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Forderung: mehr technische Kompetenz für Architektur-Absolventen!

Welche Qualifikationen erfordert das Berufsbild Architekt?
Mehr Praxis ins Studium!

Mehr Praxis ins Studium!
Exkursion EnergieAgentur.NRW zum Gas-und-Dampf-Kraftwerk Lausward, 2017, Foto: photo professional / Klaus Voit

Aus Büros und von Studierenden ist immer häufiger den Ruf nach mehr Praxisbezug im Studium zu hören. Die Hochschulseite hält dagegen, dass sie nicht für die Praxis ausbilde, sondern schwerpunktmäßig Kompetenzen im Entwurf vermitteln müsse. Leider wird diese Diskussion mehr emotional als sachlich geführt, obwohl dies in Zeiten des Fachkräftemangels und des Bachelors als berufsqualifizierendem Abschluss mehr als notwendig wäre (s. auch Kommentar in db 10/2018).

Eine Befragung von Planern, Sachverständigen und Immobilienunternehmern offenbarte zwei konkrete Problemstellungen: Zum einen hat sich das Bauen erheblich verändert. Heute ist die KG 400 oftmals umfangreicher als der Hochbau. Selbst Wohngebäude sind mit einem Bus-System vernetzt, werden über Apps gesteuert, und bei der Erstellung haben u. a. Bauphysiker, Energieberater und Bauökologen mitgewirkt. Auch der Bauprozess selbst wird komplexer. Dafür erforschen seit 2018 am »Center Construction Robotics« der RWTH Aachen die Fachleute gemeinsam mit Industriepartnern wie Liebherr Turmdrehkrane, Kuka (Roboter und Systemtechnik) und Autodesk Baustellenabläufe von morgen.

Zum anderen verändern sich auch die Planungswerkzeuge. Aus der Weiterentwicklung von Tuschezeichnungen entwickelten sich die ersten 2D CAD-Programme, die heute sukzessive durch digital vernetze Planungstools bei allen Baubeteiligten ersetzt werden. Aus dieser Situation resultierte z. B. die Gründung des ersten Exzellenzclusters in der Architektur an der Uni Stuttgart: »Integratives computerbasiertes Planen und Bauen für die Architektur«. Die Arbeitsbereiche des Planers und des Informatikers rücken immer näher zusammen.

Hinzu kommen die Auswirkungen der Klimakrise, deren Ursachen im großen Maß auf den Gebäudesektor zurückzuführen sind. Angesichts dieser Herausforderungen darf der Veränderungsprozess in der Branche nicht erst mit der Berufstätigkeit beginnen, sondern der Grundstein für eine veränderte Denkweise muss bereits im Studium gelegt werden. Dass dies auch innerhalb der Architektenschaft so gesehen wird, zeigt z. B. die Argumentation von Hartmut Niederwöhrmeier vom BDA Bayern, der 2015 in seiner Stellungnahme »Minimum als Ausbildungsziel?« feststellt: »Die zunehmende Komplexität von gestalterischen, technischen, funktionalen, organisatorischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Anforderungen, die an Architektinnen und Architekten in Zukunft verstärkt gestellt werden, erfordert eine Ausbildung von neuer und erhöhter Qualität.«

Ein Blick auf die Kreativtheorie verdeutlicht ergänzend, warum die Fokussierung nur aufs Entwerfen kontraproduktiv ist: Ging man bis vor ca. zwei Jahrzehnten davon aus, dass Kreativität durch eine große Zahl von ergänzenden Faktoren behindert wird, ist der Stand heute ganz anders: Wer wirklich schöpferisch und kreativ tätig ist, hat i. d. R. breit gefächerte inhaltliche und fachliche, über Jahre hinweg ausgebaute Kompetenzen.

Bereits um 1800 hielt Jean-Nicolas-Louis Durand als Professor für Architektur an der Pariser École polytechnique – dessen Unterricht Theorie und Praxis verband – fest, dass im Studium nur die wesentlichen Grundlagen vermittelt, nicht aber vollwertige Architekten ausgebildet werden. Der Autor ergänzt: Wer wirklich kreativ entwerfen will, muss die heutige Komplexität von Gebäuden und die Planungsmethoden einer vernetzt-digitalen Welt verinnerlicht haben, um sie selbstverständlich in den Entwurfsprozess einfließen lassen zu können. Die Grundlage dafür sollte bereits ab dem ersten Semester gelegt werden …

~Thomas Lehmann

Thomas Lehmann bewegt sich seit über 20 Jahren in den unterschiedlichen Tätigkeitsfeldern der Architektur. Gegenwärtig leitet er das Wettbewerbsteam der FH Aachen für den Solar Decathlon Europe SDE21. Sein Promotionsthema befasst sich mit Hochschuldidaktik in der Architektur.


Wie stehen Sie zu Thomas Lehmanns Plädoyer für mehr technische Kompetenz von Architektur-Absolventen? Ist in der Architekturausbildung alles in Butter oder noch viel zu reformieren?
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