Um historische Entwicklungen in ihrer ganzen Tragweite beurteilen und präsentieren zu können, braucht man den nötigen Abstand – im zeitlichen und räumlichen Sinn. So überrascht es nicht, dass die bislang umfassendste und wissenschaftlich anspruchsvollste Ausstellung zur klassischen Moderne gerade im Londoner Victoria & Albert Museum und unter der Leitung eines amerikanischen Kurators entstanden ist. Denn England und die USA spielen hier nur eine Nebenrolle, der Schwerpunkt liegt klar in Mitteleuropa. Wer eine breit angelegte Präsentation von wichtigen Gebäuden der »weißen« Moderne in zeitgenössischen und aktuellen Fotos, Modellen und Filmausschnitten sowie von Möbeln und Design-Objekten erwartet, kommt voll auf seine Kosten. Die besondere, neue Qualität der Ausstellung steckt allerdings weniger in der Dokumentation von Bekanntem als im Aufzeigen der geistigen Grundlagen und der sozialen Rahmenbedingungen für die moderne Bewegung. Besonders eindrucksvoll ist die anschauliche Dokumentation des universalen Ansatzes, der über Malerei, Skulptur und Architektur weit hinausgreift. Der hohe Anspruch kommt auch in einem hervorragenden Katalog zum Ausdruck. Befremdlich ist hingegen das Ausstellungs-design, das sowohl in der räumlichen Überformung der Galerien als auch in der grafischen Gestaltung aufdringlich daherkommt und manch kleinere Objekte in den Hintergrund drängt. Insofern widerspricht die Präsentation einem der wichtigsten Schlachtrufe der Moderne (den man im Museumsshop als Anstecknadel kaufen kann): less is more. Rüdiger Krisch
Bis 23. Juli. Victoria & Albert Museum, (South Kensington) täglich 10–17.45, mittwochs bis 22 Uhr. Katalog (englisch) 25 Pfund. www.vam.ac.uk/
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Trockene Socken
