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Wohn- und Geschäftsgebäude in München von allmannwappner

Vorhang auf!
Wohn- und Geschäftsgebäude in München

Ein feines Entree zu dem Neubauquartier an der Paul-Gerhardt-Allee im Münchner Westen: Der 2021 fertiggestellte Wohn- und Geschäftskomplex von allmannwappner besticht durch abwechslungsreiche Fassadenbilder dank beweglicher Metallvorhänge.

Architekten: allmannwappner
Tragwerksplanung: Seidl & Partner Gesamtplanung

Kritik: Klaus Meyer
Fotos: Brigida González, Kim Fohmann

In dem unscheinbaren Giebelhaus an der Berduxstraße werden anfangs brave Familien gewohnt haben, doch seit vielen Jahren dient der 50er-Jahre-Bau nun schon als Bordell. Damit Freier die schäbige Hütte als ihren Traumpalast identifizieren können, prangt ein roter Neonschriftzug an der Einfahrt, der praktisch zu jeder Tages- und Nachtzeit die frohe Botschaft »Geöffnet« verkündet. Der Puff (der übrigens bis zu ihrem Tod im Jahre 2016 von der Schauspielerin Margit Geissler betrieben wurde) ist das bizarrste, aber nicht das letzte Relikt aus der wilden Zeit des Gleisdreiecks im Münchner Westen. Es gibt auch noch den »ReifenMann«, eine hinter Zaun, Buschwerk und Reklametafeln verborgene Münchner Institution. Auf dem Rest des 33 ha großen Areals entsteht seit einigen Jahren etwas vollkommen Neues.

Das Gelände liegt zwischen Paul-Gerhardt-Allee, Bärmannstraße und zwei Bahntrassen im Stadtteil Pasing-Obermenzing. Vor hundert Jahren durchquerte die Haupttrasse in ihrem Verlauf von München nach Pasing noch Äcker und Kuhweiden. Später errichtete die Bahn Lagerhallen und Werkstätten auf dem Gleisdreieck, doch seit der Bahnprivatisierung in den 90er-Jahren wurden die Gebäude nach und nach von privaten Gewerbetreibenden wie dem »ReifenMann« in Beschlag genommen. Als eine der letzten »zentralen« Bahnflächen rückte das Areal vor rund zehn Jahren in den Fokus der Münchner Stadtplaner: Aus dem wilden Gewerbepark sollte ein schmuckes Wohnquartier mit Grundschule, Sporthalle, Kindertageseinrichtungen, Geschäften, öffentlichen Grünflächen und rund 5 500 Wohneinheiten werden.

Ein exponierter Platz

Im Jahr 2012 gewann das Münchner Büro Palais Mai Architekten zusammen mit Lohrer Hochrein Landschaftsarchitekten den städtebaulichen und landschaftsplanerischen Ideenwettbewerb für das gesamte Neubauquartier. Der Masterplan sah polygonale Wohnhöfe vor, die die Geometrie des angrenzenden Gleisdreiecks aufnehmen. Einen der zwei geplanten Stadtplätze positionierten die Architekten im Inneren des Areals; der andere lag am westlichen Entree des neuen Stadtviertels – an der Kreuzung von Paul-Gerhardt-Allee und Hermine-von-Parish-Straße. Auf dem exponierten Grundstück sollte auch ein Wohnkomplex mit integrierten Geschäften entstehen. Den 2016 durchgeführten Realisierungswettbewerb für das stadträumlich wichtige Nahversorgungszentrum mit vorgelagertem Platz gewann das Münchner Architekturbüro Allmann Sattler Wappner (das seit 2021 als allmannwappner firmiert) zusammen mit dem ebenfalls in München ansässigen Büro realgrün Landschaftsarchitekten.

2021 wurden Gebäude und Platz fertiggestellt. Der Neubau erhebt sich auf einem unregelmäßig zugeschnittenen Baufeld und präsentiert sich als ein Komplex aus polygonalem Sockelgeschoss und drei aufgesetzten Baukörpern unterschiedlicher Form und Höhe. Die Sockelzone beherbergt Supermärkte, Fachgeschäfte und Dienstleistungseinrichtungen, die über eine gemeinsame Eingangshalle oder direkt über den Quartiersplatz erschlossen werden. Im Grundriss bildet der Sockel ein konkaves Sechseck, das den südlich vorgelagerten Quartiersplatz einfasst. Auf seiner Dachfläche – und somit getrennt von den gewerblichen bzw. öffentlichen Bereichen – liegen die Eingänge zu den 160 Wohneinheiten, die sich auf die drei aufgesetzten Gebäudeteile verteilen. Der höchste der drei Wohntürme fußt auf einer fünfeckigen Grundfläche und ragt um neun Geschosse auf. Aufgrund seiner Höhe, aber auch wegen seiner Position an der Schnittstelle von Paul-Gerhardt-Allee und Hermine-von-Parish-Straße markiert dieser Baukörper sehr effektvoll den Eingang zum neuen Viertel. Ergänzt wird das Turmtrio durch einen viergeschossigen Bau mit trapezförmiger Grundfläche an der Paul-Gerhardt-Allee und einen sechsgeschossigen Quader, der den Komplex zur östlich angrenzenden Grundschule abschließt.

Eine Piazza auf dem Dach

Wer den Gebäudekomplex lediglich von der Straße oder vom Vorplatz aus betrachtet, dem entgeht ein wesentlicher Aspekt des Entwurfs. Gemeint ist die Dachfläche des Sockelgeschosses, zu der eine halböffentliche Außentreppe hinaufführt. Zwischen den drei Wohnhäusern erstreckt sich hier ein vortrefflich gestalteter Dachgarten, der mit seinen Pflanzeninseln, Gehwegen, Ruhebänken und Spielflächen wie ein kleiner Park wirkt. Sogar einen Hügel gibt es. Im Inneren dieser ebenfalls polygonal zugeschnittenen Erhebung sind u. a. die Pausenräume des Ladenpersonals untergebracht. Zu dem Hochplateau, das mit weiteren Bänken, Rabatten und einem Sonnendeck aufwartet, windet sich ein von Ranken umsäumter Fußweg empor.

Natürlich ist der Garten, der sämtlichen Bewohnern offensteht, in erster Linie ein Begegnungs- und Erholungsraum. Aber er funktioniert auch wie ein Dorfplatz, der die umstehenden Gebäude zusammenhält und so etwas wie eine kommunale Identität stiftet. Ganz und gar nicht unwichtig für die Gesamtwirkung dieser grünen Piazza ist im Übrigen die umlaufende Pergola, die dem Ganzen eine schöne räumliche Fassung gibt.

Neben der Komposition der Volumina und der Anlage des Belvedere ist es v. a. die Fassadengestaltung, die den ästhetischen Reiz des Ensembles ausmacht. Das Besondere daran ist die zarte Ziehharmonikastruktur, gebildet aus Zackenprofilblechen und gefalteten Wandelementen, die das ansonsten streng gerasterte Erscheinungsbild auf elegante Weise dynamisiert.

Eine Hülle aus Blech

Ursprünglich sollte das strukturbildende Stahlbetonraster aus Lisenen und Geschossdecken verputzt werden. Auf Vorschlag des ausführenden Fenster- und Fassadenspezialisten entschied man sich am Ende für Blechbekleidungen. Die vortretenden Deckenkanten wurden umlaufend mit 2 mm dicken, weiß beschichteten Aluminiumblechstreifen bekleidet, die von einer hinterlüfteten Aluminiumkonstruktion gehalten werden. Den Betonstützen wiederum wurden M-förmige Aluminiumblechprofile vorgehängt. Und auch bei der Ausfachung des Rasters spielt Aluminiumblech die Hauptrolle. Zum Einsatz kamen perforierte Wandelemente aus gefaltetem Metall, die mal fest montiert und mal beweglich aufgehängt sind. Es sind diese halbtransparenten Vorhänge, die wesentlich dazu beitragen, Leben und Abwechslung in das Fassadenbild zu bringen.

Rasterfelder mit geschlossenen Metallverkleidungen finden sich z. B. vor fensterlosen Wohnungsaußenwänden oder im Bereich der Treppenhäuser. Öffnen lassen sich die Faltvorhänge dagegen dort, wo sie tatsächlich Fenster abschirmen. Ursprünglich war eine Öffnung über die gesamte Breite des jeweiligen Rasterfeldes vorgesehen, doch diese Idee erwies sich letztlich als technisch sehr aufwendig und wurde aus Kostengründen verworfen.

»Auf- und zuziehen« lassen sich die Vorhänge nun lediglich in Fensterbreite. Muskelkraft bedarf es dazu nicht. Der elektromotorische Betrieb der Faltelemente erfolgt auf Knopfdruck.

Ein weiteres prägendes Element der Fassaden sind die mit weißen Metallgeländern bestückten Loggien, die es in großer Zahl gibt, da jede Wohnung über solch einen geschützten Außenraum verfügt. Jede Loggia nimmt jeweils ein ganzes Rasterfeld ein. Insgesamt ergibt sich dadurch ein abwechslungsreiches Fassadenbild, das sich aus offenen, halb offenen und geschlossenen Flächen zusammensetzt. Aufgrund der beweglichen Partien der Außenhülle verändert sich das Bild oft, sodass die drei Wohntürme immer wieder etwas anders aussehen, je nachdem wann und aus welcher Blickrichtung man sie betrachtet. Variieren lässt sich natürlich auch der Ausblick aus den Wohnungen. Dabei ist festzuhalten, dass die perforierten Metallvorhänge die Aussicht kaum beeinträchtigen, dafür aber die Räume zuweilen in ein schönes, diffuses Licht tauchen.


Der Garten auf dem Dach und der Quartiersplatz vor der Ladenfront haben es unserem Kritiker Klaus Meyer mindestens ebenso angetan wie der Gebäudekomplex selbst mit seinen originellen Zuschnitten und flexiblen Fassaden.


  • Standort: Paul-Gerhardt-Allee 12, 81245 München

    Bauherr: Münchenbau Bauträger GmbH, München
    Architekten (LP 1-5): allmannwappner, München
    Projektteam: Realisierung: Manfred Sauer (Teamleitung), Katrin Bell, Ulrike Fuchs, Christopher Hazard, Torsten Salzmann (Projektleitung), Zajnab Ali, Sabrina Bergmann, Viktoria Blum, Markus Böhm, Flo Burkhard, Kevin Chen, Marcela Doležžalová, Alexandra Dürrhammer, Alan Dzhibilov, Kristina Ehrminger, Marcel Fuckel, Jenny Fung, Diego Gnoato, Eugenia Gross, Nicole Hansmeier, Henrike Jahns, Nino Jakovljevićc, Katja Jantzen, Juliane Klein, Simon Kochhan, Simon Köppl, Maurizio Maggi, Claudia Mehlert, allmannwappner, Gregory Nuñez Fructuoso, Philipp Pott, Rebecca Pröbster, Marta Prokop, Manuel Riavez, Emanuel Schöbe, Pavel Shcherbakov, Kathleen Streifeneder, Edita Strejčcková, Patrik Uchal, Elisabeth Willeitner, Michael Wondré, Rouven Würfel; Wettbewerb: Carola Dietrich, Alexandra Wagner, Pavel Shcherbakov, Simon Kochhan, Philipp Vogeley,
    Tragwerksplanung: Seidl & Partner Gesamtplanung GmbH, Regensburg
    Brandschutzplanung: Ingenieur- und Sachverständigenbüro Dipl.-Ing. (Univ.), MEng. Sascha Kaefer, Grafing
    Fassadenplanung: R+R Fuchs, München
    Landschaftsarchitektur: realgrün Landschaftsarchitekten, München
    Schallschutzplanung: Dipl.-Ing. Peter Mutard, Ingenieurgesellschaft für Technische Akustik, Schall- und Wärmeschutz mbH PMI GmbH, Unterhaching
    BGF: 39 750 m²
    BRI: 143 900 m³
    Wettbewerb: 2016, 1. Preis
    Bauzeit: Juli 2016 bis August 2021
  • Beteiligte Firmen:
    Fassadenbau: Feldhaus Fenster + Fassaden GmbH & Co. KG, Emsdetten
    Pfosten-Riegel-Fassade, Fassadentüren: Schüco International KG, Bielefeld
    Balkonverglasungen: Solarlux GmbH, Melle
    Fenster: GEALAN Fenster-Systeme GmbH, Oberkotzau
    Innenwände, Trockenbau: Knauf Gips KG, Iphofen
    Sonnenschutz: WAREMA Renkhoff SE, Marktheidenfeld
    Türen, Tore: JansenAG, Oberriet
    Tore Anlieferung: Butzbach GmbH Industrietore, Kellmünz
    Rauchschutzvorhänge, Kellertrennwände: Käuferle GmbH & Co. KG, Aichach
    Wärmedämmung: DEUTSCHE ROCKWOOL GmbH & Co. KG, Gladbeck
    Betonwerkstein: R. Bayer Betonwerk Zwickau GmbH, Zwickau

allmannwappner


allmannwappner ist ein international tätiges Büro mit Sitz in München. Über 150 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aus unterschiedlichen Nationen arbeiten in Projektteams, deren Zusammensetzung auf die jeweilige Planungsaufgabe hin ausgerichtet ist.


Klaus Meyer

Studium der Germanistik und Geschichte. Langjährige Tätigkeit als Werbetexter in Hamburg. Mitarbeit als Redakteur bei Architectural Digest in München.
Seit 1999 Tätigkeit als freier Journalist.

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