In diesem Jahr überzeugt die Entscheidung der Prizker-Jury voll und ganz: Der Preis geht an Anne Lacaton, 1955 im französischen Saint-Pardoux geboren, und Jean-Philippe Vassal (Casablanca, 1954). Geehrt wird ein Architekturduo, das Themen, die sich heute mit aller Deutlichkeit aufdrängen, schon seit Jahrzehnten verfolgt: sparsamer Umgang mit den Ressourcen, cleverer Materialeinsatz und ungewöhnliche Umnutzungskonzepte. Beim Wohnhaus in Floriac (1993) nutzten sie erstmals ein luftiges Volumen aus Polycarbonatplatten, das als thermische Pufferzone wirkt und die Nutzfläche des Hauses informell vergrößert.
Ihr bisheriges Schaffen kulminiert in den Sanierungen von Grosswohnanlagen der Spätmoderne. Wegweisend war der Umgang mit der Tour Boil-le-Prêtre im Norden von Paris: Der 1958-61 errichtete Wohnturm wurde mit einer raumhaltigen Schicht aus Wintergärten und Balkonen umgeben, die herkömmliche Wärmedämmung überflüssig macht und überdies die kleinen Wohnungen durch differenzierte Außenräume und den Zugewinn an Wohnfläche aufwertet. Während viel zu oft Abriss und Neubau als unvermeidlich dargestellt werden, beweisen Lacaton Vassal in Paris, aber etwas später auch mit dem Ensemble Grand Parc in Bordeaux (2017), dass es auch anders geht. Die städtischen Figuren der Gebäude bleiben erhalten, die graue Energie wird bewahrt und Dank einfacher Materialien ist die Sanierung extrem kostengünstig, sodass die Bewohnerschaft im Haus bleiben kann. ~Hubertus Adam