Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) hat ihr Zertifizierungssystem für Neubauten grundlegend überarbeitet. Die Kriterien mit den angepassten Anforderungen wurden vergangene Woche veröffentlicht. Interessierte haben bis zum 8. Januar 2023 die Möglichkeit, diese zu kommentieren.
Auf Grundlage der eingegangenen Anmerkungen wird der Kriterienkatalog anschließend bis Anfang April 2023 finalisiert. Er ist eine Fortschreibung der bestehenden Version 2018 des DGNB Systems und löst diese künftig ab.
Anzahl der Kriterien sinkt
Im Vergleich zur bisherigen Variante wird es eine Verschlankung von aktuell 37 auf 29 Kriterien geben. Möglich wird dies einerseits dadurch, dass bislang separat betrachtete Themen gebündelt werden; zum anderen fallen manche nicht mehr erforderlichen Indikatoren weg. Bei einigen Komfortthemen entfällt eine Belohnung, wenn gesetzliche Standards übererfüllt werden. Eine bessere Verknüpfung mit anderen Varianten der DGNB Zertifizierung – z.B. dem DGNB System für Gebäude im Betrieb oder dem für nachhaltige Baustellen – wird sichergestellt.
»Selbstverständlich haben wir bei allen Anpassungen darauf geachtet, dass auch die Anforderungen der EU-Taxonomie, des EU-Berichtsrahmens Level(s) sowie des QNG-Siegels, das im Rahmen der Bundesförderung für effiziente Gebäude vergeben wird, jeweils mit abgebildet werden«, sagt Johannes Kreißig, Geschäftsführender Vorstand der DGNB. »Wer eine DGNB Zertifizierung durchführt, wird also keine parallelen Dokumentationsaufwände haben, sondern kann das DGNB Zertifikat als Nachweisinstrument für nationale und internationale Vorgaben nutzen.«
Fokus auf Klimaschutz und Zirkularität
Ein besonderer Fokus liegt auf den vielfältigen Anforderungen, die an die Zukunftsfähigkeit von Gebäuden gestellt werden. Dies betrifft vor allem den Klimaschutzbeitrag von Immobilien. Gestärkt werden Themen, die die Reduzierung der CO2-Emissionen in der Konstruktion und im späteren Betrieb vorantreiben. Über die angepassten Kriterien wird u.a. die Rolle von Gebäuden als aktive Elemente der Energiewende weiter gestärkt.
Ein weiteres Fokusthema der Version 2023 des DGNB Systems liegt in der Kreislauffähigkeit. Das Kriterium »Zirkuläres Bauen» löst das bisherige Kriterium »Rückbau- und Recyclingfreundlichkeit» ab und wurde komplett neu erarbeitet. Belohnt wird künftig die Erstellung eines Gebäuderessourcenpasses zur Dokumentation und als Bewertungsgrundlage. Auch der Einsatz kreislauffähiger Materialien, Produkte und Konzepte sowie der gezielte Verzicht auf Bauteile werden nochmals stärker beachtet.
Die zwei neuen Kriterien der Version 2023 betreffen beide die ökonomische Qualität. Dabei geht es um die Klimaresilienz von Gebäuden sowie die Gebäudedokumentation. Bei diesem Kriterium wird besonders die Verwendung geeigneter digitaler Lösungen belohnt, um das wichtige Thema der Datenverfügbarkeit im späteren Betrieb frühzeitig anzugehen.
Neue Mindestanforderungen eingeführt
Eine der wichtigsten Neuerungen im Vergleich zur bisherigen Version des DGNB Systems ist die Einführung zahlreicher neuer Mindestanforderungen. Verpflichtend wird beispielsweise, dass für alle Projekte, die zum Zeitpunkt der Fertigstellung noch nicht klimaneutral im Betrieb sind, ein Klimaschutzfahrplan vorliegen muss. In diesem muss dargestellt werden, wie das Gebäude dies bis spätestens im Jahr 2045 erreichen wird. Auch der Nachweis einer grundlegenden Resilienz gegenüber Klimarisiken wird obligatorisch. Bislang waren die Barrierefreiheit und die Durchführung einer Messung zur Innenraumluftqualität mit der Einhaltung bestimmter Grenzwerte die einzigen beiden K.O.-Kriterien.
Weitere Mindestanforderungen kommen hinzu für all jene Projekte, die die höchstmögliche Bewertungsstufe Platin erreichen wollen. Für diese gilt zum Beispiel, dass sie die Klimaneutralität im Betrieb bereits bis spätestens 2030 erreicht haben müssen. Falls vorher ein Rückbau stattgefunden hat, muss diese Entscheidung nachvollziehbar begründet werden. Gewährleistet sein müssen zudem Mindestbeiträge zur Förderung der Biodiversität und zur Mobilitätswende. Außerdem dürfen Gebäude, die ein DGNB Zertifikat in Platin erhalten möchten, nicht auf schützenswertem Boden gebaut sein. Alternativ müssen sie eine Entsiegelung bzw. einen Netto-Null-Flächenverbrauch nachweisen.
»Mit der Ausweitung der Mindestanforderungen setzen wir ein Zeichen für die Themen, die für eine nachhaltig geplante und gebaute Immobilie mit Blick auf deren Zukunftsfähigkeit nicht verhandelbar sind«, erklärt Kreißig. »Gleichzeitig bestärken sie den ganzheitlichen Nachhaltigkeitsansatz und das hohe Ambitionslevel, welche die DGNB mit ihrer Zertifizierung seit mittlerweile rund 15 Jahren verfolgt.«
Möglichkeit zur Kommentierung bis zum 8. Januar
Bei der Kommentierung gefragt sind Anmerkungen, was die methodische Praxistauglichkeit der Indikatoren betrifft, aber auch die Erfüllbarkeit der darin formulierten Anforderungen. Auch allgemeine Hinweise zur Fokussierung der Themen sind willkommen. Kein Teil der Kommentierung ist dagegen die konkrete Gewichtung einzelner Kriterien. Diese wird für die mit der Version 2023 abgedeckten Gebäudenutzungstypen abschließend finalisiert.
Alle Informationen rund um die Kommentierung der Version 2023 des DGNB Systems sind online unter www.dgnb.de/version2023 zu finden. Hier gibt es sowohl die Kriterien zum Download als auch ein Formular sowie weiterführende Dokumente, die zur Kommentierung genutzt werden sollten. Weiterhin besteht dort die Möglichkeit, sich für zwei Termine anzumelden, in welchen Interessierte ihre Rückmeldungen zur Version 2023 direkt an die Projektverantwortlichen geben können. Geplant sind diese offenen Runden am 5. Dezember von 15 bis 17 Uhr und am 16. Dezember von 9 bis 11 Uhr.
Die Veröffentlichung der finalisierten Fassung des DGNB Systems für Neubauten ist für Anfang April 2023 geplant. Dieses wird dann verfügbar sein für Bildungsbauten, Büro- und Verwaltungsgebäude, Geschäftshäuser, Gesundheitsbauten, Hotels, Logistikimmobilien, Produktionsstätten, Shoppingcenter, Verbrauchermärkte, Versammlungsstätten, Wohngebäude mit mehr als sechs Wohneinheiten sowie mischgenutzte Gebäude. Parallel hierzu wird derzeit außerdem eine Weiterentwicklung der Systemvariante für kleine Wohngebäude erarbeitet.
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