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Erweiterung von St. Peter in Wenzenbach
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Auch das gibt es: Eine ländliche Kirchengemeinde wächst und braucht mehr Platz für ihre Gottesdienste und Kirchenfeste. Mit einem einfachen, im Detail allerdings komplexen »Dreh« der Kirchenausrichtung um neunzig Grad erreichten die Architekten eine überzeugende Einheit von Alt und Neu.

This also is possible: A country parish expands and needs more space for church services and events. Though complex in realization, a simple turn of the church axis through ninety degrees allowed the architects to achieve a convincing unity of old and new.

Text: Ursula Baus
Fotos: Peter Manev

Jedem fallen sie auf: Seit Jahren zerstören gerade in ländlichen Bereichen aberwitzige neue Einfamilienhausgebiete die Landschaft direkt und die Dörfer indirekt, weil sich um gewachsene Ortskerne niemand mehr kümmert. Da rümpften wir einst die Nase über die Aktion »Unser Dorf soll schöner werden«, weil die Verhübschung der Dorfmitten ziemlich oft übers Ziel hinaus schoss. Aber welch ein Segen, dass man noch um die Bedeutung des Dorfkerns wusste und ihn deswegen auch pflegte. Der Raubbau an der Restnatur durch die Einfamilienhausgebiete wächst indes zu einer Katastrophe: Inzwischen geht es in vielen Orten nicht mehr darum, die Kirche im Dorf, sondern darum, das Dorf bei der Kirche zu lassen. Im bayerischen Wenzenbach – nur wenige Kilometer von Regensburg entfernt – ging es um nichts anderes. Auch hier verkleckern abstruse Wohnhäuser vom Ortsrand aus die Umgebung, wohin prompt auch ein Supermarkt folgte. Immerhin wächst die Gemeinde, so dass die Kirche – schon um 1900 spätgotisch erweitert – noch einmal vergrößert werden musste. Die Pfarrkirche St. Peter steht an der Hauptstraße, kurz oberhalb einer Biegung mit leichter Steigung, zwischen einem schmucken Altbau links und einem Gasthaus, Garten und Baum rechts – eine klassische Dorfsituation. Genau diese räumliche Figur wollten Brückner & Brückner nicht nur erhalten, sondern stärken.
Und natürlich wollte auch der Ortspfarrer den Umbau für eine liturgisch relevante Verbesserung des Kirchenraums nutzen. Was nun bereits vor Jahrhunderten bei (Alt-) St. Peter in Rom als erfolgreicher »Trick« half, bewährte sich auch bei St. Peter in Wenzenbach: Die Ausrichtung der Kirche wurde um neunzig Grad gedreht; das einstige Hauptschiff dient nun an der Haupteingangsseite als recht niedriger Vorraum, über dem die Empore des neuen Kirchenschiffs liegt. Von diesem Vorraum aus führen zentrierte Achsen rechts in das verkürzte alte Hauptschiff zur »Werktagskirche«, links in die Nebenräume, geradeaus aber in den neuen Hauptkirchenraum. Gerichtet ist dieser Raum durchaus noch, aber seine ausladende Breite und die leicht zueinander gestellten, zugleich auf den Altar bezogenen Sitzreihen bewirken ein anderes Gemeinschaftsbewusstsein als im üblichen, ausschließlich auf den Altarraum ausgerichteten Schema. Die Dachkonstruktion gleicht einem umgedrehten Schiffsbug: Holzbalken treffen an einem geschwungenen First zusammen, Richtung und Ausweitung sind auch in die Konstruktion übersetzt.
Eingenommen wird man jedoch nicht in erster Linie von der Raumform, sondern von einem allgegenwärtigen Blau: Etwa bis auf eine Höhe von zweieinhalb Metern reicht eine blau gestrichene, geschlossene Wand, darüber bis zur Decke umfasst ein transluzentes Band aus blau bedrucktem Glas den Raum – außen ist diese Horizontalgliederung nur abzulesen, wenn es dunkel und die Innenbeleuchtung eingeschaltet ist. Denn die äußere Hülle besteht durchlaufend und als homogene Fläche aus vertikalen Lärchenholzlamellen; sie umschließt die Giebelseite der alten Kirche gleich mit und betont dort das Konzept, eine neue Einheit der Anlage nicht zu kurz kommen zu lassen. Alt und Neu sind hier nicht als Kontrast, sondern als Kontinuität inszeniert. An einer Stelle tritt der Umbau jedoch auch krass in Erscheinung: Auf der Hauptstraßenseite ragen zwei kräftige Kuben aus dem Baukörper des Altbaus heraus, mit Blech bekleidet, hart und fast ein bisschen brutal bezeichnen sie den Haupteingang.
Dorfräumlich gewinnt Wenzenbach einen Kern zurück. Doch Ungemach droht: Ein Bauschild kündet davon, dass der rechts anschließende Gasthof einem Wohnkomplex weichen solle – der möge den Wenzenbachern erspart bleiben. Fände sich ein Gastronom, der den alten Gasthof auch in seiner sozialen Funktion wieder beleben könnte – das wäre eine ideale Ergänzung des Dorfkerns. U. B.
Bauherr: Katholische Kirchenstiftung Wenzenbach Architekten: Brückner & Brückner, Tirschenreuth Mitarbeiter: Robert Reith , Christine Kreger , Martina Fischer Tragwerksplaner: Ingenieurbüro Graf, Regensburg Haustechnik: Ing.-Büro Scholz, Regensburg Lichtplanung : Ing.-Büro Schicho, Regensburg Nutzfläche: 580 m2 Bruttorauminhalt (inkl. Turm): 9400 m3 Baukosten: 2,6 Mio. Euro Fertigstellung : Juli 2003
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