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Mit Sorgfalt geplant, die bessere Lösung

Innendämmsysteme und -materialien
Mit Sorgfalt geplant, die bessere Lösung

Eine Innendämmung ist eine gute (und unauffällige) Alternative zur Außendämmung. Sorgfältig verarbeitet und mit einer feuchtetechnischen Bemessung auf den Bestand abgestimmt, besteht kaum Gefahr von Schimmelbildung. Viele verschiedene Systeme sind dafür bereits verfügbar, einige innovative Materialien in der Entwicklung.

Text: Daniel Zirkelbach, Hartwig Künzel

Trotz vieler technischer Neuerungen bei der Energieerzeugung bleibt die Wärmedämmung der wichtigste Faktor zur Reduktion des CO2-Ausstoßes von Gebäuden. Meist setzen jedoch wirtschaftliche und städtebauliche Zwänge dem bautechnisch Machbaren enge Grenzen und es gilt, einen tragbaren Kompromiss zwischen Wärmeschutz und Wohnkomfort einerseits, sowie dem vorhandenen Budget und dem gewünschten Erscheinungsbild des Gebäudes andererseits zu finden. Immer öfter kommt es deshalb zur Anwendung einer Innendämmung trotz der damit verbundenen feuchtetechnischen Risiken. Durch eine gute Planung und Verarbeitung sowie durch die Auswahl geeigneter Systeme sind diese Risiken heutzutage in der Regel gut beherrschbar. Voraussetzung sind jedoch die richtige Bemessung der Innendämmung und eine sorgfältige Verarbeitung.
Erforderliche Dämmdicken
Beim Neubau und bei der Sanierung alter Gebäude sind in der Regel die derzeit geltenden Bestimmungen zur Energieeinsparung und zum klimabedingten Feuchteschutz zu erfüllen. Der sogenannte hygienische Mindestwärmeschutz beschreibt dabei die Minimalanforderung an den Dämmstandard von Außenbauteilen – nicht primär um Energie zu sparen, sondern um Bedingungen an den Bauteiloberflächen zu vermeiden, bei denen die Bildung von Bakterien oder Schimmelpilzen begünstigt wird. Für Außenwände beträgt der Mindestwärme-durchlasswiderstand R = 1,2 m²K/W. Die Mauern älterer Bestandsgebäude weisen meist einen geringeren Wärmedurchlasswiderstand zwischen etwa 0,4 und 0,6 m²K/W auf. Um den seit 2001 geltenden Mindestwärmeschutz für Außenwände zu erreichen, ist eine zusätzliche Dämmschicht mit einem R-Wert von mindestens 0,8 m²K/W erforderlich, was etwa 3 cm Mineralwolle oder EPS der Wärme-leitstufe (WLS) 035 entspricht. Wärmebrücken müssen gemäß derselben Norm einen Temperaturfaktor ƒRsi ^ 0,70 aufweisen. D. h., bei einer Außentemperatur von 0 °C und einer Raumtemperatur von 20 °C muss die raumseitige Oberflächentemperatur mind. 14 °C betragen, was durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen ist.
Wird bei der Modernisierung eines Bestandsbaus mehr als 10 % der Fassadenfläche verändert (z. B. neu verputzt), kommen die wesentlich strengeren Vorgaben der EnEV 2009 zur Anwendung. Für Außenwände mit Innendämmung muss dann ein U-Wert % 0,35 W/m²K erreicht werden (Ausnahme Fachwerkwände mit U % 0,84 W/(m²K)). Um ein Bestandsgebäude mit RWand = 0,40 m²K/W auf EnEV-Standard zu bringen, muss die Innendämmung also einen R-Wert von 2,3 m²K/W besitzen, was 8 cm Dämmung der WLS 035 oder 10 cm WLS 040 entspricht. Bei Verwendung kapillaraktiver Kalziumsilikatplatten der WLS 060 beträgt die geforderte Dämmschichtdicke sogar 14 cm. Dies reduziert nicht nur die nutzbare Wohnfläche erheblich, sondern kann auch aus feuchtetechnischer Sicht ein Problem darstellen, da die Feuchte hinter der Dämmung an kalten Tagen gefrieren kann.
Feuchteschutz – Risiken und Beurteilungsmethoden
Dem Feuchteschutz kommt bei der Planung einer Innendämmung eine besondere Bedeutung zu, da die ursprüngliche Gebäudehülle im Gegensatz zum Anbringen einer Außendämmung nicht wärmer, sondern kälter wird. Dadurch erhöht sich das Tauwasserrisiko, gleichzeitig verringert sich die Austrocknungsgeschwindigkeit von ins Bauteil eingedrungener Feuchte. Im Einzelnen sind für die Beurteilung des Feuchteverhaltens einer Konstruktion mit Innendämmung die folgenden Feuchtequellen zu berücksichtigen:
  • Tauwasser aufgrund von Diffusion oder Konvektion von Feuchte aus dem Raum,
  • Niederschlags- und Spritzwasser,
  • Feuchte aus dem Baugrund,
  • Baufeuchte oder
  • erhöhte Sorptionsfeuchte.
Während den meisten Planern das Problem der Dampfdiffusion bewusst ist, wird der Einfluss der anderen Feuchtequellen insbesondere aus Niederschlag und Einbaufeuchte häufig unterschätzt. Das WTA-Merkblatt 6-4 zur Innendämmung ist der erste Teil eines Planungsleitfadens zur feuchtetechnischen Bemessung von Innendämmungen und gibt hier wertvolle Hilfestellungen. Darin werden Aufbauten definiert, die keines gesonderten Nachweises bedürfen. Weiterhin wird festgelegt, dass das reguläre Verfahren zur Bemessung von Innendämmungen immer eine hygrothermische Simulation gemäß DIN EN 15026 ist, da bei einer Beurteilung mit dem Glaserverfahren nach DIN 4108-3 zu viele maßgebliche Einflüsse unberücksichtigt bleiben. ›
Welche Innendämmung für welche Anwendung?
Dampfbremsend
Das Angebot an Innendämmmaterialien und -systemen wird immer größer und auch unübersichtlicher. Klassische Systeme verwenden meist Faserdämmung mit Dampfbremse oder Hartschaumdämmung, bei der aufgrund des hohen Diffusionswiderstands des Materials selbst keine zusätzliche Dampfbremse erforderlich ist. Diese Varianten weisen gute Dämmwerte auf und sind immer dann geeignet, wenn keine zusätzliche Feuchte z. B. durch Niederschlag oder aus dem Baugrund zu erwarten ist. Voraussetzung ist allerdings, dass zwischen Dämmung und ursprünglicher Wandoberfläche keine Hohlräume entstehen, durch die Raumluft strömen kann. Da dies zur Bildung von Schimmelpilzen hinter der Dämmung führen kann, muss der Dämmstoff entweder vollflächig auf dem Untergrund verklebt werden (Hartschaumplatten) oder unter gewisser Spannung verlegt werden (z. B. Klemmfilz aus Mineralwolle).
Diffusionsoffen
Falls das Trocknungspotenzial nach innen benötigt wird, z. B. bei Fachwerkkonstruktionen oder unbekannter Qualität des Regenschutzes der Außenfassade, sollte die Innendämmung möglichst diffusionsoffen gehalten werden. Für Fachwerkwände darf gemäß 4108-3 ohne rechnerischen Nachweis ein sd-Wert von 2 m für das gesamte Innendämmsystem nicht überschritten werden. Auch wenn nicht alle Wände so empfindlich auf Feuchte reagieren wie Fachwerk, hat diese Anforderung dazu geführt, dass zunehmend diffusionsoffenere Systeme zum Einsatz kommen. Ein Beispiel dafür sind Innendämmungen mit feuchtevariablen Dampfbremsen, die zum Ziel haben, die Bilanz aus winterlichem Feuchteeintrag und sommerlicher Verdunstung zu optimieren. Dazu werden sie mit möglichst diffusionsoffenen Faserdämmstoffen (z. B. Mineralwolle, Holzfaser, Zellulose) kombiniert. Im Winter weisen die variablen Dampfbremsen bei etwa 40 % relativer Feuchte im Innenraum einen sd-Wert zwischen 5 und 10 m auf, während der Diffusionswiderstand bei Trocknungsbedingungen und deutlich über 60 % relativer Feuchte im Sommer auf 0,5 bis 0,2 m sinkt.
Kapillaraktiv
Innendämmsysteme mit kapillaraktiven Dämmstoffen verwenden dagegen gar keine zusätzlichen Dampfbremsen. Dem Feuchteeintrag über Diffusion wirkt hier bei Erreichen höherer Wassergehalte ein flüssiger Kapillartransport entgegen, der den Feuchteanstieg entweder verzögert oder vollständig kompensiert. Wichtig für das Funktionieren solcher kapillaraktiver Dämmungen ist neben einer möglichst vollflächigen und hohlraumfreien Verklebung auf dem Untergrund ein früh einsetzender und ausreichend starker Flüssigtransport, der die Feuchtegehalte auf der kalten Seite der Dämmung unterhalb von kritischen Werten hält. Da der Begriff »kapillaraktiv« bisher nicht definiert ist, können Eignung und Anwendungsbereich solcher Dämmstoffe nicht anhand einfacher Kennwerte überprüft werden. Gemäß dem WTA-Merkblatt ist hier zur Bemessung immer eine hygrothermische Simulation erforderlich, für die vom Hersteller die entsprechenden Materialkennwerte zur Verfügung gestellt werden müssen. Zu beachten ist dabei, dass sich auf der Kaltseite der Dämmung im Winter hohe Feuchtegehalte einstellen, bevor die Regulierung durch den Flüssigtransport einsetzt. Typische Beispiele für seit Langem eingesetzte kapillaraktive Innendämmungen sind mineralische Dämmplatten und Kalziumsilikat – allerdings gibt es hier immer wieder neue Produkte, wobei die Hersteller die Funktionsweise oft nicht ausreichend nachweisen.
Alternativen
Die steigenden gesetzlichen Anforderungen führen auch bei der Innendämmung zu immer größeren Dämmdicken. Da der Platz auf der Raumseite wertvoll und insbesondere im Bereich von Fensterleibungen oft nur sehr begrenzt verfügbar ist, kommt einer Reduktion der Wärmeleitfähigkeit der Materialien eine besondere Bedeutung zu. Dementsprechend sind in den letzten Jahren einige Hochleistungsdämmstoffe auf den Markt gekommen, die extrem niedrige Leitfähigkeiten teilweise deutlich unter WLS 020 aufweisen. Damit lassen sich die bisher üblichen Dämmdicken oft um 50-70 % reduzieren. Hier sind v. a. die Vakuum-Isolationspaneele (VIP) und die Aerogele zu nennen. Bei ersteren wird die Dämmwirkung durch ein Vakuum im Innern des Paneels hergestellt – damit werden WLS unter 010 erreicht. Zwei Schwierigkeiten sind hierbei die evtl. Wärmebrücken an den Plattenstößen und die Empfindlichkeit gegenüber mechanischer Beschädigungen. D. h., es sind geeignete Maßnahmen zum Schutz der Paneele zu ergreifen und auch die Nutzer entsprechend zu instruieren. Aerogele haben sehr kleine Poren in denen die Wärmeleitung der Luft anderen physikalischen Gesetzmäßigkeiten folgt als bei traditionellen Dämmstoffen. So lassen sich WLS unter 020 erreichen. Die Aerogele können auch in Verbindung mit anderen Dämmstoffen (z. B. Mineralfasern) zum Einsatz kommen.
Zu beachten
Für die Verarbeitung ist weiterhin die Unterscheidung zwischen flexiblen und starren Dämmstoffen von Bedeutung. Da eine Hinterströmung der Innendämmung mit warmer feuchter Raumluft immer auszuschließen ist, sollten Hohlräume möglichst vermieden werden. Dies ist etwa mit Dämmputzen, flexiblen Faserdämmstoffen oder Einblasdämmung auch auf unebenen Untergründen gut zu gewährleisten. Bei starren Plattendämmstoffen muss dagegen entweder vorher durch eine Ausgleichsschicht eine ebene Oberfläche hergestellt oder eine Hinterströmung z. B. durch dickere Kleberschichten ausgeschlossen werden.
Ausblick
Im Zuge der thermischen Sanierung des Gebäudebestands werden Innendämmungen auch bei zunehmend ungünstigen Rahmenbedingungen zum Einsatz kommen. Neben den beschriebenen diffusionsoffenen Dämmsystemen mit variablen Dampfbremsen oder kapillaraktiven Dämmstoffen werden v. a. die Hochleistungsdämmstoffe einen immer größeren Marktanteil erobern, falls sie bezüglich der Kosten wettbewerbsfähig sind. An der EMPA in Zürich wird derzeit ein Dämmstoff entwickelt, der die Vorteile unterschiedlicher Dämmsysteme miteinander verbindet und zudem einen hohlraumfreien Einbau ermöglicht: ein Aerogel-Dämmputz, dessen Wärmeleitfähigkeit laut Entwickler unter 0,03 W/mK liegen soll. •
Die erwähnten diffusionsoffenen, kapillaraktiven Dämmplatten, s. z. B. Ytong Multipor Innendämmung, www.ytong-silka.de Zu den angesprochenen, besonders dünnen Dämmplatten mit einer Wärmeleitfähigkeit unter 0,02 W/(mK) mit Aerogelen ist derzeit »Aerorock« auf dem Markt, s. www.ytong-silka.de Die erwähnte Problematik bei VIPs bzgl. Wärmebrücken und Plattenstößen entschärft Saint-Gobain Weber durch eine spezielle Verlegetechnik von EPS-Patten mit VIP-Kern: »weber.thermLockPlate«, www.ytong-silka.de, s. db 2/2011, S. 71 VIP-Hersteller: va-Q-tec, Würzburg; Porextherm Dämmstoffe, Kempten; Variotec Sandwichelemente, Neumarkt; Vaku-Isotherm, Rossau

Energie (S. 62)
Daniel Zirkelbach
1974 geboren. Abitur 1994. Studium des Bauingenieurwesens an der TU München, Abschluss 2001. 2001-04 wiss. Mitarbeit am Fraunhofer Institut für Bauphysik (IBP) in Holzkirchen. Seit 2007 stellv. Abteilungsleiter der Abteilung Hygrothermik. Vorlesungen für Bauphysik an der TU und der HS München.
Hartwig Künzel
1959 geboren. Seit 1987 wiss. Mitarbeit am Fraunhofer Institut für Bauphysik (IBP) in Holzkirchen. Seit 1994 Leiter der Abteilung Hygrothermik. 1994 Promotion an der Universität Stuttgart. Seit 2003 Leiter des WTA-Referats Bauphysik & Bauchemie. Mitglied bzw. Obmann in internationalen Normungsausschüssen und Fachgremien. Über 250 Veröffentlichungen in nationalen und internationalen Fachzeitschriften und Kongressbänden.
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