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Schlechtes Haus

Entwurf »Schlechtes Haus« an der Universität Kaiserslautern
Schlechtes Haus

Entwurf im WS 2003, Universität Kaiserslautern, Fachgebiet Darstellen und Entwerfen, Professor Luc Merx

Die Aufgabe des Entwurfs bezieht sich auf eine Erzählung, in der Häuser aktiv auf die Bewohner reagieren. Weil in einem Haus ein Mord geschah, ist das Haus traumatisiert und versucht nun, Menschen, die sich in ihm aufhalten, umzubringen. Der Entwurf nimmt diese Erzählung zum Ausgangspunkt, entwerferisch darüber zu reflektieren, welche Parameter die Qualität von Architektur bestimmen und sie auszuloten, indem man die gesetzten Grenzen vom guten zum schlechten Haus überschreitet. Die Entwürfe stellen also nicht zu verwirklichende Ergebnisse da, sondern sind mit den Mitteln der Darstellung und der Architektur gewonnene Positionen zu Grundlagen und Voraussetzungen von Gesellschaft. In den beiden vorgestellten Entwürfen sind Kollektivität und Indiviualität als extreme Formulierung Grundlage der Auseinandersetzung über die Rolle, die Möglichkeit und die Bedeutung von Architektur. ch
Entwurf Philipp Reichelt Die Inspirationen zu dem Entwurf »Schlechtes Haus« basierten auf dem Phänomen von Kowloon City, einem Stadtblock in Hongkong, der hinsichtlich Dichte, Belichtung, und schlechten Lebensbedingungen seinesgleichen sucht. Kowloon entwickelte sich aufgrund der geschichtlichen Umstände in eine anarchistische Raummutation. Das Fehlen jeglicher Regeln und Gesetze führte zu einer unübersichtlichen Gier nach Raum und zum Widerspruch zu allen gängigen stadtplanerischen Fiktionen. Dennoch funktionierte dieser Hyperblock in einem eigenem Biorhythmus äußerst homogen. 1992 wurde von der Regierung der Abriss des Hyperblocks veranlasst. Kowloon war ein »Entwurf« von 35000 Personen auf 2,5 Hektar. Das Ziel war es Aspekte dieser Struktur zu verinnerlichen und als einzelne Person umzusetzen.
Das schlechte Haus sollte als autarker Superblock entstehen, wobei die Bewohner keine Möglichkeit haben, das Gebäude zu verlassen. Es besteht aus 17 Etagen inklusive eines Versorgungssockels, von dem aus die anderen 16 Etagen beliefert werden. Das Innere besteht aus einer aus vier Strängen gebildeten Helix. Jeder Strang besteht aus 16 Einheiten, die mit den Modulen Schlafkojen, Spinde, Duschen und WCs und flexiblen Funktionsräumen für Klassenzimmer, Kindergärten, Supermärkte … bestückt sind. Die Helix schraubt sich mit ihren um jeweils 90 Grad gedrehten Strängen gegen den Uhrzeigersinn nach oben und bildet so den inneren Kern.
Diesen Kern umgibt eine weitere Vierfach-Helix, die aus Koch-, Wasch- und Essräumen zusammengesetzt ist. Die äußere Vierfach-Helix dreht sich um den inneren Kern im Uhrzeigersinn nach oben. An die äußere Helix fügen sich die großzügigeren Arbeitsräume. Wenn die Bewohner Licht haben wollen, müssen sie an die Fassade, zur Arbeit. Durch die Verdrehung der Helix entstehen Erschließungskombinationen, die das Verlassen von den Einheiten der einzelnen Helix-Stränge in mehrere äußere Helix-Stränge ermöglicht. Keine Etage gleicht der andern, was den Bewohnern einen extremen Orientierungssinn abverlangt. Der Bewegungsfluss erstreckt sich durch die komplett getreppten Gänge der einzelnen Helix-Stränge, die von oben bis unten durchlaufen werden können. Die Abtreppung der Elemente spiegelt im inneren Kern eine Seefahrromantik wider, da die Schlafkojen, Spinde, Duschen und WCs direkt an den Erschließungsgängen liegen. Im Endeffekt hat sich nun eine GFZ von 16 ergeben und 1300 Personen sind in diesem schlechten Haus untergebracht.
Im Verlauf des Entwurfsprozesses stellten sich zunehmend ethische Fragen. Was ist ein noch angemessener Lebensraum? Wieviel Intimsphäre braucht ein Mensch? Welche Szenarien sind in einer derartigen Dichte denkbar? Unter welchen Bedingungen bleibt der Mensch noch Individuum, wann bringt der permanente, enge Kontakt zwangsläufig eine Gleichschaltung der Gedanken mit sich? Wie verhalten sich Personen bei dem Entzug von Licht und Raum? Wo entstehen Qualitäten, die durch eine andere Behandlung des Themas nicht aufgetreten wären? Das Projekt war von Anfang an zum Scheitern verdammt und forciert worden, um sich gerade dadurch neuen Denkansätzen zu öffnen. P. R.
Entwurf Stefan Rinnebach Der Architekt berücksichtigt bei der Planung eines Hauses dessen mögliche Nutzung. Hier haben drei extreme Strategien für den Umgang mit der Nutzung zu drei Häusern geführt.
Zeitbezogen wird für eine bestimmte Nutzung der dafür benötigte Raum generiert. Für das erste Haus wird für jede Stunde der optimale Raum gebaut, wobei statt einer Stunde auch eine kleinere Einheit gewählt werden kann. Zudem sollen auch unwahrscheinliche Räume bis zu einem gewissen Grad möglich sein. Im zweiten Haus verformt sich der Raum den Bedürfnissen entsprechend zu jeder Zeit. Das dritte ist eine Mischform aus beiden.
Hier wird beispielhaft das erste Haus beschrieben. In diesem wird das Verhalten des Raumes stark von drei Ereignissen bestimmt, welche sich aus unterschiedlichen Arten von Wahrscheinlichkeiten ergeben.
An einem gewöhnlichen Werktag kann man Schlafen und Arbeiten als Tagesabschnitte sehen. Im Normalfall wechselt man während dieser Abschnitte nicht häufig den Ort, daher ergibt sich ein klarer, gradliniger Verlauf, der meist nur kurzfristig unterbrochen wird.
Die Räume, die zu diesem ersten Ereignis zählen, bilden einen Schlauch. Das Zurückkehren ist nicht möglich. Dadurch ist es notwendig, eine zweite gradlinige Formation von Räumen, zeitlich um die erwähnte Unterbrechung versetzt, parallel anzuordnen. Dies müsste sich so oft wiederholen, bis alle möglichen Unterbrechungen berücksichtigt sind. Ist die Tätigkeit dieses Tagesabschnitts beendet, muss lediglich die Möglichkeit bestehen, sie fortzusetzen. Die Wahrscheinlichkeit, dies zu tun, wird allerdings geringer, je weiter sich die Tätigkeit von dem ihr zugeordneten Tagesabschnitt entfernt.
In diesem Haus sind nur die Räume bewegungslos, in denen der Aufenthalt von kurzer Dauer ist: Die Zeit des Aufenthaltes entspricht der Zeit, die nötig ist, um die jeweilige Tätigkeit zu erledigen. Diese Räume werden miteinander kombiniert, wie das Bad und die Ankleide oder die Küche und das Esszimmer. Wenn die Spanne der Bedürfnisse groß ist, wie etwa morgens, entstehen Verkettungen (Bad-Ankleide-Küche-Essen). Diese Figurationen bilden den Typ des zweiten Ereignisses.
Das Essen kann eine lange Zeit in Anspruch nehmen, aber auch binnen kürzester Zeit erledigt sein. Nachts reicht eine Küche, und morgens ist der Essbereich unbeweglich, da sich das Essen nicht lange hinziehen wird. Ist dagegen ein langer Aufenthalt im Essbereich gegen Abend wahrscheinlich, so ist er mit der Küche verkettet, dann gehört er schon zum Typ des dritten Ereignisses: Die dem Raum zugeordnete Hauptnutzung rückt in den Hintergrund, Tätigkeiten verschmelzen miteinander. Der Mensch durchläuft die unbeweglichen Räume; dem gesamten System ist sein Aufenthaltsort bekannt, so dass sich die fahrbaren Teile auf die Person ausrichten können.
Räumen, denen kein klarer Tagesabschnitt zugeordnet werden kann, sind Räume des Aufenthalts. Fahrende Möbel und Installationen prägen diese Räume, deren Nutzung sich mit denen der anderen Räumen überschneidet. Diese Tätigkeiten laufen parallel oder ineinander verschachtelt, wie ausruhen, lesen, denken, etwas einnehmen und wieder lesen. Es wäre nicht schwer, jeder Tätigkeit einen Raum zuzuordnen, doch bei einem schnellen Wechsel der Tätigkeiten würde der Raumwechsel zuviel Zeit in Anspruch nehmen. Die fahrenden Installationen ermöglichen ein ständiges Zu- und Absteigen, wobei sie die Person stetig durch die Zeit bewegen. Die Kenntnisse für diese Raumarten werden aus den Diagrammen gewonnenen, in denen Zeit und Tätigkeit notiert sind. S. R.
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