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Monolithischer Prototyp

Beton im Besonderen: Gespräch mit Matthias Bauer zum Projekt H36 aus Dämmbeton in Stuttgart
Monolithischer Prototyp

Auch in unseren Breitengraden ist es möglich, eine Gebäudehülle, bis hin zu den geneigten Dachflächen, mit einschaligem Dämmbeton zu realisieren. Welche Chancen aber auch Herausforderungen sich aus dieser Bauweise bei seinem Projekt H36 in Stuttgart ergaben, darüber sprachen wir mit Architekt Matthias Bauer.

  • Architekten: MBA/S, Matthias Bauer Associates Tragwerksplanung: RFR Group
  • Interview: Ulrike Kunkel und Martin Höchst Fotos: Roland Halbe, MBA/S, TECHNOpor Dämmbeton
db: Herr Bauer, was stand am Anfang des Projekts: die Idee, einen monolithischen Baukörper zu realisieren, oder der Materialeinsatz?
Matthias Bauer: In meiner Architekturvorstellung ist der Materialgedanke ganz sicher einer der wesentlichen, und insofern hat mich beim Entwurf dieses Hauses tatsächlich die Suche nach dem Baumaterial umgetrieben: Was ist denn heute eigentlich ein zeitgemäßes und v. a. wohnklimatisch optimales Baumaterial? Letztlich stieß ich auf die Möglichkeiten und Eigenschaften des Dämmbetons, die in den letzten fünf bis zehn Jahren stetig weiterentwickelt wurden. Die Idee, leichte Zuschläge im Beton zu verwenden, ist ja an sich nicht neu, doch sind im Besonderen die energetischen Qualitäten des Dämmbetons derart verbessert worden, dass damit zeitgemäß gebaut werden kann.
Welche Hauptanforderung stellten Sie an das Material?
Der ideale Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsausgleich eines alten Steinhauses diente uns als Vorbild. Mit einschalig monolithisch gegossenem Dämmbeton können wir raumklimatisch ein vergleichbares Ergebnis erzielen. Im Weiteren spielte natürlich die Frage mit hinein: Welche Möglichkeiten bietet das Material architektonisch, formal, skulptural? Diese deckten sich wiederum gut mit den Anforderungen, die sich aus dem Ort – u. a. der extremen Hanglage und der Nordausrichtung des Grundstücks – ergaben. Beides erfordert sowohl eine schützende als auch eine sich öffnende Gebäudehülle.
Im Planungsprozess gab es zwischenzeitlich die Überlegung eine Massivholzkonstruktion zu wählen, warum wurde das wieder verworfen?
Ja, Holz ist in der Tat das zweite Material, das mich sehr interessiert. Die alternativ überlegte Massivholzhülle stellte sich jedoch als zu aufwendig heraus, auch in Bezug auf die Statik.
Die Entwurfs- und Realisierungsphase hat sich relativ lange hingezogen. Hatte das materialspezifische Gründe? Oder woran hakte es?
Dass die Umsetzung so lange gedauert hat, ist hauptsächlich auf planungsrechtliche Gründe zurückzuführen; z. B. dass das Grundstück noch nicht erschlossen war. Die Zeit, in der die Baugenehmigung angepasst werden musste, konnten wir allerdings gut nutzen, um den Entwurf und das Material für unseren Einsatz zu optimieren.
Durch was zeichnet sich das bei H36 verwendete Material im Vergleich zu bereits anderweitig verbautem Dämmbeton aus?
Wir benötigten neben sehr guten Wärmedämmwerten auch eine leistungsfähige, konstruktive Qualität des Betons, z. B. für Auskragungen und die Überspannung der Dachflächen. Bei den meisten Dämmbetonprojekten wird der Beton fast nur zur vertikalen Lastabtragung gebraucht.
Sie sprachen baurechtliche Vorgaben an. Mit welchen Vorschriften mussten Sie umgehen?
Der bestehende Bebauungsplan sah ein Baufenster vor, das unserer Meinung nach nicht sinnvoll positioniert war und ohne Nachteile verbessert werden konnte. Daran haben wir mit dem Baurechtsamt lange gearbeitet; was letztlich ganz pragmatisch zu einem leichten Abrücken des Baufelds vom östlichen Nachbargebäude führte.
Wie sah es mit der baulichen Ausnutzung des steilen Hanggrundstücks aus?
Wir durften nur ein Vollgeschoss bauen. Das sieht man dem Haus nicht unbedingt an, gerade auch, wenn man bedenkt, dass wir über 300 m² Fläche erreicht haben. Dazu war eine intensive Auseinandersetzung mit den baurechtlichen Festlegungen des sogenannten Garten- und auch des Dachgeschosses nötig, die jeweils, trotz gut nutzbaren Raums, nicht als Vollgeschosse gelten durften.
Der Bebauungsplan sah ein Satteldach vor, dass haben Sie letztlich, leicht modifiziert, auch realisiert.
Stimmt. Dennoch leitete uns beim Entwurf lange der Wunsch nach einem Flachdach, das aber nur durch einen völligen Verzicht auf das obere Stockwerk möglich und dennoch genehmigungsrechtlich unsicher gewesen wäre. So arbeiteten wir mit dem komplexen Thema der »Höhe über Grund«, bei dem jede Positionsveränderung zu anderen Bedingungen und so zu einer Vielzahl von möglichen Entwurfsvarianten führt. Dazu haben wir etliche Konzepte in Zeichnungen und Modellen studiert.
Welche Prioritäten setzten Sie bei Ihrer Entwurfsarbeit?
Wir haben v. a. mit den vier Eckpunkten der Dachkanten gearbeitet: die eine ein bisschen höher, die andere dafür etwas tiefer, damit es im Mittel noch akzeptabel ist. Das so entwickelte Volumen musste in Abstimmung mit den jeweiligen innenräumlichen Konsequenzen eine gute Nutzbarkeit gewährleisten – recht bodenständig und schwäbisch also.
Bodenständig kommt einem bei der Betrachtung des Hauses eigentlich nicht gerade in den Sinn …
Das Haus ist von der Geometrie her denkbar einfach und im Grunde nichts anderes als ein Haus vom Nikolaus von 10 x 12 m mit einem Giebeldach. Doch durch ein paar Kniffe bekommt man neue Möglichkeiten, die aber nicht formale Spielerei, sondern alle begründet sind. So fügen sich die Dinge am Schluss ganz selbstverständlich, eben so, wie das gute Architektur leistet.
Hatten Sie zuvor bereits Projekte mit Dämmbeton umgesetzt oder haben Sie auf andere Referenzen zurückgegriffen?
Wir hatten zuvor noch kein Gebäude in diesem Material realisiert. In der Schweiz gibt es jedoch viele Häuser aus Dämmbeton, die auch architektonisch anspruchsvoll sind. Darauf konnten wir aufbauen.
Inwiefern hat Sie der Dämmbetonhersteller beim Projekt unterstützt?
Da es in Deutschland bisher kaum vergleichbare Gebäude gibt und H36 somit durchaus prototypischen Charakter hat, begleitete der Hersteller die Planungs- und Bauarbeiten beratend.
In Anbetracht der z. T. recht komplexen Geometrie, der integrierten Leitungsführungen und der beidseitigen Sichtbetonoberflächen, wie gelang es Ihnen, eine qualifizierte Firma zu finden?
Wir haben die Arbeiten ganz konventionell ausgeschrieben und vergeben. Die letztlich beauftragte Firma hatte bereits einen Skatepark realisiert und damit bewiesen, dass sie mit komplexen Geometrien in Ortbeton umgehen kann. Zudem wählten wir weder das günstigste noch das teuerste Angebot. ›
Es ist wichtig, solch ein Projekt engmaschig zu begleiten und zu kontrollieren?
Die Phase des Betonierens ist wirkliches Bauhandwerk, das den Bauleuten schon einiges abverlangt aber letztlich viel Freude bereitet hat. Ganz einfach war der Weg dahin freilich nicht. Leute, die Tags zuvor noch eine Tiefgarage ohne Anspruch an die Oberflächen betoniert hatten, sollen dann so ein Haus bauen. Da nützt es nichts, wenn man dreimal etwas sagt oder schriftlich anmahnt, man muss sie für das Projekt gewinnen, und wir haben auch selbst viele Tage auf der Baustelle verbracht.
Wie kam es zur Entscheidung der Schalung mit sägerauen Fichtenbrettern? Sie führt ja zu einer recht rauen Oberfläche.
Es handelt sich um ein einfaches Haus aus robusten Materialien und einem reduzierten Materialkanon. Der Aufwand, in Ortbeton zu schalen, ist da ohnehin schon groß. Wir wollten eine Oberfläche erzeugen, die eine, den Materialeigenschaften entsprechende Robustheit zeigt. Ich war zudem daran interessiert, das horizontale Schichten des Entstehungsprozesses auszudrücken. Dieses zieht sich jetzt komplett über Boden-Wand-Dach, innen und außen. Was auch bildlich ausdrückt, dass die Hülle in Schichten gewachsen und nicht aus Teilen gefügt ist.
Welche materialbedingten Besonderheiten des Dämmbetons zeigen sich an den Oberflächen?
Durch den hohen Luftporenanteil bleiben an der Oberfläche die sogenannten Lunker. Das ist ein ganz typisches Bild für das Material, ihr Anteil ist i. d. R. höher als bei »normalem« Beton. Wenn man dann noch mit der säge- rauen Struktur arbeitet, dann erwecke ich geradezu eine Wirkung wie bei Naturstein.
Wie haben Sie die Rezeptur gefunden? Welche Zuschläge haben Sie gewählt und warum? Wurden Musterungen gemacht?
Wir könnten mal in unseren Keller gehen, da haben wir stapelweise Musterplatten. Wir haben z. B. stark mit der Farbe experimentiert. Zum Schluss gab es einen geringen Zuschlag von Weißpigment, der dazu führt, dass die Oberflächen eine silbrige Note bekommen. Wir haben jeweils geprüft, wie sich die Zuschläge auf die statischen Eigenschaften und die Wärmedämmqualität auswirken. Auch wurde mit der Korngröße und Sieblinie des Zuschlagstoffs Glasschaum gearbeitet und dann in zwei Teilbereichen angepasste Mischungen eingesetzt. An einer Probewand konnten wir außerdem die Bohrungen der runden Fensteröffnungen und auch das Verdichten des Betons ausprobieren.
Sogar das Verdichten der Betonmischung in der Schalung wurde getestet?
Die Mischung ist extrem leicht und damit entsprechend klebrig an der Schalung anhaftend wenn man nicht senkrecht betoniert. Wir verwenden für die ideale Konsistenz den Vergleich mit Erdbeeren in Sahne, das konnte sich jeder vorstellen und die Mischung beurteilen.
Ist der Dämmbeton wesentlich leichter als ein herkömmlicher?
Herkömmlich eingesetzter Beton wiegt um die 2 t oder mehr pro m³, unser Dämmbeton liegt bei etwa 950 kg pro m³ und ist ein ingenieurmäßig und energetisch optimierter Baustoff. Er leistet konstruktiv das Erforderliche und zusätzlich die gesamte Dämmung. Die ökologischen und wohnklimatischen Vorteile sind ausschlaggebend. Die Entwicklung geht natürlich weiter; momentan können wir mit einem nochmal deutlich verbesserten Lambda-Wert bereits wieder eine höhere Dämmwirkung erzielen als noch vor einigen Jahren.
Wie gingen Sie bei der Errichtung der geneigten einschaligen Dachflächen vor?
Wir haben zunächst die Unterschalung gebaut und dann das zähflüssige Betongemisch wie bei einem Lehmbau verteilt. Danach haben wir abschnittsweise die Außenschalung aufgebracht und immer nur den jeweiligen Abschnitt befüllt. Auf die Art ist man dann sukzessive nach oben gewandert. Es war wirklich eine große Freude zu sehen, dass sich der Schalungsabdruck auch auf der Dachfläche so deutlich abzeichnet, und das, obwohl kaum Betonierdruck vorhanden war.
Die Gebäudehülle wurde im Winter betoniert, welche Auswirkungen hatte das?
Die Schwierigkeit besteht darin, dass dieser Beton in der Schalung mehr Wärme als Normalbeton entwickelt und wenn es nachts sehr kalt wird, kann das zu Problemen am Übergang zur kalten Bewehrung führen. Man kann dann z. B. Planen und Gebläse einsetzen.
Gibt es Besonderheiten bei der Heizung bzw. Kühlung des monolithischen Gebäudes?
Wir haben eine Fußbodenheizung in den Stahlbetondecken eingebaut, versorgt von einer Wärmepumpe und von Erdsonden. Eine Besonderheit stellt allerdings die Bauteilaktivierung der massiven Dachflächen aus Dämmbeton dar. Diese dient jedoch lediglich der Absenkung der Bauteiltemperatur bei anhaltenden Temperaturspitzen im Hochsommer. Dafür wird Wasser aus dem Kellerspeicher, ohne dass es extra gekühlt werden müsste, durch die eingelegten Wasserleitungen geführt.
Die massive Gebäudehülle federt Temperaturschwankungen doch eigentlich sehr gut ab, warum kommt es dennoch zu recht hohen Innenraumtemperaturen?
Da wir sehr große Glasfläche einsetzt haben, v. a. an der Westfassade und auf dem Dach, steigt die gesamte Wärme über den durchgängigen Luftraum nach oben. Die innenliegende Verschattung bringt dank ihrer Bedampfung 30 % der Wirkung eines außenliegenden Sonnenschutzes. Zudem gibt es die Möglichkeit, ein großes Sonnensegel vor der Westfassade auszufahren. Auf die Weise kommt das Gebäude ohne Klimaanlage aus. Wir haben das mit Transsolar durchgerechnet und simuliert.
Werden die positiven Eigenschaften des Dämmbetons nicht beeinträchtigt, wenn neben der Bewehrung auch teilweise die technische Installation in der 45 cm dicken Gebäudehülle untergebracht wird?
Das ist eine interessante Frage. Doch im Verhältnis zur Masse des Dämmbetons, ist der negative Einfluss so gering, dass er fast zu vernachlässigen ist. Manche Systeme verwenden eine Fiberglasbewehrung, das war aber gar nicht erforderlich und ist zudem recht teuer. ›
Verfolgen Sie die energetischen Eigenschaften des bewohnten Gebäudes weiter?
Ja, die statischen und dynamischen Berechnungen sowie die Erfahrungswerte von Vergleichsbauten lassen erwarten, dass der Energieverbrauch sogar niedriger sein wird als im Rahmen der EnEV-Nachweise berechnet. Wir verfolgen das zusammen mit Transsolar im laufenden Betrieb des Gebäudes. Es gilt natürlich, die erforderlichen Werte der EnEV nach Möglichkeit sogar zu übertreffen. Die Verbrauchswerte des Hauses liegen nicht weit entfernt von einem Passivhaus. Zudem liegt das Wohlfühltemperaturniveau erfahrungsgemäß um ein bis zwei Grad niedriger als bei konventioneller Bauweise.
Nun hat der Dämmbeton ja nachweislich viele Vorteile und es ist bestechend, damit zu entwerfen. Dennoch wird er relativ wenig eingesetzt. Woran liegt das Ihrer Meinung nach?
Der Baustoff erfordert aufgrund dessen, dass er bisher nicht so oft eingesetzt wurde, einen erhöhten Planungsaufwand und ein Team aus Experten. In heutigen Bauprozessen sind neue Erkenntnisse nicht immer leicht umzusetzen. Ich halte es aber für eine ganzheitliche und daher sinnvolle Bauweise. Zurzeit arbeiten wir bereits an zwei Nachfolgeprojekten und sehen viel Potenzial, besonders auch bei großen öffentlichen Gebäuden und im mehrgeschossigen Wohnungsbau.
Beim Projekt H36 bestehen selbst die Dachflächen lediglich aus einer Dämmbetonschicht. Kann man das als kalkuliertes Risiko bezeichnen?
In der Regel hat Beton zwar immer Oberflächenrisse, auch der sehr elastische Dämmbeton. Die Wassereindringtiefe ist aber aufgrund der Kapilarität des Systems geringer als bei Normalbeton und Feuchtigkeit kann ggf. auch wieder ausdiffundieren. Die Offenheit im System ist letztendlich auch sein Vorteil. Die Dachfläche als solche ist dicht. Schwierig sind wie immer Übergänge und Andichtungen außen bündiger Verglasungen. Das erfordert sorgfältige Ausführung und Auswahl der Andichtungsmaterialien.
Wie sieht es mit der Haltbarkeit der recht großporigen Oberflächen aus?
Es ist eine Hydrophobierung aufgebracht worden, was an den vertikalen Wänden nicht hätte sein müssen, an den relativ flach geneigten Dachflächen hingegen schon. Die Oberfläche ist damit wasserabweisend, in die weiche und natürlich poröse Oberfläche dringt so gut wie kein Wasser ein.
Also besteht auch nicht das Risiko von Abplatzungen durch gefrierendes Wasser?
Das Elastizitätsmodul dieses Betons ist um ein vielfaches höher als von Normalbeton, und durch die hohe Porosität und die Lunker besteht immer genügend Ausdehnungsraum für gefrierendes Wasser. Dennoch wird sich zeigen, wie sich die Oberfläche verändert. Das ist wie bei einer Natursteinwand auch.
Die alles bestimmende Betonhülle zeigt je nach Fassade ganz unterschiedliche Öffnungsanteile. Woran haben Sie sich beim Entwurf orientiert?
Wir haben gegenüber dem Nachbarn im Osten und zur Straße hin einen geschlossenen und somit geschützten Innenbereich ausgebildet. Zum privaten Freiraum nach Westen und zur Stadt nach Norden hin öffnet sich das Haus. Der Glasstreifen, der sich von den Kinderzimmern im Norden zur Westseite hochzieht und anschließend hinter der Küche entlang bis zum Eingangsbereich führt, zeigt dieses Spiel von Geborgenheit und Offenheit.
Wie tragen die verschiedenen Fensterarten zur Qualität des Innenraums bei?
Zum einen gibt es die großen Öffnungen, durch die innen und außen miteinander verschmelzen. Hierzu stehen die massiven Bereiche mit ihrer angenehmen, handwarmen Haptik im spannungsreichen Kontrast. Zum anderen haben wir gelenkt inszenierte Blicke durch die Bullaugen gen Himmel und in die Stadt. Diese verhältnismäßig kleinen Öffnungen mit 40 cm Ø wurden gebohrt, weil das bei dem weichen Material viel einfacher geht als sie zu schalen. Es war uns wichtig, dass sie eng beieinander liegen und »Licht-Felder« ausbilden.
Die Bullaugen scheinen nicht durchgängig die gleichen Abmessungen zu haben. Täuscht das?
Wir haben alle Löcher in der gleichen Größe gebohrt, nur bei denen, die festverglast sind, kommt außen noch der bereits in der Schalung berücksichtigte Rücksprung fürs Glas dazu; und bei den innen wandbündigen Öffnungselementen aus Holz sitzt der Rücksprung innen. Dadurch entstehen zwei unterschiedliche Ansichtsgrößen. Das ist ein Aspekt in der Wahrnehmung, den man erst beim Näherkommen bemerkt.
Analog zum Dämmbeton haben Sie Holz ebenfalls außen und innen eingesetzt. Ist es überall die gleiche Holzart?
Ja, wir haben innen wie außen massives Holz, sehr hartes Sipo-Mahagoni aus zertifiziertem, nachhaltigen Anbau, verwendet. Es hat interessanterweise beinah dieselbe Dichte wie der Dämmbeton. Die Böden sind daraus, die Laibungen, auf denen man sitzen kann, die öffenbaren Elemente der Fassade und die 4 cm Massivstufen der »schwebenden« Treppe.
Sie meinen die Treppe hinauf zum DG?
Ja, hier ist uns ein sehr schönes Ergebnis gelungen. Es war nicht einfach zu berechnen, wie stark die Treppe schwingen würde. Und sie sollte ja schwingen, aber eben nicht zu sehr. Es ist in der Tat ein ganz anderes Treppensteigen; und jeder, der sie ein paar Mal gegangen ist, gewöhnt sich einen bewussten und behutsamen Gang an.
Neben Beton, Glas und Holz wird der Innenraum von Mineralwerkstoff geprägt. Fanden Sie seine dem Beton ähnliche Gestaltbarkeit reizvoll?
Wir haben den Mineralwerkstoff vielfältig eingesetzt, da er diese schöne Qualität besitzt, dass er werkseitig vorgeformt und fugenlos eingebracht werden kann. Auch im Badbereich mit der abgesenkten Badewanne wollten wir diese durchgehende Materialität ohne Fugen – wie bei der Hülle. Zudem haben wir nach einem Material gesucht, mit dem wir sehr präzise arbeiten konnten. Die hohe Präzision des Rohbaus hat sich auf den gesamten Ausbau positiv ausgewirkt.
Was müsste ihrer Meinung nach geschehen, um die Entwicklung von Dämmbeton weiter voran zu bringen?
Ich denke, wenn man in Deutschland erste größere Projekte realisiert hat, wird sich das schon positiv auswirken. Bei einem Einfamilienhaus reicht einfach die Menge nicht aus, um einen Baustoff zur Zertifizierung und zum Massenprodukt zu bringen. Also muss man bisher immer im Einzelfall überzeugen und handeln. Und das gilt für alle Projektbeteiligten. Man braucht entsprechende Statiker, Baufirmen und v. a. Bauherren! Alle müssen in besonderem Maße hinter dem Projekt stehen. Aber ich kann sagen: Bei uns steht die Kette, wir können Dämmbeton-Projekte realisieren. In Süddeutschland sowieso, aber auch international. Der Dämmbeton wird nicht das Bauen revolutionieren, aber ich glaube, jedes Haus, das nicht mit Plastik eingehüllt wird, ist schon ein Gewinn. •
Herr Bauer, vielen Dank für das Gespräch.
Das Interview führten Ulrike Kunkel und Martin Höchst am 4. April in Stuttgart.
Standort: Stuttgart Bauherr : Privat Architekten: MBA/S, Matthias Bauer Associates, Stuttgart Projektteam: Matthias Bauer, Björn Sippel, Sabine Schneider, Martin Blank, Wulf Kramer, Walker Stone, Aidas Barzda, Christian Mayer, Thomas Krause Tragwerksplanung: RFR Group, Stuttgart Technische Gebäudeausrüstung: Schöllhammer Energie-Systeme, Bad Urach Fassadenberatung und Bauphysik: VS-A, Robert-Jan van Santen Energieberatung: TransSolar Energietechnik, Stuttgart Landschaftsarchitekten: Glück Landschaftsarchitektur, Stuttgart Wohn- und Nutzfläche: 360 m² BRI: 1 420 m³ Fertigstellung: 2014 Energiebedarf: 34 kWh/(m²a)
Beteiligte Firmen: Dämmbeton: TECHNOpor, Krems, www.technopor.com Betonwerk: TBR Stuttgart, www.transportbetonring.de Stahl/Glasfassade: MBM Konstruktionen, Möckmühl, www.mbm-konstruktionen.de
1 Dämmbetonwand 2 Polyurethandämmung mit Kaschierung 3 Sipo-Mahagoni Massivholz 4 Edelstahl-U-Profi mit Aussparungen für Polyurethan-Quellband 5 Dreifachverglasung mit Kryptofüllung

Technik aktuell (S. 70)
MBA/S
Matthias Bauer
1962 in Stuttgart geboren. 1992 Diplom in Stuttgart. 1993 und 1995-98 Mitarbeit bei O.M.A.. 1994-95 Mitarbeit bei Brunet & Saunier Architectes, Paris. Seit 1997 eigenes Büro in Rotterdam, seit 1999 in Stuttgart. 1999-2005 wiss. Assistenz an der Universität Stuttgart.
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