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Welchen Wert hat der Splitter im Daumen?

Plädoyer für das Baustellenpraktikum
Welchen Wert hat der Splitter im Daumen?

Welchen Wert hat der Splitter im Daumen?
Grand Canyon National Park: Science & RM Building 2075, Foto: Kristen M. Caldon

Viele Architektinnen und Architekten werden sich an den Muskelkater vom Zementschleppen oder an heißes Metall auf der Haut beim Flexen erinnern oder an besagten Splitter in der Hand. Sicher hat das Baustellenpraktikum mehr als sentimentalen Wert – doch welchen? Aus Sicht des Autors geht es dabei um zwei elementare Dinge. Einmal um den Erkenntnisgewinn, wie sich räumliche Strukturen zusammenfügen, und einmal darum, welche Prioritäten und Anforderungen die unterschiedlichen Gewerke haben.

Wie bereits im letzten Beitrag über die Dampfsperre festgestellt, können Studierende auswendig gelernte Baustoffinformationen und 2D-Zeichnungsdetails oft noch nicht in räumliche Vorstellungen umwandeln. Förderlich dafür wäre z. B. ein konsequentes, räumlich und bauteilbezogenes Arbeiten im Rahmen der BIM-Lehre, aber das ist eine andere Geschichte.

Neueste neurologische Erkenntnisse unterstützen diese Aussage ebenso: Nur miteinander in Bezug gesetzte Informationen bauen Kompetenz auf, nicht aber losgelöstes Einzelwissen. Unser Gehirn speichert Informationen, indem es Verknüpfungen zu bereits existierenden Inhalten aufbaut. Je stetiger und breiter diese Informationsverknüpfung abläuft, umso größer wird die aufgebaute Kompetenz. Das Baustellenpraktikum ist ein Paradebeispiel dafür, Fachinhalte unterschiedlicher Studienfächer miteinander zu vernetzen und damit diese didaktische Systemschwäche der Hochschullehre auszugleichen.

Auch aus einem weiteren Grund hat das Baustellenpraktikum einen Wert: Junge Absolventen haben es schwer, auf Baustellen ernstgenommen zu werden. Der Grund dafür ist oft menschliche und fachliche Überheblichkeit, die nicht selten schlechte Planung oder mangelndes Fachwissen kaschieren soll. Tag für Tag als Praktikant auf der Baustelle zu ackern, schafft eine gemeinsame Ebene, ein Bewusstsein dafür, an einem Strang zu ziehen – und das wird mit steigender Komplexität von Baustellenabläufen und Gebäudeanforderungen immer notwendiger. Will der Architekt seinen Posten als Generalist behalten, wird er künftig mehr denn je kollaborativ arbeiten müssen und sollte darüber hinaus lernen, offen über Wissen und Nichtwissen zu kommunizieren.

~Thomas Lehmann

Thomas Lehmann bewegt sich seit über 20 Jahren in den unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern der Architektur. Gegenwärtig leitet er das Wettbewerbsteam der FH Aachen für den Solar Decathlon Europe SDE21. Sein Promotionsthema befasst sich mit Hochschuldidaktik in der Architektur.


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