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Weinkeller Kobler in Margreid (I) von Lukas Mayr und Theodor Gallmetzer

Weinkeller Kobler in Margreid (I)
Understatement

Der neue Weinkeller des kleinen Guts in Südtirol ließ sich auf dem Grundstück nur durch Eingraben sinnvoll unterbringen. Das Wellenmuster der Stampfbetonwände und die entsprechende Beleuchtung lassen ein poetisches Ambiente entstehen, das zur Weinherstellung allein fast zu schade ist. Obenauf gedeihen die Reben – wie zuvor.
    • Architekten: Lukas Mayr, Theodor Gallmetzer
      Tragwerksplanung: Rudolfo Senoner

  • Kritik: Roland Pawlitschko
    Fotos: Marion Lafogler
Auch wenn der Weinkeller Kobler auf den ersten Blick wie eine Kunstgalerie in einem New Yorker Szeneviertel aussieht, gehört er in Wirklichkeit zu einem kleinen, ganzheitlich denkenden Familienbetrieb, für den die Themen Architektur und Gestaltung untrennbar mit der Qualität der hergestellten Weine verknüpft sind.
Der größte Teil der Südtiroler Weinbauern produziert Wein nicht selbst, sondern liefert seine Ernte zur Weiterverarbeitung alljährlich an eine der großen lokalen Winzergenossenschaften. Dies bietet insbesondere jenen Winzern Vorteile, denen die Weinherstellung und der Vertrieb zu aufwendig oder zu kostenintensiv sind. Dass Armin Kobler im Jahr 2006 damit begonnen hat, die Hälfte der in sechs Weingärten auf insgesamt knapp 5 ha Fläche angebauten Trauben selbst zu verarbeiten, hat v. a. damit zu tun, dass er – gemeinsam mit seiner Frau – den gesamten Weg von der Traube zum Wein zum Kunden eigenverantwortlich gehen wollte. Als mehr oder weniger provisorischer Ort der Weinproduktion diente seitdem der ursprünglich zur Unterbringung landwirtschaftlicher Maschinen und als Lager konzipierte Keller ihres Hauses an der Margreider Weinstraße (die Geräte stehen seitdem im Freien). Um die bislang rund 15 000 pro Jahr abgefüllten Flaschen selbst vermarkten zu können, eröffnete Kobler 2010 den »Weinraum« – einen multifunktionalen Verkaufs- und Verkostungsraum im EG, den die Südtiroler Architekten Theodor Gallmetzer und Lukas Mayr als minimalistischen White Cube mit versenkbarer Glasfront in die Straßenfassade des Bestandsgebäudes schoben (siehe db 9/2011, S. 30).
Da es inzwischen Pläne gibt, die gesamte Ernte selbst zu vinifizieren, der bestehende Keller hierfür jedoch nicht genügend Platz bot, entstand die Idee, einen neuen Keller zu bauen, der vereinfachte Arbeitsprozesse zur Verarbeitung der gesamten Traubenernte und dadurch langfristig deutlich mehr Lebens- und Arbeitsqualität ermöglichen sollte. Da Kobler einerseits passionierter Winzer ist, andererseits aber auch eingefleischter Analytiker und studierter Landwirtschaftler, der viele Jahre die Sektion Kellerwirtschaft am Versuchszentrum Laimburg leitete, versteht es sich fast von selbst, dass der Neubau in jeder Hinsicht perfekt zu sein hatte. Aufgrund der positiven Erfahrungen mit den Architekten des Weinraums – auch hinsichtlich der Gestaltungsfragen – wurden erneut Gallmetzer und Mayr mit der Planung beauftragt.
Weinkeller unter Weinreben
Der Standort des neuen Weinkellers auf der Gebäuderückseite unter einer Rebbaufläche erwies sich als ideal, obwohl damit durch die Bauarbeiten gleichzeitig der Verlust zahlreicher alter Rebstöcke verbunden war. Hier ließ sich die geeignete Kubatur für allgemeine und Flaschen-Lagerflächen sowie für Edelstahltanks und Eichenholzfässer sowohl in der Höhe als auch in der Fläche frei von statischen Zwängen des Bestandsgebäudes errichten und die Erschließung leicht mithilfe einer Verlängerung der existierenden, befahrbaren Rampe lösen. Außerdem sorgt die Lage 80 cm unter dem Boden für eine optimale, gleich bleibende Temperatur und Luftfeuchtigkeit und ermöglichte gleichzeitig den problemlosen Wiederanbau neuer Rebstöcke.
Dass die Architekten die Idee entwickelten, einen Teil der Kellerwände in Stampfbeton auszuführen, hatte zwei Gründe. Erstens liegt das Baugrundstück in einem von Kalkschottern geprägten Gebiet, das heißt, beim Aushub der Baugrube fiel viel Kies an, den man zum Bau der Wände verwenden wollte. Letztlich wäre dessen Reinigung vor Ort aber zu aufwendig und langwierig geraten; die Steine wurden abtransportiert und neuer Kies eines nahe gelegenen Kieswerks eingesetzt. Der zweite Grund liegt in der Ästhetik des von Hand schichtweise verarbeiteten Stampfbetons, der nicht nur an die natürlichen Sedimentschichten der westlich von Margreid aufragenden Felswände erinnert, sondern mit dem sich auch Parallelen zur Schichtung der festen und flüssigen Traubenbestandteile ziehen lassen, die hier in der Maische vergoren werden.
Ästhetik und Funktion als Einheit
Den Rundgang durch die neuen Kellerräumlichkeiten, den Armin Kobler auch seinen Kunden anbietet, prägt v. a. das Bild des ebenso sorgfältig wie detailverliebt ausgeübten Handwerks. Weinproduktion und Architektur erscheinen dabei gleichsam als gestalterische und funktionale Einheit. Edelstahltanks und -leitungen wirken wie funkelnde Skulpturen in einem Ausstellungsraum, in dem das harmonische Zusammenspiel unterschiedlicher Grau- und Silbertöne im Mittelpunkt steht: ein glatt geschliffener Sichtbetonboden, mit Weißzement ausgeführte Stampfbetonwände (mit transparentem, hydrophobierendem Anstrich) und Betondecken, satinierte Edelstahlschiebewände. Definiert werden die tageszeitabhängig wechselnden »Farbtöne« weniger durch die bündig eingebauten Deckenleuchten, die die lebhafte Textur der Wände unterstreichen, als vielmehr durch ein als befahrbare Glasplatte ausgebildetes Oberlicht, das, an den Weinreben vorbei, den Blick zum Himmel freigibt.
Im ursprünglichen Konzept der Architekten sollte dieses Oberlicht die Möglichkeit eröffnen, die geernteten Trauben zur Verarbeitung direkt in den Keller zu bringen. Dass Kobler diese Option bislang nicht wahrnimmt, hat damit zu tun, dass er die Trauben nach wie vor auf der dafür vorgesehenen Fläche an der Gebäuderückseite anliefert und im alten Keller presst, um den Saft oder die Maische von dort in den tiefer gelegenen neuen Keller zu befördern. Das war zwar nicht so vorgesehen, schließlich sollte der alte Keller wieder zum Abstellen landwirtschaftlicher Maschinen dienen, dafür aber wesentlich einfacher, weil entsprechende Leitungen und Schächte schon vorhanden sind. Genau an diesem Punkt gerät das ursprüngliche Ziel des Weinguts wieder ins Bewusstsein: ein Weinkeller, der im Sinne der Weinherstellung optimal funktionieren muss, zugleich aber auch den Arbeitsalltag erleichtert. Dieses Ziel ist zweifellos erreicht. Erst so richtig glücklich sind die Koblers mit dem unterirdischen Neubau aber v. a. deshalb, weil sie damit etwas geschaffen haben, das ihrer Lebens- und Arbeitsphilosophie entspricht, in der die Themen Gestaltung und Baukultur wie selbstverständlich fest verankert sind. Und so spielt es auch eine untergeordnete Rolle, dass es Jahrzehnte dauern wird, bis sich diese Investition amortisiert haben wird. •
  • Standort: Weinstraße 36, I-39040 Margreid an der Weinstraße
    Bauherr: Weinhof Kobler, Armin und Monika Kobler, Margreid a. d. W.
    Architekten, Lichtplaner: Lukas Mayr, Percha, und Theodor Gallmetzer, Bozen
    Tragwerksplanung: Rudolfo Senoner, Bozen
    Fläche: 270 m²
    Volumen: etwa 1 000 m³
    Baukosten: keine Angabe
    Bauzeit: Januar 2013 bis August 2015
  • Beteiligte Firmen:
    Bauausführung, Stampfbeton: Josef Giuliani, Eppan
    Schlosserarbeiten: Klaus Andergassen, Salurn
    Bodenschliff: Designtrend, Bozen, www.designtrend.it

Lukas Mayr
1973 in Bruneck (I) geboren. Architekturstudium an der Universität Innsbruck (A). Atelier in Percha (I)

Theodor Gallmetzer
1966 in Aldein (I) geboren. Architekturstudium an der Universität Innsbruck (A). Atelier in Bozen (I).
 
 
 
 

 
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