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Streit um die Museumsinsel

Diskurs
Streit um die Museumsinsel

Fortsetzung Titel Eigentlich macht es einem die jüngst gegründete Bürgerinitiative für ein Volksbegehren »Rettet die Museumsinsel« leicht, sie zu ignorieren:

So naiv, so unbelesen, so modernefeindlich ist sie. Und doch, die erforderlichen 20 000 Stimmen wird die Initiative zusammenbekommen. Schon jetzt ist die Unterschriftenliste ein Querschnitt durch das Bildungsbürgertum Berlins. Auch wenn der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit technokratisch darauf verweist, dass hier schon seit zehn Jahren geltende Planungen angegriffen werden oder der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz Klaus-Dieter Lehmann ihre Forderungen als »absurd und fahrlässig« bezeichnet, so leicht wird man die Initiative wohl nicht los. Dabei sind ihre Forderungen teilweise wirklich absurd: So richtet sich das Volksbegehren zum Beispiel an den Berliner Senat, der ist aber aus der Finanzierung der Bauarbeiten auf der Insel vor einigen Jahren ausgestiegen und seitdem auf das Entgegenkommen des Bundestags angewiesen, kann also letztendlich gar nicht entscheiden. Und: Die Initiative wünscht den Aufschub aller Neubauarbeiten »mindestens bis zum Abschluss aller Sanierungsarbeiten«. Vor allem soll damit der von David Chipperfield geplante Eingangsbau zwischen dem Neuen Museum und dem Kupfergraben verhindert werden. Die Museen wollen mit diesem Neubau den umstrittenen Schnellrundgang durch das Pergamonmuseum sowie die »Archäologische Promenade« erschließen. Diese soll die Sockel- und Kellergeschosse des Alten Museums von Schinkel (1830 eingeweiht), des Neuen Museums von Stüler (1855), des Pergamonmuseums von Messel und Hoffmann (1930) sowie von Ihnes Bode-Museum (1904) verbinden. Chipperfields bereits vor einigen Jahren entwickelte Skizzen sehen eine gestaffelte, glasumhüllte Anlage aus ineinandergeschobenen Kuben vor. Die Initiative kritisiert nun nicht etwa das nach dem Vorbild des Louvre aufgebaute Verkehrskonzept der Museen und auch nicht die dafür nötigen, brutalen Eingriffe in die Substanz des Pergamonmuseums; auch die patronisierende Aufteilung in »Massenbesucher« und »Individualbesucher« wird klaglos hingenommen, die etwa in angelsächsischen Museen niemals akzeptiert würde. Nein, man klagt, die Kupfergrabenfassade des Neuen Museums werde verstellt. Das war sie aber früher auch, erst 1937 wurde das letzte Gebäude des Schinkelschen Packhofs abgerissen. Vor allem aber betonen sowohl die Museen als auch Chipperfield, dass die Pläne nur Skizzen waren, neue erst zum Ende des Jahres vorgelegt werden sollen. Die Initiative wendet sich also gegen ein Projekt, das es noch gar nicht gibt, aus lauter Angst vor Stahl, Glas und Beton. Darauf verweist nämlich die Zeile, dass sich »Innen- und Außengestalt [der zu restaurierenden Altbauten] weitgehend am Original-Vorbild oder an den Original-Plänen« orientieren sollen. Chipperfields mit der Denkmalpflege entwickeltes Konzept einer »ergänzenden Restaurierung« des Neuen Museums soll nun durch eine Totalrekonstruktion ersetzt werden. Und für das Pergamonmuseum wünscht sich die Initiative zwischen Nord- und Südflügel jene niemals ausgeführte Säulenhalle, die einst Alfred Messel und Ludwig Hoffmann entwarfen.

Die Initiatoren übersehen dabei jedoch einiges: Erstens würde auch bei dem geforderten Wettbewerb für den Eingangsbau sicherlich kein historisierendes Konzept den Zuschlag erhalten. Zweitens: Selbst wenn die Berliner Museen endlich ihr Massenverkehrskonzept aufgäben, muss es doch Neubauten auf der Insel geben. Nicht nur, um WCs, Garderoben, Cafés und Buchläden unterzubringen, sondern auch, um endlich mehr Ausstellungsflächen zu schaffen. Sinnvoll bauen kann man aber nur noch am Kupfergraben und zwischen den Flügeln des Pergamonmuseums. Drittens: Die Geschichte der Museumsinsel ist mindestens so sehr vom Fortschrittsgeist geprägt wie von preußischer Griechenverehrung. Die Initiative fordert mit dem »Zurück« also auch, einen zentralen Teil der Museumsinseltradition aufzugeben. Viertens ignoriert sie eine trostlose Erfahrung: Rekonstruktionen sind die schlimmsten Feinde der Originale. Nur die schrundigen Reste der Fassaden von 1850 erzählen uns, dass dieses Gebäude nicht alt aussieht, sondern alt ist. Wenn daneben nun glatter Putz tritt, wird schnell auch das Alte geliftet werden. Das zeigt gerade das von der Initiative beschworene Vorbild des Bode-Museums, dessen »Restaurierung« im Wesentlichen ein Totalersatz der historischen Oberflächen durch moderne Kopien war. Andererseits stellen sich wirklich einige Fragen: Warum ist eine der prominentesten Baustellen Berlins nicht zu besichtigen – die des Neuen Museums nämlich? Warum soll es nicht für den Eingangsbau einen richtigen Wettbewerb geben statt der Direktvergabe an Chipperfield? Warum gab es nicht die öffentliche Debatte über eine Probefassade für das Neue Museum? Die bisher einzige Antwort auf solche Fragen ist, dass die Museen und die Architekten Angst vor der Öffentlichkeit haben. Mit Angst aber kann man nicht überzeugen.
~Nikolaus Bernau
Der Autor ist Kunstwissenschaftler und Architekt. Er lebt und arbeitet als freier Architektur- kritiker in Berlin.
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