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Licht reinigt Luft

Ein Gespräch zum Stand der Photokatalyse mit Dr. Michael Vergöhl
Licht reinigt Luft

Photokatalytisch aktive Oberflächen und Baustoffe sind in der Lage, Luftschadstoffe in unbedenkliche Substanzen reaktiv umzusetzen. Das Potenzial ist enorm, ebenso aber der Forschungsbedarf – sagt Dr. Michael Vergöhl, Sprecher der Fraunhofer-Allianz Photokatalyse.

Interview: Armin Scharf; Fotos: Fraunhofer IST

Armin Scharf: Herr Vergöhl, was kann die Photokatalyse wirklich?
Michael Vergöhl: Im Prinzip lassen sich sämtliche organischen Substanzen photokatalytisch abbauen, das legt Anwendungen im Bereich der Luftreinigung nahe. Auch der Abbau von Stickoxiden funktioniert und ist nachgewiesen. Im Innenraum lassen sich Luftschadstoffe neutralisieren oder in neuen Autos, wo besonders viele Ausgasungen vorhanden sind. Photokatalyse kann auch im Wasser Schadstoffe abbauen, wirkt antimikrobiell und unterstützt das Prinzip der Selbstreinigung. Und sogar Wasser lässt sich photo-elektrochemisch in Wasserstoff und Sauerstoff spalten, was sonst die Elektrolyse übernimmt. Allerdings muss man immer die Wirkungsgrade beachten. Generell laufen die Prozesse nicht schnell ab.
Bei der chemischen Abbaureaktion können Zwischenprodukte entstehen, die nicht unbedenklich sind.
Ja, es gibt entlang der komplexen Reaktionsketten eine ganze Reihe von Zwischenprodukten, Formaldehyd zum Beispiel. Daher ist es besonders im Innenraum wichtig, diese Kette nicht zu unterbrechen oder unvollständig ablaufen zu lassen. Sonst kann es tatsächlich sein, dass die Situation schlechter als vorher wird. Man muss also die Reaktionsketten sehr genau kennen und dafür sorgen, dass kein Bruch stattfindet. In der Regel ist das eine Frage des verfügbaren Lichtes. Getestete und funktionierende Produkte sind das eine, wenn ich diese dann aber dort verbaue, wo nur ein Zehntel des notwendigen Lichtes vorhanden ist, habe ich kaum noch einen Effekt. Das muss man unbedingt beachten. Eigentlich sollten die Anbieter angeben, wo und unter welchen Bedingungen ihre Produkte aktiv sind. Es gibt aber auch Geräteentwicklungen, die ihr eigenes Licht mitbringen und die Luft reinigen.
Eine Art Klimagerät also?
In etwa. Sie schließen das Gerät an die Steckdose an, es beginnt schadstoffhaltige Luft anzusaugen und photokatalytisch zu reinigen. Das eignet sich etwa zur Entfernung von flüchtigen organischen Substanzen, etwa Lösemittel oder Weichmacher. Substanzen also, die sich in ihrer Wirkung kumulieren und dann das Sick-Building-Syndrom auslösen können. Auch hier ist es essentiell, die Reaktionswege zu kennen. Das erfordert aber eine aufwendige Analytik.
Sind Hersteller solcher Produkte damit nicht tendenziell überfordert?
Dafür gibt es uns. Photokatalytische Schichten kann man im Prinzip einfach herstellen, während die Qualifizierung aufgrund der komplexen Mechanismen deutlich schwieriger ist. Deswegen sind wir auch in den Bereichen Normung, Standardisierung und neuen Messverfahren aktiv.
Um Produkte differenzieren zu können, braucht es klare Aussagen über die jeweilige Effizienz der Photokatalyse. Gibt es die?
Momentan entstehen dazu die ersten Normen zum Thema Wirkungsgrad, konkret für den Abbau von Stickoxiden. Begleitet wird dies unter anderem vom Fachverband für angewandte Photokatalyse, auch wir sind dabei. Allerdings ist eine Klassifizierung der Werkstoffe heute noch nicht machbar.
Photokatalyse benötigt zur Aktivierung UV-Licht – das aber ist im Innenraum eher Mangelware.
Befindet sich die aktive Fläche in Fensternähe, dann funktioniert die Photokatalyse heute sehr gut. Allerdings nimmt die Strahlungsflussdichte mit der Tiefe des Raumes ab. Platziert man eine Probe weiter weg vom Fenster, dann kann der Abbau durchaus zehn Mal länger dauern.
Titandioxid, der momentan effektivste Katalysator, wird bereits modifiziert, um auch bei wenig UV-Licht reaktiv zu sein. Es werden aber auch andere Katalysator-Materialien entwickelt, etwa auf Basis von Zinkoxid oder ternären Verbindungen wie Indium- und Tantaloxiden oder Vanadate. Ganz oben auf der Forschungsliste steht momentan aber das Zinkoxid, weil es mehr Licht im sichtbaren Bereich absorbieren und damit zur Aktivierung nutzen kann.
Kann die Photokatalyse den Traum von selbstreinigenden Oberflächen erfüllen?
Organische Schmutzpartikel sind natürlich durchaus auch ein Punkt, nicht nur im Baubereich. Aber da die Photokatalyse ein langsamer Effekt ist, werden sehr große organische Schmutzpartikel nicht abgebaut, sondern an der Grenzfläche abgewaschen. Die Photokatalyse erleichtert dieses Abwaschen. Allerdings lässt sich durchaus auch ein Fettfilm, den ein Fingerabdruck hervorruft, photokatalytisch abbauen. Dies funktioniert übrigens auch mit Keimen, die sich auf Smartphone-Displays zahlreich finden.
In welche Richtung weist die Entwicklung neuer aktiver Bauprodukte?
Wir arbeiten beispielsweise an Geräten zum Abbau von problematischen Schadstoffen im Innenraum. Wir versuchen Lacke zu verbessern, vor allem das Bindemittel, das momentan ebenso vom Abbaumechanismus betroffen ist. Es lassen sich aber auch Materialien kombinieren – etwa solche, die zunächst Schadstoffe absorbieren und solche, die dann für den Abbau sorgen. Neue, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekte weisen dorthin.
Welche Rolle spielt dabei die Fraunhofer-Allianz Photokatalyse?
Das Ziel ist, die Kompetenzen der verschiedenen Institute zu bündeln, damit die Industrie einen zentralen Ansprechpartner hat. Wir sind vor allem für die deutschen KMU-Betriebe da, denen wir helfen, neue Produkte auf den Markt zu bringen. Das Interesse dafür ist groß, auch weil die Qualifizierung der Produkte noch schwierig ist. So erstellen wir auch neutrale Gutachten zu neuen Produkten, die auf den Markt kommen. Beispielsweise aus Japan.
Ein gutes Stichwort – meines Wissens kamen die ersten Produkte aus Japan.
Indirekt schon, aber das ist eine Frage der Zeitskala. In den 70er Jahren gab es hier in Deutschland schon umfangreiche Forschungen zur Photoelektrochemie, die dann aber nicht weiterverfolgt wurden. In Japan griff man das Prinzip auf, forschte weiter und präsentierte in den 90er Jahren umfangreiche Veröffentlichungen, Patente und erste Produkte. Diese Welle schwappte dann zu uns herüber. Aber es ist nicht so, dass wir hier ohne eigene Kompetenzen sind.
Text: Karin Gaszner, Dr. Ulrich Christ, Hildegard Neher-Schmitz, Ingo Riegert Fotos: Fraunhofer-Institut IPA
Den Kern einer jeden Beschichtung bildet das sogenannte Bindemittel, es bestimmt die wichtigsten Eigenschaften wie etwa Witterungsbeständigkeit, Wasserdampfdiffusion oder auch Farbtonintensität. Aktuell verfügbare Fassadenfarben basieren hauptsächlich auf wasserverdünnbaren Polymerdispersions-Bindemitteln – neben Silikonharzfarben, Dispersions-Silikatfarben oder rein mineralischen Silikatfarben.
Diese Beschichtungen schützen die Bausubstanz primär gegen Feuchteeinwirkung, dienen aber auch der farbigen Architekturgestaltung. Allerdings leidet die Brillanz der Farben früher oder später unter der oberflächlichen Verschmutzung – hervorgerufen durch Ablagerung organischer und anorganischer Flugstäube oder durch Bewuchs von Pilzen, Algen und Flechten.
Schmutzabbau versus Bindemittelabbau
Diesem Verschmutzungsprozess kann der photokatalytische Effekt entgegenwirken. UV-Strahlung, Wasser und Sauerstoff veranlassen speziell modifiziertes Titanoxid – eigentlich das wichtigste Weißpigment – eine Reaktion in Gang zu setzen, bei der organische Materialien oxidiert werden und durch Aufnahme von Hydroxyl-Ionen eine extrem ›
› hydrophile Oberfläche entsteht, die die Reinigung von Schmutzpartikeln bei Beregnung begünstigt. Allerdings kann die gleiche photokatalytische Reaktion auch die organischen Bindemittel der Fassadenbeschichtung abbauen. Der Abbau des organischen Bindemittels führt dazu, dass die Pigmente und Füllstoffe den Verbund mit der Bindemittelmatrix verlieren und als leicht entfernbare »kreidende« Schicht auf der Oberfläche liegen. Mit der Zeit führt diese »Kreidung« zum Substanzverlust der Beschichtung.
Wie ein Optimum zwischen der gewünschten Selbstreinigung und der Abbaubeständigkeit der Fassadenbeschichtung zu erreichen ist, war Ziel des Forschungsvorhabens, das am Fraunhofer-Institut IPA bearbeitet wurde. Im Rahmen des Projekts wurde die Wirksamkeit von Fassadenfarben mit photokatalytisch aktiven Titandioxid-Pigmenten (in den Formen Anatas sowie nanoskalige Rutil/Anatas-Mischungen) hinsichtlich ihrer Schmutzabweisung untersucht. Als wichtige Bindemittel standen neben rein organischen Polymerdispersionen (Styrolacrylate) auch abbaubeständigere anorganische Bindemittelanteile (Silikonharze und Silikate) in verschiedenen Mischungen im Fokus.
Zwei Jahre Freibewitterung
Um eine hinreichende Praxisrelevanz der Forschungsergebnisse sicherzustellen, bewitterte man die photokatalytisch aktiven Beschichtungen zusammen mit konventionellen Referenz-Beschichtungen über zwei Jahre an zwei Standorten. Dem Stadtklima mit hoher Verschmutzung durch Verkehr und südlicher Ausrichtung stand ländliches Klima mit nördlicher Ausrichtung gegenüber, in beiden Fällen wurden die Probeplatten im Winkel von 90 ° exponiert – und im Stadtbereich zusätzlich um 45 °.
Die Verschmutzungszunahme ermittelte man mittels farbmetrischer Bestimmung der Helligkeitsabnahme, der Abbau der Bindemittelmatrix wurde mittels Kreidungsprüfung nach Kempf (DIN 53159) untersucht und in Stufen von 0 bis 5 (nach DIN EN ISO 4628–6) bewertet. Veränderungen der oberflächenenergetischen Eigenschaften (z. B. Benetzungsgüte) wurde mit Kontaktwinkelmessungen zwischen Wassertropfen und den Beschichtungsoberflächen charakterisiert.
Die Bestimmung der photokatalytischen Aktivität im unbewitterten und bewitterten Zustand erfolgte durch die infrarot-spektroskopische Messung der Abbaukinetik der Modellsubstanz Isopropanol über das Zwischenprodukt Aceton zu den Endprodukten Kohlendioxid, Kohlenmonoxid und Wasser.
Selbstreinigung durch Kreidung
Es zeigte sich, dass die Verschmutzungsneigung bei vertikal ausgerichteten Beschichtungen naturgemäß insgesamt schwächer ausgeprägt ist als bei den unter 45 ° ausgelagerten Proben. Der Einfluss der photokatalytisch aktiven Pigmente zeigte sich daher bei den unter 45 ° ausgelagerten Proben deutlicher. Am Beispiel der Dispersions-Silikatfarben zeigte sich, dass die photokatalytisch aktiven Beschichtungen im Vergleich zur inaktiven Beschichtung deutlich weniger verschmutzen. Dafür kreiden die photokatalytisch aktiven Beschichtungen deutlich stärker als ihre inaktiven Pendants.
Dies lässt den Schluss zu, dass der Selbstreinigungseffekt der photokatalytisch aktiven Beschichtungen zu einem großen Teil auf dem Einfluss der Kreidung (»Edelkreidung«) beruht. Auch die Hydrophilierung der Oberflächen bei der Bewitterung der photokatalytisch aktiven Beschichtungen wird durch die Ergebnisse der Kontaktwinkelmessungen bestätigt, bei denen zum Teil Kontaktwinkel von 0 ° ermittelt wurden. Die im Fotoreaktor gemessenen Abbauprodukte der Modellsubstanz Isopropanol bestätigten wiederum die photokatalytische Wirksamkeit der aktiven Fassadenfarben nach der zweijährigen Freibewitterung. •
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