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Helmut Jahn (1940–2021) - Nachruf

Nachruf
Helmut Jahn (1940–2021)

Helmut Jahn (1940–2021)
Helmut Jahn (1940–2021). Foto: allcadblocks.com

~Falk Jaeger

Es war ein Verkehrsunfall in seiner Wahlheimat nahe Chicago, der dem Leben des Architekten Helmut Jahn am 8. Mai jäh ein Ende setzte. Wie bei Antoni Gaudí, der in Barcelona von einer Straßenbahn erfasst wurde. Wie bei Aldo Rossi, der am Lago Maggiore verunglückte. Beide, Gaudí und Rossi, waren mit ihrer Architektur gewissermaßen Antipoden zu Helmut Jahn. Die dynamischen Jugendstilformen des einen waren Jahn ebenso fremd wie die historistischen Typologiespielereien des anderen. Zunächst jedenfalls, denn Jahn war nach dem Diplom in München 1966 nach Chicago ans MIT gegangen und hatte dort Mies van der Rohe erlebt und hinfort dessen Gestaltungskanon gepflegt. Auch bei seiner Arbeit im Büro von Charles Murphy, in das er 1967 eintrat. Murphy/Jahn hieß das Büro seit 1983 mit ihm als Bürochef, ab 2012 nur noch Jahn.

Nach und nach brachte Jahn in seine Architektur narrative Elemente ein. Er wollte die moderne Bautechnik als Ausdrucksmittel einsetzen und wurde zum High-Tech-Architekten, moderat freilich, nicht wie Rogers und Foster, die damals die Konstruktion zum Designobjekt erhoben, und auch nicht wie Calatrava, der Konstruktion im Grenzbereich zur Bionik dramatisiert. Mit dem Xerox Center, einem eleganten Hochhaus in Chicago (1980) wurde er bekannt, mit dem State of Illinois Center (1985) berühmt. Mit dem abgeschrägten Glaskonus und dem gläsernen Zentralraum wollte er die offene, transparente Verwaltung des Bundesstaats wie auch die zukunftsgewandte Technik zum Ausdruck bringen.

Die großmaßstäblichen Bauten wurden aber auch zunehmend dekorativer. Das Vexierspiel mit Glasflächen, transparent oder als Farbtafeln wurde zu seinem Markenzeichen. Putz oder Stein kamen nicht infrage, allenfalls Aluminium, das zu seinem bevorzugten Farbkanon Blau, Grau und Silber passte.

Hochhäuser gestaltete er in seiner postmodernen Phase gerne in der von Sullivan geprägten Tradition Chicagos, mit klassischer Dreiteilung in Sockel, Schaft und Krone. Er hatte erkannt, dass Erinnerungen an die glamourösen Art-Deco-Türme der 30er Jahre bei den Investoren noch immer Beifall finden. Eines dieser gefälligen Hochhäuser konnte er 1985-91 in Frankfurt bauen, den 265 m hohen Messeturm, der von der hiesigen Fachpresse allerdings sehr verhalten aufgenommen wurde.

Jahn selbst residierte in Chicago in einem opulenten Hochhaus am Wacker Drive, einem dramatischen Turmbau aus dem Jahr 1926. Wenn er im Tempietto auf dessen Spitze den Gast zum Lunch empfing, erklärte er in seiner an Henry Kissingers Deutsch erinnernden Diktion ringsum die Aussicht und wies hinüber zum berühmten Chicago Tribune Tower. Dort unterhielt Josef Paul Kleihues »auf Augenhöhe« ein Büro, als er 1994-96 in Chicago das Museum of Contemporary Art baute.

Jahn hatte ihm 1990 als Juryvorsitzender den Auftrag verschafft. Es traf sich ganz gut, dass Kleihues 1992 der Jury für das Sony Center in Berlin vorsaß.

Jahns Sony Center (1993-99) steht nach dem Messeturm in Frankfurt und dem München Airport Center in der inzwischen stattlichen Reihe von Projekten, die der gebürtige Nürnberger in Deutschland realisieren konnte. Zu seinen zahlreichen Flughafenbauten in aller Welt gehört auch das Terminal in Köln/Bonn.

Allein am Kurfürstendamm hat er drei Marken gesetzt, am Anfang den gläsernen Keil des neuen Kranzler-Ecks, in der Mitte das extrem schmale »Handtuchhaus« und am Halensee das Athena-Haus KU 119. Jüngst hat er noch mit dem spektakulären Aufzug-Testturm von ThyssenKrupp in Rottweil Furore gemacht (mit Werner Sobek).

Helmut Jahn bediente nicht ungern das Klischee des von den Bauherren geschätzten Star-Architekten.

Er war begeisterter Segler, Skifahrer und Radfahrer. Mit dem Rad ist er am 8. Mai in Campton Hills bei Chicago tödlich verunglückt. Er wurde 81 Jahre alt.

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