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Die Wurzeln der kroatischen Architektur

Möglichkeiten einer Randlage
Die Wurzeln der kroatischen Architektur

Den Auftakt für die kroatische Architektur im 20. Jahrhundert gibt ein symbolkräftiger und in vielerlei Hinsicht richtungweisender Text mit dem Satz: »Die Architektur ist eine Kunst und als solche hat sie individuell und zeitgemäß zu sein.« So beginnt der Otto-Wagner-Schüler Viktor Kovačić – bis heute eine Legende der kroatischen Architektur – seinen Aufsatz: »Die moderne Architektur«, veröffentlicht 1900 in der Zagreber Kulturzeitschrift »Život« (Das Leben). Kovačić verbreitete nicht nur die Thesen seines Lehrers, sondern bekräftigte in Kroatien erstmals den Anspruch der Architektur als eines selbstständigen Bestandteils der Kultur sowie auch das Recht des Architekten auf seine künstlerische Individualität.

Text: Vera Grimmer

Weil die erste Architekturschule in Zagreb erst nach dem Zerfall des Habsburger Reiches 1919 gegründet wurde, studierten kroatische Architekten vorher in Wien, aber auch in Graz, Prag, Dresden, Karlsruhe oder Paris. Dies kam dem offenen und immer zeitgemäßen Charakter der kroatischen Architektur wie auch der internationalen Vernetzung der Architekten zugute. So wurde der Loos-Schüler Zlatko Neumann zum Mitarbeiter seines Lehrers in Wien und Paris und zum »Botschafter« für den Loos’schen »Raumplan« in der Zagreber Architektenschaft. Der an der Wiener Technischen Hochschule ausgebildete Hugo Ehrlich vollendete auf Empfehlung von Adolph Loos dessen berühmte Villa Karma am Genfer See. Drago Ibler, der als Lehrer an der Zagreber Kunstakademie den Durchbruch der Moderne wesentlich beeinflusste, war ein Schüler und Mitarbeiter von Poelzig.
Doch gegen Ende der Zwanzigerjahre wurde der Einfluss Le Corbusiers immer wichtiger. Eine ganze Reihe kroatischer Architekten arbeitete in seinem Atelier: Neumann, Neidhardt, Antolić, Potočcnjak, Weissmann. Ernest Weissmann war aktiver Teilnehmer des CIAM Kongresses im Jahr 1933, wo er einen Gegenvorschlag zur Corbusiers Charta von Athen ausarbeitete.
Alle vorher genannten Architekten waren Protagonisten des Neuen Bauens in Kroatien, wobei man dazu noch einige wesentliche Namen nennen sollte: Planić, Pičman, Albini, Denzler, Perković, Ulrich, Haberle, Löwy, Seissel. Die Architektur der Moderne ist in Zagreb auch heute noch stadtbildprägend, wie Friedrich Achleitner anmerkt: »Überhaupt stellt in Zagreb die neue Architektur ein selbstverständliches Element im urbanen Raum dar, und zwar in einer Dichte, dass man fast geneigt wäre von einer anonymen Architektur der Moderne zu sprechen.« Doch die besten Architekten der dreißiger Jahre hielten sich nicht unbedingt an die Regeln einer orthodoxen Moderne, sondern entwickelten individuelle räumliche und sinnliche Qualitäten, wobei sie auch regionale Bedingungen beachteten, ohne dabei in einen »Nationalstil« zu verfallen.
Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es in jeglicher Hinsicht zu einem Paradigmenwechsel. Die neue, kommunistische Macht stellte an Künstler und besonders an Architekten deutliche Forderungen im Sinne des sowjetischen Modells eines sozialistischen Realismus. Diese Zwangslage, aus der glücklicherweise im Wesentlichen nur einige monumentalistische Wettbewerbsarbeiten geblieben sind, dauerte bis 1948, als es zum Bruch mit der Sowjetunion kam. Schon im Jahre 1951 bildete sich eine avantgardistische Gruppe bildender Künstler und Architekten – »EXAT 51«, vergleichbar mit den progressiven Gruppen der dreißiger Jahre (Zemlja, Zenit). Die wiederhergestellte Kontinuität führt zur Entfaltung eines verfeinerten Modernismus, der neue gesellschaftliche Aufgaben zu lösen hatte. Es ging um den Bau ganzer neuer Stadtteile, wie Neu-Zagreb oder der Stadterweiterung von Split, aber auch um Erneuerungen von im Krieg zerstörten Stadtteilen. Besonders gelungen ist die Erneuerung des Stadtkerns von Zadar, wo auf zeitgemäße Art die Grundordnung der antiken Stadt beachtet wurde.
Gerade die Herausforderung des Bauens in alter Umgebung führte zu radikalen Lösungen deren Qualität bis heute unerreicht ist. Beispiele dafür sind das Haus am Peristyl von Neven Šegvić im römischen Stadtkern von Split oder das Armeeheim (heute Bibliothek) an den mittelalterlichen Stadtmauern in Šibenik von Ivan Vitić.
Diese fruchtbare Zeit brachte auch radikale avantgardistische Projekte von Architekten wie Turina und Richter hervor, gleichbedeutend mit Namen wie Galić, Haberle, Ostrogović, Fabris oder Radić.
Der große Aufschwung der fünfziger und sechziger Jahre verflachte etwas in der nachfolgenden Zeit, obwohl an der adriatischen Küste ein sehr intensiver Hotelbau stattfand. Auch manche individuelle Leistungen (originelle, herausragende Positionen der Architekten Crnković und Magaš, zum Beispiel) haben auch heute noch Bestand.
In den achtziger Jahren verloren die Machtstrukturen an Stärke, was zum Aufstieg eines bürgerlichen Hedonismus führte. Es wurden vermehrt elegante Cafés und besser ausgestattete Geschäfte gebaut, darunter das mit dem Anspruch eines Gesamtkunstwerks behaftete Zagreber »Ban Café« des Architekten Nenad Fabijanić, der mit Perfektion und Einfühlungsvermögen auch einige Platzgestaltungen an der Küste verwirklichte.
Während des Krieges und durch den Wandel des Gesellschaftssystems in den neunziger Jahren hörte zunächst jede Bautätigkeit auf beziehungsweise beschränkte sich auf Interieurs. Die demokratischen Veränderungen im Jahre 2000 brachten die öffentliche Hand wieder ins Baugeschehen. Für Projekte des geförderten Wohnbaus wurden Wettbewerbe ausgeschrieben, wodurch junge Architekten ihre erste Chance bekamen was zu eigenständigen und zeitgemäßen, jedoch auch kontextuellen Lösungen führte.
Der Aufschwung der neuen kroatischen Architektur begann mit dem in vielerlei Hinsicht innovativen Baumax-Gebäude der Architekten Njirić und Njirić im slowenischen Maribor. Mit der Rückkehr zu Themenbereichen und Aufgaben, die der Gemeinschaft dienen sollen, wuchs auch die Qualität und Bedeutung der Arbeiten. Die Architekten zeigen, dass sie über globale Tendenzen sehr wohl informiert sind, sich dabei jedoch um lokalbezogenen Charakter und Identität bemühen. Beispiele dafür sind das Museum für römische Ausgrabungen der antiken Stadt Narona, das Goran Rako als einen Teil der karstigen Topografie gestaltete, während die Architekten Randić und Turato aus Rijeka die Strukturen der mittelalterlichen Stadt Krk in die Beschaffenheit ihrer Schule einbezogen; oder aber das Team 3LHD mit der Gedächtnisbrücke in Rijeka (siehe db 5/2003), die sie als ein Produkt der dortigen Werft gestalteten. •
Die Autorin ist Architektin, Kuratorin und Redakteurin der Zeitschrift »Oris« in Zagreb.
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