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Städte des Pazifischen Jahrhunderts

Diskurs
Städte des Pazifischen Jahrhunderts

Die Deutsche Gesellschaft für Asienkunde lud im Mai im Japanisch-Deutschen Zentrum in Berlin zur Tagung »Megastädte in Asien«. Da die Bevölkerungs- und Umweltentwicklung künftig großteils in diesen Agglomerationen entschieden werden wird, von ihrer Planung, Gestaltung und Nachhaltigkeit damit die urbane Zukunft abhängt, trafen sich Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen aus aller Welt zum Austausch über das Phänomen des explodierenden städtischen Wachstums in Ostasien.

~Ulf Meyer

Spätestens, wenn Peking 2008 die Olympischen Sommerspiele veranstaltet und zwei Jahre später Shanghai die nächste Weltausstellung, wird die weltweite Medienaufmerksamkeit verstärkt auf die Megastädte Ostasiens fallen. Beide Metropolen putzen sich derzeit mit einem radikalen Stadtumbau als »erste chinesische Weltstadt« heraus. Schon in weniger als 20 Jahren werden nach einer Schätzung der Asian Development Bank von 1998 über zwei Mrd Menschen in den Metropolen der Pazifik-Anrainerstaaten leben. Bereits heute gibt es in Asien dreimal mehr Stadtbewohner als in der gesamten westlichen Welt.
Noch 1950 war New York die einzige Stadt auf der Welt mit mehr als zehn Mio Einwohnern. Heute sind es schon 25 Städte, Tendenz schnell steigend. Der größte städtische Ballungsraum der Welt ist Tokio mit über 34 Mio Einwohnern, dicht gefolgt von Seoul, Shanghai, Jakarta und Osaka mit immerhin noch 16 Mio Bewohnern. Noch schwindelerregender sind die Einwohnerzahlen der städtischen Ballungsräume: In China leben im Yangtze-Delta schon 87, im Perlflussdelta 40 und im Beijing-Tianjin-Korridor 27 Mio Menschen dichtgedrängt in urbanen Agglomerationen, die, ähnlich dem Ruhrgebiet, aus mehreren Städten verschmolzen sind.
Wirtschaftlich liegen Welten zwischen den ost-asiatischen Metropolen. Während das Wachstum in den chinesischen Großstädten in den Neunzigern von niedrigem Niveau aus emporschnellte, stagnierte es in reiferen Ökonomien wie der von Tokio und einigen Tigerstaaten wie Malaysia weitgehend, auch wenn Malaysia eine neue Hauptstadt bauen ließ. Dies jedoch nicht nur, um den ökonomischen Entwicklungsdruck von Kuala Lumpur zu nehmen, sondern auch, um mit der neuen Verwaltungsstadt Putrajaya einen Schaukasten politischer Ambitionen zu schaffen, die dem Land auch städtebaulich ein islamisches Gesicht geben sollen.
Die Pläne Japans, im bergigen Hinterland ebenfalls eine neue, erdbebensichere Hauptstadt zu bauen, wurden derweil wieder verworfen. Junichiro Okata von der Universität Tokyo gelang es auf der Berliner Tagung anhand von Datenmodellen nachzuweisen, dass das Zentrum der japanischen Hauptstadt seit dem Zerplatzen der Spekulationsblase als Wohnstandort sogar wieder deutlich an Attraktivität gewonnen hat. In seinen zu kurzfilmartigen Diagrammen der Immobilienpreisentwicklung zusammengstellten Animationen ließ er »Boom and Bust« in Japan bildhaft werden. Trotz der schnell alternden japanischen Gesellschaft schrumpft die Megalopolis Japans nicht.
Die angestrebten Rollen der ausufernden Metropolen im pazifischen Asien – von Tokio im Norden bis Jakarta im Süden – könnten kaum unterschiedlicher sein: Während Taipei sich beispielsweise rüstet, um Hongkong seine angestammte Rolle als »Tor zu China« streitig zu machen und sich als internationales Touristenziel präsentiert, ist Shanghai mit der Überwindung seines »kolonialen Komplexes« beschäftigt. Die Neustadt Shenzhen in Süd-China hingegen soll erfolgreich als ökonomische Modellstadt die Zukunft des Landes vorexerzieren. Direkt an einer extremen Wohlstandsgrenze gelegen, profitiert die vergleichsweise arme, aber boomende Instant-Stadt ökonomisch enorm von der Anziehungskraft der reicheren, aber auch saturierteren benachbarten Metropole Hongkong.
Für Ho-Chi-Minh-City im Süden Vietnams zeigte Thomas Knorr-Siedow vom Institut für Regionalentwicklung in Erkner, der vor Ort in Vietnam nicht nur forscht, sondern auch stadtpolitisch berät, neue Ansätze auf. Die Regierung der vietnamesischen Metropole kämpft besonders gegen städtische Armut und informelle Binnenmigra- tion und will von den Ansätzen nachhaltigerer Infrastrukturplanung lernen. Dabei setzt sie erstmals in ihrer Geschichte auf schienengebundenen öffentlichen Personennahverkehr und will sukzessive den allgegenwärtigen Moped-Stau durch ein modernes U-Bahnnetz mildern. Städte wie Ho-Chi-Minh-City orientieren sich weniger an Berlin oder München als an der Löwenstadt Singapur, die die Rolle der Modellstadt für Südostasien innehat. Tokio hingegen als größte, reichste und wichtigste asiatische Stadt, gereicht für Nordostasien zum Vorbild. Es stellt sich die Frage, ob die vermeintliche Verwestlichung der ostasiatischen Metropolen in Wahrheit sogar eher eine Japanisierung oder Singapurisierung ist?
Wirtschaftlich, politisch, religiös und kulturell waren die Fallbeispiele der Mega-City-Tagung so heterogen wie Ostasien selbst. Zu dieser Region gehören schließlich einige die reichsten Nationen (wie Japan und Südkorea) und der ärmsten der Welt wie Laos oder Kambodscha. Gemeinsam ist ihnen lediglich das rapide Stadtwachstum.
Der Autor studierte Architektur in Berlin und Chikago. Er ist freier Architekturjournalist und lebt in Berlin.
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