Das etwas andere Zeichenbuch. Von Steve Bowkett, 160 S. mit zahlreichen S/W-Zeichnungen, kartoniert, 19,95 Euro. Callwey, München 2015
In Zeiten von CAD, BIM und photorealistischen Visualisierungen hat das Zeichenhandwerk im Berufszweig des Architekten scheinbar immer mehr an Bedeutung verloren. Tatsache ist: Der Architekt von heute »zeichnet« v. a. am Computer und muss nicht zwingend mit einem Stift umgehen können, um seine Ideen auf Papier zu bringen. Dieses Buch zeigt, dass es auch anders geht. Der Autor, selbst Architekt und Dozent an der London South Bank University, hat sich zum Ziel gesetzt, andere Architekten und Interessierte wieder für die Zeichenkunst aber auch für sämtliche Facetten der Architektur zu begeistern. Neben grundlegenden Zeichentechniken stellt das Buch bedeutende Architekten und Gebäude aus verschiedenen Epochen in einfachen Linienzeichnungen dar. Von Aalto bis Zumthor, von der Antike bis zur zeitgenössischen Architektur des letzten Jahrzehnts – das Buch deckt ein breites Spektrum der Architekturgeschichte ab. Darüber hinaus geht der Autor auch zeichnerisch auf einige bau- und kunstgeschichtliche Strömungen ein, wie z. B. den Konstruktivismus aus Russland oder die De-Stijl-Bewegung. Auch Kuriositäten, wie »The Big Duck« oder Möbel, wie der »Little Beaver Chair« finden im Buch Platz. Lediglich einige Zeilen Text informieren jeweils genauer über das Thema. Doch was genau macht dieses Zeichenbuch so »anders«? Nun soll dieses Buch nicht als eine Sammlung von hübschen Bildern oder als ein Lehrbuch missverstanden werden. Vielmehr ist es im wahrsten Sinne als Skizzenbuch gedacht, was auch an der Qualität und Haptik des Papiers zu spüren ist. Zu jedem Themenabschnitt animiert es den Leser, das Dargestellte neu zu interpretieren. Die Leerstellen im Buch bieten Platz für eigene Zeichnungen und Ideen: Welche unterschiedlichen Formen kann ein Dach haben? Wie könnte eine andere Fassade am Centre Pompidou aussehen? Ob das Buch dann tatsächlich als Skizzenbuch genutzt wird, sei dahingestellt. Jedoch kommuniziert diese spielerische Haltung die Zeichenkunst sowie die Architektur als kollektive Güter, anstatt sie als elitäre Kunstformen zu isolieren. Das macht es auch dem Laien möglich, seinen individuellen Zugang zu finden. Der Autor zelebriert auf sympathische Weise die Schönheit der einfachen Strichzeichnung, die Vielfalt in der Architektur und den Willen zum Kreativen. Vielleicht ein passendes Weihnachtsgeschenk für Architekten, Künstler und jene, die es werden wollen?
~Alfred Hottmann
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