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Schwungvoll überdachte Eisschlange

Überdachung der Rennschlittenbahn in Oberhof mit Holzschalen-Elementen
Schwungvoll überdachte Eisschlange

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Die Rennschlittenbahn in Oberhof, einem Erholungsort im Thüringer Wald, wurde 1971 errichtet und 2004 erstmals generalsaniert. Im Zuge des Umbaus und der Modernisierung erhielt die neue Bahnschale 2021 auch eine neue Überdachung aus Holzschalen-Elementen, jedes ein Unikat. Planung und Fertigung bewältigten diese außergewöhnliche Bauaufgabe trotz vieler Herausforderungen mit Bravour, wie das Ergebnis zeigt.

~Susanne Jacob-Freitag,
Baufachjournalistin
~Josef Trabert,
Tragwerksplaner
~Kilian Busch, Projektleiter
ZÜBLIN Timber GmbHWeitere Informationen:
www.zueblin-timber.com

Im Januar 2023 war Thüringens Wintersporthochburg Oberhof zum vierten Mal Gastgeber der Rennrodel-Weltmeisterschaft. In Vorbereitung darauf sanierte der Zweckverband Thüringer Wintersportzentrum die Rennschlittenbahn, die 1971 errichtet und 2004 erstmals generalsaniert worden war. Neben der grundlegenden Erneuerung der Gebäude, des Haupteingangs sowie des Zielbereichs erhielt auch die aus Stahlbeton-Segmenten zusammengesetzte Bahnschale eine neue Überdachung aus frei geformten Holzschalenkonstruktionen.

Ursprünglich war die in Oberhof als »Eisschlange« bezeichnete Bahn zu 75 % mit Elementen aus Stahl überdacht und erfüllte in großen Bereichen nicht mehr die Anforderungen an den Betrieb einer Rodelbahn. Die Stahlkonstruktion verursachte zudem Kondensat und damit Tropfwasser, was die Qualität der Bahn stark beeinträchtigte. Die neue Holzkonstruktion reduziert das künftig auf ein verträgliches Minimum.

Anforderungen in Holzbauelemente übersetzen

Die Rennschlittenbahn hat eine maximale Wettkampflänge von 1 070 m und eine Gesamtlänge von 1 354,50 m. Dabei überbrückt sie einen Höhenunterschied von etwa 96 m, hat 14 Kurven sowie eine weitere, nach der Generalsanierung 2004 hinzugefügte Kurve im Auslauf nach dem Ziel.

Die beauftragten Büros sprachen sich bereits im Rahmen des VOF-Verfahrens für eine Ausführung der neuen Überdachungen in Holz mit relativ weit gespannten Bereichen aus. Im Pflichtenheft standen außerdem der Schutz vor (Schlag-)Regen, Schnee, Wind und Sonne. Neben der Minimierung der erwähnten Kondenswasserbildung hatte die Überdachung auch die Minimierung der Kälteabstrahlung beim Eisherstellen und bei der Nutzung zu gewährleisten, und nicht zuletzt eine maximale Sichtfreiheit für die Zuschauer und die TV-Übertragung während der Wettkämpfe. Und zu guter Letzt sollte sie ansprechend gestaltet sein. Weitere Randbedingungen ergaben sich aus der begrenzten Zeit für die Montage auf der Baustelle u. a. auch deshalb, weil während der Bauzeit Einzelwettkämpfe möglich sein sollten.

Bereits bei den ersten Entwürfen zeichnete sich ab, dass es sinnvoll ist, die dynamische Form der Bahnschale in eine formgleiche Tragwerksstruktur mit Schalenwirkung zu überführen. So wie die Form der Bahnschale durch die physikalischen Gesetze der Fahrdynamik bestimmt wird, folgt nun die Form der Dachschale den Prinzipien der Statik. Entgegen dem ursprünglichen Wunsch nach einer reinen Holzkonstruktion entschieden sich die Tragwerksplaner – nicht zuletzt auch wegen der Montagebedingungen – für eine hybride Ausführung der Schalenelemente aus Holz und Stahl.

Klar war auch, dass die kurze Bauzeit bzw. die sehr kurzen Montagezeiträume einen hohen Vorfertigungsgrad der Elemente erforderlich machten, denn der Zusammenbau konnte nur innerhalb der trainings- und wettkampffreien Zeit zwischen März und September erfolgen.

Umfangreiche Vorarbeiten für die ElementeFertigung

Die Vorfertigung der einzelnen Abschnitte der Bahnüberdachung erfolgte vollständig im Werk. Da die Grundgeometrie der Schalenflächen Freiformflächen sind, hat jedes Einzelelement eine andere Geometrie. Wie bei allen Bauwerken mit Freiformflächen waren die Anforderungen an die Planung und Fertigung der Konstruktion entsprechend komplex: angefangen bei der minutiösen Vorplanung, damit die Elemente nach der Vorfertigung sowohl in sich als auch im Gesamten zusammenpassen, bis hin zur Fertigung der Schottbögen per Roboter, der Verklebung und dem Abbund der bis zu fünflagigen und zum Teil doppelt gekrümmten Baufurniersperrholz(BFU)-Schale und schließlich dem Einbau der Stahlteile für die Kopplung der Elemente auf der Baustelle.

Die Dachschalen erhielten unterseitig, also in den Sichtbereichen, noch eine Bekleidung aus Lärchenholzlamellen mit einer Sichtfuge von 2 cm zwischen den Elementen. Schindeln aus eloxiertem Alublech auf Konterlattung und wasserdichtem Unterdach bilden die Dacheindeckung, die jedoch erst auf der Baustelle aufgebracht wurde. Alle Elemente erhielten zudem eine Blende am Dachrand, die die Rollos für die Verschattung und den Witterungsschutz aufnehmen und abdecken.

Präzises, zwängungs- und verkantungsfreies Fügen

Rundum verpackt wurden die knapp 300 Dachschalen-Elemente mit einer Einzelfläche von bis zu 18 m² zur Baustelle gebracht. Die große Zahl an Unikaten des 4 500 m² großen Dachtragwerks war nicht zuletzt auch eine organisatorische und logistische Herausforderung. Durch die topografischen Gegebenheiten waren die Platzverhältnisse an der Rodelbahn sehr beengt. Die Bahn selbst war für große Transportgeräte nicht befahrbar. So war das Entladen der Elemente nur an einigen wenigen erreichbaren Stellen möglich. Danach mussten sie einzeln per Radbagger zu ihrem Einbauort transportiert werden.

Die Dachschalen wurden zunächst über einen direkt an der Rodelbahn platzierten Kran an die richtige Position gehoben und so justiert, dass sie exakt montiert werden konnten. Zur Positionierung der Elemente, wurde der »Kranbalancierer« TW-Balance eingesetzt. Dieser ermöglichte es, Kranlasten bis zu 5 t mit hoher Präzision und großer Effizienz an den jeweiligen Stellen abzusetzen, die Dachelemente exakt in die richtige Neigung zu bringen und anzuschließen. Das war von elementarer Bedeutung, da ein Fehler bei der Justierung Konsequenzen für alle Folge-Elemente gehabt hätte. Selbst geringe Differenzmaße zwischen Neubau und Bestand im Bereich von 30 bis 50 mm konnten geplant und die Übergänge auf der Baustelle problemlos ausgeführt werden. Die intensive Zusammenarbeit zwischen Planungs-, Ausführungs- aber auch dem Montagebetrieb samt neuester Maschinentechnik ermöglichte erst das perfekte Ergebnis.

Bahn frei für die Rennrodel-WM 2023

Nach Fertigstellung der Überdachung zeigt sich die Anlage weitestgehend stützenfrei. Damit erfüllt sie die modernsten Ansprüche und den Wunsch des Bauherrn nach maximaler Sichtfreiheit. Die erste offizielle Gelegenheit, die rundum erneuerte Rennschlittenbahn zu testen, bot die Weltmeisterschaft im Januar.


  • Projekt: Umbau, Modernisierung Rennschlittenbahn, 98559 Oberhof

Bauherr: Zweckverband Thüringer Wintersportzentrum Oberhof

Architekten: HSP HOFFMANN.SEIFERT.PARTNER architekten ingenieure, Suhl

Tragwerksplanung und 3D-Modellierung: TRABERT + PARTNER, Geisa

Werkstattplanung Ingenieurholzbau und Fertigung: ZÜBLIN Timber GmbH, Aichach

Montage (Holzüberdachung):ZÜBLIN Timber GmbH, STRAB Ingenieurholzbau Hermsdorf GmbH, Hermsdorf

Montagepartner: BENNERT GmbH, Klettbach

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