstellungsaufwendungen bedürfen, befindet sich das Bauteil zur adiabaten Kühlung kompakt innerhalb des Gebäudes als integraler Bestandteil der RLT-Anlage. Folgendes Betriebskostenszenario zeigt einen Vergleich des theoretischen Stromverbrauchs zwischen einer adiabatischen Kühlanlage und einer mit Kompressionskühlung arbeitenden üblichen Klimaanlage:
Die zur Verdunstung von Wasser nötige Energie beträgt etwa 2 300 kJ/kg. Für 1 l Wasser, das in 1  h verdampft, wird so eine Kühlleistung von 640 W erzeugt. Eine Förderpumpe einer adiabaten Kühlanlage benötigt z.B. lediglich 5 W/kg Wasser. Um eine Kühlleistung im Raum von beispielsweise 3,8  kW zu erzeugen, müssen somit 7,43 l Wasser verdunsten – bei einem angenommenen Wirkungsgrad des Wärmeübertragers von 80  %. Bei einer Verdunstung von 7,43 l Wasser/h ist der benötigte Leistungsaufwand der Pumpe 37,2 W. Dies bedeutet bei einem Betrieb von 8 h/Tag und einem Strompreis von 25 ct/kWh Kosten von 0,074 €/Tag.
Demgegenüber verbraucht z.B. eine herkömmliche Split-Klimaanlage mit einer Leistungszahl von COP= 3,8 zur Erzeugung eine Kühlleistung von 3,8 kW 1 kW elektrische Leistung. Es lässt sich also auch hier ein Strompreis für einen Betrieb von 8 h/Tag berechnen: 2 €/Tag.
Der Einsatz einer adiabaten Kühlungsanlage spart somit nicht nur Geld, sondern auch Primärenergie und ist damit ein wesentlicher Beitrag zur CO2-Reduktion. Für die adiabate Kühlung kann Trink-, Klar-, Betriebs- oder auch Regenwasser verwendet werden.
Regenwasser als Wärmesenke
Im Kontext der Flächentemperierung ist aus der Doppelfunktion oben genannter Systeme auch eine Flächenkühlung [3] möglich. Doch trotz der Vielfalt der erneuerbaren Energien fällt es scheinbar immer noch schwer, den konditionierten Tunnelblick abzulegen und diese Kühlfunktion mit Flächentemperierungen auch dann zu realisieren, wenn keine Heizungs-Wärmepumpe die erdgekoppelte Wärmesenkenanlage mitbringt.
Um auch mit anderen Heizsystemen, etwa einem Pelletkessel, eine Flächenkühlung zu ermöglichen, bietet eine Regenwasserbewirtschaftung die Option, Regenwasser als Wärmesenke zur Flächenkühlung zu nutzen. Die notwendigen Voraussetzungen, Grenzen und Möglichkeiten hierfür stellt der nächste Teil dieser Artikelserie vor.
Denn wer es mit Energieeffizienz, Ressourcenschonung und Klimaschutz wirklich ernst meint, kommt nicht umhin, sich auch mit ganzheitlichen Wasserkonzepten von Gebäuden auseinanderzusetzen.

Weitere Informationen:
[1] Frank Hartmann, »Wasserwege«, Wasserwirtschaft in Wohngebäuden. In: db 11/2016, Rubrik Technik aktuell, S. 66 ff
[2] Die aufgeführten Zahlenbeispiele beruhen auf Untersuchungen am Forum Wohnenergie, einem unabhängigen Beratungszentrum rund um energieeffizientes Bauen und Modernisieren
[3] Frank Hartmann, »In kalten wie in warmen Zeiten«, Die Flächentemperierung in der Gebäudesanierung. In: db 6/2016, Rubrik Energetisch sanieren, S. 110 ff.
Hersteller dezentraler Lösungen und von Grauwasserrecycling-Anlagen:

Joulia, Biel (CH), www.joulia.com (dezentale Lösung über Dusche)
Forstner Speichertechnik, Hard (A), wwww.speichertechnik.com
Intewa, Aachen, www.intewa.de
Dehoust, Leimen, www.dehoust.de
Greenlife, Schwerin, www.greenlife.info


Aktuelles Heft
MeistgelesenNeueste Artikel

Architektur Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Architektur-Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum arcguide Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des arcguide Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de