Alfred Grenander, die U-Bahn und die Kultur der Metropole. Von Aris Fioretos. 358 Seiten mit 200 Abbildungen. Gebunden, 29,90 Euro, 52,20 sFr. Nicolai Verlag, Berlin, 2006
~Lars Quadejacob
Noch bis zum 19. August zeigt das Deutsche Technikmuseum Berlin eine Ausstellung über Alfred Grenander (s. db 2/07, S. 58), der zwischen 1900 und 1930 Hausarchitekt der Berliner U-Bahn-Betriebe war. Was schon die Ausstellung anreißt, vertieft das begleitende Katalogbuch. Grenanders Werk ist keineswegs nur von verkehrs- oder regionalgeschichtlichem Interesse, vielmehr erscheint gerade der Umgang mit Farbe und die geschickte Inszenierung von Räumen als ein eigenständiger und innovativer Beitrag innerhalb des architektonischen Aufbruchs am Anfang des 20. Jahrhunderts. Das wird besonders im Aufsatz von Christoph Brachmann deutlich. Der Gre- nander-Experte am Fachbereich Kunstge- schichte der TU Berlin – dort wurde der Katalog konzipiert – stellt als Ergebnis jahrelanger Recherchen Leben und Werk des Architekten vor. Dabei berücksichtigt er gleichwertig dessen Arbeiten abseits der Verkehrsarchitektur, etwa Grenanders neoklassizistische Villen oder sein eigenes Sommerhaus im schwedischen Falsterbo, ein frühes Beispiel farbigen Bauens. Dem Thema Farbe widmet sich ein weiterer kenntnis- und seitenblickreicher Beitrag Brachmanns, der dieses Gestaltungsmittel Grenanders im Umfeld der zeitgenössischen Architekturtheorie- und -praxis untersucht. Eine ähnliche Einordnung des Werks in die architektonischen Grundfragen der Zeit nimmt Falk Jaeger mit seiner Abhandlung zum Verhältnis von Konstruktion und Ornament an den neuen stählernen Viaduktstrecken vor. Doch der mit vielen Entwurfskizzen und historischen Aufnahmen aussagekräftig bebilderte Katalog beschränkt sich nicht nur auf architekturhistorische Fragestellungen. So untersucht beispielsweise die Germanistin Dorit Müller die Berliner U-Bahn als Topos der zeitgenössischen Literatur, die Architekturhistorikerin Ann Katrin Pihl Atmer stellt anhand von Grenanders Tagebuch dessen Biografie vor und die Kunstwissenschaftlerin Ulrike Weber zeigt den internationalen Einfluss der Gre- nanderschen Verkehrsbauwerke auf. Die thematische Vielfalt wirkt keinesfalls aufgebläht – vielmehr gelingt es mit den heterogenen Beiträgen, ein faszinierendes Epochenbild ent- stehen zu lassen.
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