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Die HafenCity

Mit vollen Segelen voraus
Die HafenCity

Elf Jahre nach dem Startschuss ist die erste Hälfte des 155 Hektar großen Areals mit Projekten überplant. In den westlichen Quartieren stehen die ersten fertigen Häuserzeilen. Fast 1000 Bewohner sind schon eingezogen, die Elbphilharmonie und das Überseequartier sind im Bau – ein Jahrhundertprojekt, mit dem Ziel, die Hamburger Innenstadt in den kommenden 20 Jahren um 40 Prozent zu erweitern: Hier eine Bilanz.

Text: Claas Gefroi

An der Gründung antiker Städte wie Athen oder Rom waren Götter, Fabelwesen und Könige beteiligt. Der Gründungsmythos der Hamburger HafenCity ist profanerer Natur: Alt-Bürgermeister Henning Voscherau erzählt gern die Geschichte, wie er sich Mitte der neunziger Jahre, im Geheimen mit dem damaligen Geschäftsführer der stadteigenen Hamburger Hafen und Logistik AG (HHLA), Peter Dietrich, verständigt habe, den Hafen mit einem modernen Containerterminal zu erweitern, für dessen Finanzierung Hafengebiete verkauft werden sollten, die nicht mehr benötigt wurden. Um diese Flächen maximal im Wert steigen zu lassen, entwickelte man für das Areal zusammen mit dem Architekten Volkwin Marg (gmp) Pläne für eine großmaßstäbliche Erweiterung der nahen Hamburger Innenstadt. Gleichzeitig wurden die betreffenden Grundstücke unauffällig aufgekauft, um eine Spekulation zulasten der Stadt zu verhindern. Es habe ihm eine »diebische Freude gemacht«, so Voscherau, die weit gediehenen Pläne am 7. Mai 1997 der überraschten Öffentlichkeit vorzustellen.
Völlig neu war die Idee freilich nicht. Der damalige Oberbaudirektor Egbert Kossak hatte die Rückkehr der Stadt an den Fluss bereits 1989 zum Thema eines Bauforums gemacht – die dort von Architekten und Stadtplanern entwickelten Visionen stießen jedoch auf wenig Gegenliebe in der Hamburger Politik. Doch nun, acht Jahre später, durchschlug die Idee einen gordischen Knoten. Die Stadt rückte wieder ans Elbufer heran, und sogar eine Entwicklungsachse von der HafenCity über die Elbinsel bis nach Harburg wurde denkbar. Möglich war diese Reurbanisierung durch die Weiterentwicklung des Hafens. Die aus dem 19. Jahrhundert stammenden Kaianlagen südlich und östlich der Speicherstadt waren auf den Stückgutumschlag ausgelegt und boten modernen Schiffen nicht genug Tiefgang und dem Containerumschlag zu wenig Platz. Die Zukunft des Hafens fand deshalb stromabwärts weiter westlich in Altenwerder statt – Sandtorhafen, Grasbrookhafen, Baakenhafen und Magdeburger Hafen verwaisten langsam.
Überflutungsgebiet wird Wohnquartier
Die Umnutzung lag nahe, war jedoch nicht unproblematisch. Die Anbindung der HafenCity an die Innenstadt wird durch die vorgelagerte Speicherstadt und die Barriere der Ludwig-Erhard-Straße/Willy-Brandt-Straße erschwert. Die langen, schmalen Finger der Kaianlagen bedeuten weite Erschließungswege und bedurften neuer städtebaulicher Typologien. Und schließlich: Das Areal ist nicht hochwassersicher – eine Grundvoraussetzung für einen Wohnstandort. Dennoch: Die Bürgerschaft beschloss die Pläne für den neuen Stadtteil noch 1997, und für die Steuerung der Bauvorhaben sowie den Grundstücksverkauf wurde die GHS (die spätere HafenCity Hamburg GmbH) gegründet. Nachdem das Team Hamburgplan/Kees Christiaanse/ASTOC den städtebaulichen Wettbewerb gewonnen hatte, wurde aus ihrem Entwurf der Masterplan entwickelt. Sehr viel Wert wurde auf die Differenzierung der einzelnen Quartiere gelegt – Nutzungen, Gebäudehöhen, städtebauliche und architektonische Typologien ergeben sich aus Lage und Größe der Areale.
Das erste Quartier, der Sandtorkai, wurde 2005 fertiggestellt. Die Bebauung wurde aufgelöst in quaderförmige Büro- und U-förmige Wohnbauten entlang des Kais, um den Blick auf die nördlich gelegene Speicherstadt zu erhalten. Die Warft, auf der die acht auskragenden Gebäude stehen, geriet – bedingt durch die geringe Tiefe des Grundstücks – sehr schmal. Da das Plateau als Rettungsweg dient, musste es ungenutzt und leer bleiben. Die Polderwand auf der tiefer liegenden Promenadenebene stellt sich für den Flaneur als lang gezogene Betonmauer dar, die sich nur selten für Treppen oder Durchgänge öffnet. Die ursprünglich gedachte Belebung mit Cafés oder Restaurant blieb aus, weil der Bau von aufwendigen Flutschutzfenstern und -türen den Investoren zu teuer war.
Gestalterische Vielfalt oder Wildwuchs?
Das zweite fast fertiggestellte Quartier, der überwiegend mit Wohnhäusern bebaute Dalmannkai [1], ist feiner strukturiert. Warften und Uferpromenaden sind breiter und bieten mehr Platz für Gebäude und Stadträume. Die neue Topografie aus Warften und Promenaden führt hier zu räumlich reizvollen Situationen und Blickbeziehungen. Entlang einer mittigen Straße reihen sich auf dem Sockel im Norden Einzelbauten und auf der Südseite Blöcke, die zum Wasser geöffnet sind. Zwischen den Blöcken verlaufen öffentliche Wege, die über Treppen zur Promenade hinab- führen. Das differenzierte Gefüge von öffentlichen hin zu privaten Räumen steht in einem merkwürdigen Widerspruch zum Wildwuchs der Hochbauten. Jeder Bauherr, jeder Architekt konnte hier fast ohne Einschränkungen seine gestalterischen Maximen umsetzen. Da die Blöcke in bis zu fünf Baufelder aufgeteilt wurden, entstand auf engem Raum ein beziehungsloses Nebeneinander von strengen Klinkerkleidern, Metallfassaden und architektonischen Sixties-Epigonen. Wie schon am Sandtorkai ist Wohnungsbau vorwiegend für solvente Käufer und Mieter entstanden. Das Spektrum ist mit Genossenschaftswohnungen, Baugemeinschaften und frei finanziertem Wohnungsbau allerdings sehr breit.
In harschem Kontrast zu dieser Kleinteiligkeit wird das 2011 fertiggestellte Überseequartier stehen, denn das acht Hektar große zentrale Quartier mit 275 000 m² BGF Büro-, Einzelhandels- und Wohnflächen wird von einem einzigen Investorenkonsortium realisiert. Erfreulicherweise wurde hier auf eine Einkaufsmall verzichtet – die zahlreichen Geschäfte und Gastronomiebetriebe liegen in den Erdgeschossen überwiegend geschlossener Häuserblöcke, an den sich aufweitenden und verengenden Haupt- und Nebenwegen. Bemerkenswert ist das Verfahren zur Vergabe der Grundstücke. Kaufinteressenten erwerben die Grundstücke erst nach einem einjährigen Anhandgabeverfahren, in dem HafenCity Hamburg GmbH und Käufer das Grundstück gemeinsam beplanen. Erst wenn der obligatorische Architekturwettbewerb, das Baugenehmigungsverfahren und die Kaufvertragsverhandlungen abgeschlossen sind, wird der Vertrag unterzeichnet und die Kaufsumme fällig. Das dialogische Verfahren ist für beide Seiten von Vorteil, unter anderem weil Konfrontationen vermieden werden, die Stadt maximale Planungskontrolle behält und der Käufer erst spät zahlen muss. Das Kaufinteresse belegt die Richtigkeit dieses Weges. Die HafenCity Hamburg GmbH gab vor Kurzem bekannt, dass der Grundstücksverkauf besser als geplant verlaufe und der ursprüngliche Realisierungszeitraum von zwanzig Jahren für das Gesamtprojekt unterschritten werde. Infolgedessen läuft intern bereits die städtebauliche Ausformulierung der östlichen Bereiche.
Wohnen kehrt zurück in die City
Der Erfolg basiert auf der Konzentration auf das Leitthema des innerstädtischen Wohnens und Arbeitens am Wasser. Von fast jedem Gebäude ist der Blick auf die Elbe oder ein Hafenbecken möglich und auch Besucher sind auf den Terrassen und den (noch im Bau befindlichen) Pontonanlagen für einen Museumshafen und eine Marina der Elbe ganz nah. Auch die Abkehr von den monofunktionalen Strukturen der Moderne steigert die Attraktivität. In der HafenCity wurden zum ersten Mal seit langer Zeit in Hamburg wieder Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, Freizeit und Kultur in eine räumliche Nähe gebracht. Freilich könnte die Mischung der Nutzungen noch feiner sein. Warum den Einzelhandel fast vollständig im Überseequartier konzentrieren, statt ihn zu verteilen? Und warum nicht beispielsweise innovative Wohn-Arbeits-Kombinationen planen, wie sie für viele Selbstständige ideal wären? Ein weiterer Paradigmenwechsel kündigt sich gerade an: Der Koalitionsvertrag des neuen schwarz-grünen Senats sieht eine signifikante Erhöhung des Anteils erschwinglicher familienfreundlicher Wohnungen sowie mehr Bauten von Baugemeinschaften und -genossenschaften in der HafenCity vor. Damit wird der schon länger von Stadtplanern und -soziologen geäußerten Kritik Rechnung getragen, dass die Bewohnerstruktur – viele »Dinks« und »Empty Nesters«, wenige Familien – nicht vielschichtig und urban genug sei.
Sehr gezielt werden architektonische, kulturelle und touristische »Leuchtturmprojekte« an entscheidenden Punkten platziert. Bereits der Masterplan sah an der Spitze des Dalmannkais, an den Südufern des Überseequartiers und des Quartiers am Magdeburger Hafen »Standorte besonderer Nutzung« vor – nun entstehen dort die Elbphilharmonie (Herzog & de Meuron), ein Kreuzfahrtterminal (Massimiliano Fuksas), der Neubau für die HafenCity Universität und wahrscheinlich ein Science Center (Rem Koolhaas/OMA). Solche Großprojekte sind wichtig für die Attraktivität der HafenCity, doch entscheidend dafür, ob sich einmal ein funktionierender, lebendiger Stadtteil entwickelt, ist die Frage, ob sich stabile Milieus etablieren werden. Dazu müssen sich Menschen ansiedeln, die hier gerne arbeiten und wohnen, die sich mit ihrem Stadtteil oder Quartier identifizieren und dort engagieren. In letzter Zeit erkennen HafenCity Hamburg GmbH und Stadtentwicklungsbehörde, wie wichtig Impulse für eine Selbstorganisation der Nutzer und Bewohner sind. Um dies zu forcieren, gibt es seit Neuestem regelmäßige Einwohnerversammlungen, ein Anwohner-Internetforum und eine »Stabsstelle zum sozialen Austausch« mit einem fest angestellten Soziologen. Dieser Schritt hin zu mehr Eigenständigkeit zeugt von einem neuen, komplexeren Verständnis von Gouvernementalität, denn im Ergebnis werden die sich bildenden Gemeinschaften Eigendynamik und Autonomie entwickeln, die sich im Einzelfall auch einmal gegen die Planungsautoritäten wendet. Es bleibt spannend zwischen Speicherstadt und Elbe … •
[1] Die Straße Dalmannkai wurde im Juni in »Am Kaiserkai« umbenannt. Das Quartier wird nach wie vor als Dalmannkai bezeichnet. Die Promenade heißt Dalmannkaipromenade.
Weiterführende Links: HafenCity Hamburg GmbH : www.hafencity.com www.hafencity.com www.hafencity.com Stadtentwicklungsbehörde: www.hafencity.com HafenCity-»Speakers Corner« der Bewohner : www.hafencity.com Neueste Nachrichten aus der HafenCity: www.hafencity.com www.hafencity.com
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