Flirrend schieben sich die dünnen Metallstäbe übereinander. Zu Bündeln gepackt, versperren sie die Durchblicke und eröffnen sie gleich danach erneut. Mit den Überlagerungen entstehen immer neue Raumsegmente, die zwischen Tiefenwirkung und Fläche mäandern, während sich die Besucher auf schmalen Wegen zwischen den Stabbündeln im Berliner Haus am Waldsee bewegen. »Dickicht« aus dem Jahr 2014 steht für den experimentellen Ansatz der Architekten Frank Barkow und Regine Leibinger, des amerikanisch-deutschen Architektenduos mit Berliner Verwurzelung.
In all ihren Projekten loten sie spielerisch die Grenze zwischen Architektur und Skulptur aus, verweigern sich deren Gegensätzlichkeit und haben es so seit 1993 geschafft, im gemeinsamen Büro architektonische Formen zu erkunden. Die Ausstellung bietet weit mehr als eine reine Werkschau. Das traditionsreiche Haus am Waldsee im Berliner Süden erinnert mit all den Materialproben und Modellen, die in hohen Regalen aufgestellt sind, ein wenig an das Rosenhaus aus Adalbert Stifters Roman »Nachsommer«. Es eröffnet einen faszinierenden Kosmos der Dinge und der mit ihnen verbundenen Möglichkeiten, Form zu schaffen. Ergänzt um großformatige Arbeiten und Skulpturen wie das organisch getreppte Bühnenbild für Fidelio in Wien (2020) oder den metallenen Nachbau ihres ursprünglich hölzernen Serpentine-Pavillons (2016).
Ach, möge es doch noch mehr Bauherren für Barkow Leibinger geben, die sich lustvoll aus der Starre der (Berliner) Orthogonalität befreien, um dem Organischen skulpturalen Raum zu geben! Gerne für ein Haus aus vorhanggleichem Infraleichtbeton, das die Architekten angedacht haben, aber mindestens ebenso gerne einmal im großen, städtebaulichen Maßstab.
~Jürgen Tietz
Bis 4. Oktober. Barkow Leibinger. Revolutions of Choice. Haus am Waldsee, Argentinische Allee 30, 14163 Berlin, Di-So 11-18 Uhr, Katalog: Verlag Walther König, 24 Euro, https://hausamwaldsee.de