Noch wenig bekannt, aber unbedingt sehenswert: Nach zweijähriger Restaurierung ist
Le Corbusiers Privatwohnung am südwestlichen Stadtrand von Paris jetzt für Besucher geöffnet. In der Rue Nungesser et Coli realisierte der Architekt mit seinem Cousin und Partner Pierre Jeanneret 1931-34 für einen
Investor das »Immeuble Molitor«, ein achtgeschossiges Wohngebäude mit komplett aufgeglaster Fassade und frei unterteilbaren Grundrissen. Für sich und seine Frau Yvonne Gallis gestaltete Le Corbusier die beiden oberen Etagen als Penthouse, in dem er bis zu seinem Tod im Jahr 1965 lebte, malte und schrieb. Die 240 m2 große Maisonette ist ein Mikrokosmos der architektonischen Konzepte und gestalterischen Ideen Le Corbusiers mit außergewöhnlichen Raumschöpfungen. Die ineinanderfließenden, vielfältig differenzierten Bereiche erstrecken sich über die gesamte Haustiefe. Auf der Ostseite befindet sich das Atelier, geprägt von einem Tonnengewölbe und der unverputzt belassenen Natursteinwand des Nachbargebäudes; daran schließt sich ein niedrigeres Schreibkabinett an, ganz in Holz ausgekleidet und belichtet durch Glasbausteine. Nach Westen orientiert sind, mit raumhoher Verglasung und durchlaufendem Balkon, der Wohn- und Essbereich und das unkonventionell gestaltete Schlafzimmer:
Hier dient ein drehbares Wandelement, Tür und Schrank zugleich, als Raumteiler, das hoch aufgeständerte Bett bietet den Ausblick über Boulogne, ein frisches Hellblau leuchtet aus der abgerundeten Duschzelle und harmoniert mit den kräftigen Farbtönen der Wände; weiße Glasleuchten ragen horizontal an schwarzen Stahlstangen in den Raum. Eine Wendeltreppe im Eingangsbereich zwischen Atelier und Wohnraum führt hinauf zum Gästezimmer und der teils beschatteten Dachterrasse.
Die besondere Atmosphäre dieser Räume konnte ich in den 80er Jahren während eines Praktikums bei André Wogenscky, einem langjährigen engen Mitarbeiter Le Corbusiers, erleben, dessen Architekturbüro sich von 1973-91 hier befand. Die Zeichentische standen damals im großen Atelierraum, dessen Fassaden aus transluzentem Drahtglas wie Lichtwände wirkten. Die Drehtüren gaben den Blick durch die großzügigen Raumfolgen frei, eine Fülle von Licht strömte von oben
über die offene Wendeltreppe herein. Erstaunt war ich über die schmale, effizient organisierte Küche mit ihren original erhaltenen Einbauschränken und Zinn-Arbeitsplatten, ebenso wie über die schlanken Stützen, das Waschbecken mit sichtbarer Leitungsführung im Bad, die feingliedrigen Regale, die minimierten Fensterrahmen und Beschläge.
Das von der Fondation Le Corbusier denkmalgerecht sanierte und im Zustand von 1965 wiederhergestellte Atelier-Apartment, eingerichtet mit originalem Mobiliar, Kunstwerken und Sammelobjekten, vermittelt nicht nur einen Eindruck des Lebensstils von Le Corbusier. Es lädt dazu ein, neue Facetten des Architekten und seiner Persönlichkeit zu entdecken.