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Sachliche Integration

Hans-jörg Müller (Gira) im db-Interview
Sachliche Integration

Mit »Studio«« hat Gira eine neue Schalter-Serie auf den Markt gebracht. Um mehr über den Entwurfsprozess, die Zunkuft des Schalter-Designs und der Bedeutung von Smarthome zu erfahren, traf db-Redakteurin Anke Geldmacher Hans-Jörg Müller, Leiter des Bereichs Produkt und Design bei Gira, zum Gespräch in Frankfurt.

Anke Geldmacher: Was war die zentrale Idee zu der neuen Serie »Studio«, und wie wurde sie umgesetzt?

Hans-Jörg Müller: Die Grundidee war es, ein Aufputzprogramm zu machen, das durch seine runde Form Retroanleihen hat. In den 30er- und 40er-Jahren war das Normalität. Heute nicht, heute geht man in die Wand. Das ist natürlich ein ziemlicher Aufwand, hat aber den Vorteil, dass alles sauber in der Wand ist. Allerdings gibt es viele Bereiche, die man unkompliziert nachrüsten will: Dachböden, Garagen, Keller usw. werden zu Wohnraum umgebaut. Beton, Sichtmauerwerk und Holz sind beliebte Baustoffe, bei denen eine Unterputzlösung oft zu aufwendig wäre. Mit einem Aufputz-System wie Studio ist es einfach, nachzurüsten. Zudem sehen wir es als gestalterisches Mittel, die Installation auf die Wand zu legen. In der Regel sind Aufputzprogramme ein »formaler Abklatsch« der Normalserie, hier ist es genau umgekehrt. Die Dose ist absichtlich nicht so klein dimensioniert, mit unserem »System 55« sind rund 300 Funktionen möglich. Andere Aufputzdosen sind meist flacher gestaltet, dadurch aber in ihren Funktionen limitiert. Studio ist sicherlich nicht das Massenprodukt der Zukunft, aber ein reizvolles Nischenprodukt.

Wie verlief der Entwurfsprozess – konkret bei Studio, aber auch allgemein? Wer ist involviert, und arbeitet Gira mit externen Designern zusammen?

Wir haben zwei interne Designer. Ich selber habe eigentlich auch immer im Gesamtprozess mitgewirkt, sodass wir ein kleines Team sind. Wir machen aber auch immer wieder Projekte mit Externen. Studio ist intern entstanden. Es gibt ja komplexe und weniger komplexe Entwürfe – dieser hier gehört sicher zu den einfacheren. Ich würde sagen, dass das Konzept in wenigen Stunden auf dem Papier fertig war. Die technische Anbindung – also, wie es auf der Wand verschraubt wird und wie Kanäle eingesetzt werden – haben wir früheren Produkten 1:1 entnommen. An einigen Entwürfen arbeitet man Monate, während andere quasi aus dem Bauch heraus entstehen. Das ist auch mal schön …

Sie haben bereits erwähnt, dass sich die Auf- und Unterputzvarianten sehr unterscheiden. Sehen Sie bei beiden Varianten auch unterschiedliche Einsatzorte?

Ich glaube schon. Während die Aufputzvariante eher auf offenem Mauerwerk und Sichtbeton zum Einsatz kommt, sehe ich die Unterputzversion als etwas Besonderes für den klassischen, eleganteren Home-Bereich. Die Unterputzvariante von Studio wird es sicherlich schwerer haben als die Aufputzinstallation. Aber für den, der es mag, ist es eine interessante Alternative im System 55. Anders bei Studio ist zudem die Tatsache, dass es keine Kombirahmen, sondern immer einzelne Dosen gibt – bei beiden Varianten. In Märkten mit British Standard – also Großbritannien und China – sind einzelne Geräte und Schalter gängige Praxis. Für den hiesigen, deutschsprachigen Bereich und auch die Niederlande ist dies ein Paradigmenwechsel. Es sieht anders aus, aber ich finde, dass es gerade bei diesen »Bubbles« auf der Wand gut wirkt. Heutzutage kann man mit einem Dreifachwechselschalter und Mehrfachtastsensoren in einem Produkt arbeiten und braucht nicht drei einzelne Schalter untereinander. Ich persönlich denke, dass die Zeit der Vier- und Fünffachrahmen langsam zurückgeht. Und gerade dann passt ein Schalter, der dies betont, sehr gut.

Welche Rolle spielt das Thema Smarthome bzw. Gebäudeautomation bei Gira?

Smarthome ist gleich Smartphone-Steuerung übers Handy, d. h. eine intelligente Einwirkung entweder aus dem Gebäude heraus oder von außen. Das ist ein ganz klares Zukunftsthema, und insofern gibt es für unsere Branche große Wachstumsmärkte, sowohl in der Nachrüstung als auch am Neubau. Daher spielt es bei uns natürlich eine große Rolle – über die gesamte Breite der Sortimente, sowohl im Moment als auch für die Zukunft.

Sind diese technischen Weiterentwicklungen eher Fluch oder Segen für die Planung?

Ich würde sagen, dass sie mehr Optionen und damit Freiheiten geben. Und sie eröffnen Möglichkeiten, die früher nicht existierten, beispielsweise das Steuern und Überwachen von Außen. Ich kann per Smartphone die Funktionen überprüfen, sehe wo etwas an- oder ausgeschaltet ist, und ich kann von außen eingreifen. Als wirklichen Fortschritt empfinde ich, dass die Gewerke bzw. unsere Funktionen wie Licht schalten, Türkommunikation, Heizung, Jalousien, Sound usw. zusammenwachsen und mit einem Gerät bedient und auch logisch miteinander verbunden werden können.

Mit dem Schalter als Vermittler?

Genau. Wir bilden verschiedene Systeme ab: Wir haben »Smarthome« als Funksystem für die Nachrüstung. Eine Wohnung, in der bisher keine »Intelligenz« vorhanden ist, kann ich mit Smarthome einfach nachrüsten. Dann gibt es unsere Server wie »eNet« oder »X1« im mittleren Preisbereich und den großen »HomeServer« im höheren Bereich. Diese erfordern allerdings eine Neuinstallation und auch eine KNX-Leitung. Wir bieten somit drei Serverlösungen für die unterschiedlichen Anforderungen an.

Die E2-Serie gilt als »Architektenschalter«.

Danke. Es freut uns natürlich, dass das so wahrgenommen wird.

Haben Sie das bewusst geplant oder ergab es sich zufällig?

Es hat sich so ergeben. E2 ist über 20 Jahre alt, und als wir ihn Ende der 90er Jahre entwickelt haben, war unser Bestreben, im System 55 eine geradlinige Variante zu entwickeln. Edelstahl, Aluminium, Glas und Beton hatten derzeit eine Renaissance erlebt. Dazu passt dieses eher »straighte« Produkt sehr gut.

E2 ist jetzt auch in Schwarz matt erhältlich. Setzen Sie da konkret Kundenwünsche um oder arbeiten Sie mit Trendforschern?

Wir arbeiten nicht mit Trendforschern zusammen. Dazu kommt unsere eigene Auseinandersetzung mit der Design- und Architekturwelt, der intensive Austausch mit Architekten und Designern, z. B. auf Messen. Und dann ist es natürlich ein Stück weit Bauchgefühl. Die Oberfläche Schwarz matt entstand intern, wie das Programm E2 damals auch – interessanterweise ebenso schnell wie Studio. Das Thema Schwarz matt liegt im Moment auf der Hand: Schwarz erlebt eine Renaissance, im Vergleich zu den 80ern aber neu interpretiert. Damals war Schwarz immer in Hochglanz. Ebenfalls neu ist, dass es nun viel mit warmen Tönen kombiniert wird. Schwarz matt und leichtes Messing oder Kupfer, das hätte man vor 20 Jahren nicht gemacht – heute geht das gut.

Wer entscheidet bei Ihnen, welche Farbe oder Oberfläche neu aufgenommen wird?

Das entscheiden wir aus dem Team heraus. Stets geht es dabei um Form und Haptik gleichermaßen. Bei dem Aufputzgehäuse hat die glänzende Oberfläche z. B. einen funktionalen Hintergrund: Die Wände sind oft hell und rieseln leicht, deswegen haben wir es hochglänzend gemacht. Auf matten Oberflächen würden viel schneller Gebrauchs- und Reinigungspuren sichtbar sein. Je hochglänzender ein Artikel ist, desto leichter ist er zu reinigen – ein Wisch und er ist sauber. In Schwarz matt hätte der Kunde vermutlich nicht sehr lange Freude an Studio. Das Thema Reinigung spielt natürlich auch für Hotels eine wichtige Rolle.

Ab welcher Größenordnung fertigt Gira individuell?

Da geht es eigentlich nicht nur um Größenordnung, eher um die Machbarkeit. Per Hand oder Modell ist theoretisch alles möglich, aber wir sind ein Industriebetrieb und keine Manufaktur. Wichtig sind einfache Installationen, einfache Konfigurationen sowie eine einfache Bedienung und Langlebigkeit. Man darf auch nicht vergessen, wo Gira herkommt: Wir sind von Haus aus ein Unternehmen aus der Kunststoffbranche. Natürlich haben wir auch andere Kompetenzen, die in den elektromechanischen Bereich gehen, aber wir sind kein Handwerksbetrieb. Was wir anbieten, muss dann auch 20 Jahre funktionieren. Wenn nicht, lassen wir die Finger davon.

Welche Trends sehen Sie in der Schalter-Gestaltung?

Wir machen weder Architektur noch Interior Design. Wir sorgen dafür, dass ein Kunde etwas findet, das er gut integrieren kann. Insofern haben wir uns aus der Entwicklung seit den 80er Jahren, dass formal alles möglich ist, eher zurückgezogen. Man sagt uns ja durchaus nach, im Design eine gewisse Rolle in der Branche zu spielen. In den 80er Jahren haben wir mit dem Schalterprogramm »S-Color« einen Akzent gesetzt. Auffallend sind Form und Haptik wie auch die kräftigen Farben. Formal überzeugt die Serie durch eine gewisse Sachlichkeit. Alles, was danach kam, war relativ zurückhaltend. Das könnte man schon als »Gira-Weg« bezeichnen. Der Schalter soll kein Eigenleben führen, sondern sich integrieren. Das ist unsere Philosophie.

Sie sind jetzt seit zwei Jahren wieder bei Gira. Was hat Sie dazu bewogen zurückzukommen?

Ich habe sehr gerne bei Gira gearbeitet. Das war mein erster Job nach dem Studium. Nach 15 Jahren hatte ich das Gefühl, auch mal etwas anderes kennenlernen zu müssen und zu wollen. Dann war ich zehn Jahre in der Sanitärindustrie, wo ich auch viel gelernt habe. Dort hat man einen viel größeren Gestaltungsspielraum, weil man sich mit ganzen Räumen auseinandersetzt und auch Themen wie z. B. Barrierefreiheit hat. Doch ich hatte immer einen Blick auf Gira, wir haben uns auf Messen getroffen und ich habe nie ausgeschlossen, wieder zurückzugehen. Durch Themen wie Smarthome haben wir in der Branche durchaus einen Technologiewandel. Und diesen mitzugestalten, ist eine fantastische Aufgabe.

Was hat sich während Ihrer zehnjährigen Abwesenheit geändert, sowohl bei Gira als auch im Schalter-Design allgemein?

Technologisch ist die große Änderung, dass wir jetzt in die digitale Welt gehen. Das Smartphone ist 2007 gekommen und hat seitdem großen Einfluss auf sehr viele Lebensbereiche und somit auch auf unsere Industrie, egal ob im gewerblichen oder im Home-Bereich. Im Schalter-Design hat sich nicht so viel getan, würde ich sagen. Ich würde den Weg mit Gira weiterbeschreiten mit dieser formalen Unterordnung und dem Blick auf das, was Architekten und Innenarchitekten wünschen. Daher werden da in den nächsten Jahren nicht große Entwürfe erfolgreich sein, sondern die kleinen, feinen Weiterentwicklungen, die aber zu den Gebäuden passen.

Haben Sie persönlich eine Lieblingsoberfläche oder ein bevorzugtes Material?

Nein, das habe ich nicht. Was ich ganz schön finde, ist Kunststoff. Ich finde dieses Material auch hinsichtlich der Design-Historie interessant. Gerade die 60er, 70er Jahre, in denen viel mit Kunststoff probiert wurde, finde ich sehr spannend. Dazu zählen diese »Space Age Designs« wie der Panton-Chair. Sehr gut finde ich immer eine Kombination, die eine gewisse Spannung erzeugt.

Welche Anforderungen haben Architekten an künftige Gira-Entwicklungen?

Meiner Meinung nach steht der Architekt dem Thema Smarthome und Vernetzung sehr aufgeschlossen gegenüber, weil sich dadurch Dinge schneller und unkomplizierter realisieren lassen, die vorher sehr aufwendig waren. Ich glaube, dass der Architekt nichts sucht, wobei die Elektroinstallation oder das Thema Smarthome extrem ins Auge fallen. Der wichtigste Punkt ist die einfache Bedienung und Vernetzung. Und da halte ich es für wichtig, es nicht zu übertreiben, sondern auf die Dinge zu setzen, die wirklich sinnvoll sind.

Vielen Dank für das Gespräch.

Herstellerinformationen:
www.gira.de

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