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Stadt – Land – Flut

2. Architektur Biennale Rotterdam
Stadt – Land – Flut

Das Plakat ließ unweigerlich die Assoziation an die große Flutwelle in Südostasien aufkommen, der Titel »The Flood« zerstörerische Bilder im Kopf entstehen, und die niederländische Variante, »de Zondvloed«, unterstützte diese apokalyptische Lesart. Doch spätestens während des Besuches der Hallen Las Palmas, wo der größte Teil der umfangreichen Präsentationen zur zweiten Internationalen Architektur Biennale gezeigt wurde, stellten sich neue und sehr gegensätzliche Bilder ein: die Flut als Herausforderung und kreative Kraft niederländischer Landgestaltung, und das seit mehr als 700 Jahren, aber auch – weit zerstörerischer als ein Tsunami – die Flut des weltweiten Tourismus mit der Folge einer Land(um)gestaltung, diktiert von den global gleichmachenden Parametern »mehr Sonne, mehr Küste, mehr Pool«. Zwischen diesen Extremen spannte Adriaan Geuze, Landschaftsarchitekt und Kurator der diesjährigen Biennale, den Bogen. Ein sehr hoher Anspruch, dem er über weite Strecken überzeugend gerecht wurde, und der von den Besuchern viel Zeit und Entdeckerfreude erforderte.

Geuze, bekannt durch seinen Masterplan für die Amsterdamer Pieranlagen Borneo und Sporenburg, ist bekennender »Wasserstadtbauer«, was sich an seiner Konzeption der Biennale ablesen lässt: Land und Wasser, zwei Elemente, die voneinander Raum beanspruchen, weiche, weil temporäre Übergänge bilden, die der Mensch seit Jahrhunderten nach seinen sich wandelnden Bedürfnissen gestaltet, sind seine »Pole«, das Wissen um die Regeln und Bedingungen dieser Gestaltung, das, wie Geuze attestiert, Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts verloren ging, will er revitalisieren und Zukunftskonzept neu interpretieren.
Anschaulich konsequent hat er die großen Ausstellungsflächen Las Palmas auf dem Wilhemina-Pier thematisch aufgeteilt in eine historische Betrachtung der Wasserstädte, die mit einer Vielzahl von Modellen den Wasserstadtbau vom 11 bis ins 20. Jahrhundert dokumentieren, sowie, getrennt durch das Biennale-Großprojekt Mare Nostrum, die Visionen der New Dutch Water Cities von internationalen Architekten. Temporäre Catamaran-Städte, Wasserfriedhöfe und schwimmende Stadien sind einige Vorschläge, die häufig an die utopischen Entwürfe der sechziger Jahre erinnern, allerdings bar deren politischer Radikalität.
Das ehrgeizigste und faszinierendste Projekt der Biennale, dem am Eröffnungswochenende eine zweitägige Konferenz Raum gab, stellte aber Mare Nostrum dar, das durch die Flutwelle des 26. Dezembers eine im Vorfeld nicht absehbare Aktualität gewann. Siebzehn Gastkuratoren aus »Wasser-Staaten« waren im Herbst 2004 eingeladen worden, die Situation ihrer Küsten zu untersuchen und neue Konzepte für deren Entwicklung zu präsentieren. Erschreckend deutlich, wenngleich sicherlich nicht überraschend, die Mehrzahl der Projektgruppen griff nach Analyse ihrer Wassergrenzen den zunehmenden Tourismus als größte Gefahr für ihre Küstenlinien auf.
Drastische Unterstützung erhielten alle Projekte durch den Gastvortrag John Urrys von der Universität Lancaster. Nach seinen Aussagen werden jährlich 500 Millionen neue Hotelzimmer weltweit gebaut, vorzugsweise an Küsten. Neben der von ihm so genannten neuen »Travels of Horror«-Reiseindustrie zu Kriegsschauplätzen und in ehemalige Konzentrationslager ist die Orientierung hin zu Küsten, verbunden mit globalen Bildvorstellungen von Hotel-Pools, reichhaltigen exotischen Frühstücksbuffets und schillernden Sonnenuntergängen, die expandierendste Tourismussparte. Horror und Sonnenbrand lägen dabei, was das Wachstum betrifft, fast gleichauf. Außerdem habe der Tourismus – seit längerer Zeit von terroristischen Vereinigungen als »lohnendes« Anschlagsziel entdeckt – neue gesellschaftliche Dimensionen erhalten: Tourismus und Terrorismus, Überreizung und Überwachung seien die neuen Gleichungen, unter denen sich das Bild der Küsten verändere, denn immer spektakulärere Eingriffe in die Natur seien erforderlich, um wenigstens für die Dauer von ein paar wenigen Saisonen ein marketingstrategisches Alleinstellungsmerkmal aufweisen zu können. Den Ort als eine Landschaft der kurzfristigen Sehnsucht zu formen (landscape), genüge nicht mehr, sie müsse begleitet sein von sound scapes, taste scapes und anderen Reizen, die sich schnell modifizieren lassen –, bedinge indessen überall die Anwendung gleicher Systeme und damit Instrumentarien der Nivellierung bis hin zur Landschafts(zer)störung.
Im NAI, als zentralem Tagungsort der Biennale, greift Adriaan Geuze mit den Ausstellungen »Three Bays« und »Polder« zwei weitere Wasser-Landbau-Themen auf: Three Bays, die Geschichte und Entwicklung der drei unterschiedlichen Wassermetropolen Amsterdam, Venedig und Tokyo, deren neue Zuwendung zum Wasser bei ähnlichen Problemen unterschiedlicher kaum sein kann, während »Polder« von der Kunst der permanenten niederländischen Landschaffung erzählt und damit von der »Künstlichkeit« der Niederlande, der schwächste Teil der Ausstellungen, da er gängige Klischees manifestiert: Kanäle, Alleen, Windmühlen, ohne Erwähnung von Techniken, Verantwortlichkeiten und Bauformen. elp
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