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Masterplan für das zerklüftete Köln

Diskurs
Masterplan für das zerklüftete Köln

Als Ende 2007 bekannt wurde, dass die Industrie- und Handelskammer Köln einen städtebaulichen Masterplan

~Boris Sieverts

Innenstadt in Auftrag gegeben und die Stadt Köln bereits im Vorhinein die mehr oder weniger ungeprüfte Annahme dieses Planwerks signalisiert hatte, wurde dieser Vorgang von vielen – mich eingeschlossen – skeptisch betrachtet. Nicht nur die Vorgehensweise schien demokratisch fragwürdig, sondern in Anbetracht des Auftraggebers war eine Anleitung zur sauberen, aufgeräumten, touristisch leicht konsumierbaren (und sich damit leider ästhetisch auch schnell abnutzenden) Stadt zu befürchten. Mithin eine Planung, die die Eigenarten dieser Stadt, nämlich ihren Reichtum an Brüchen, an historischen und ästhetischen Überlagerungen, an spannungsvollen Asymmetrien und Reibung erzeugender Unvollkommenheit, durch Rezepte aus dem Gestaltungshandbuch der globalisierten Innenstädte zu ersetzen sucht. Herausgekommen ist aber etwas ganz anderes: Ein sich – teilweise sogar penibel – mit Detailfragen auseinandersetzendes Planwerk, das die gewordene Stadt in ihren oben beschriebenen Eigenarten grundsätzlich erkennt und anerkennt, auf Situationen (sowohl räumliche als auch besitzständische und zeitliche) eingeht und dabei die einfache Frage, was sich verbessern ließe, nicht aus den Augen verliert.
Kernstück des Masterplans ist die Gliederung des Untersuchungsraumes in sieben Interventionsräume: Rhein, Ringe, Innerer Grüngürtel, Nord-Süd-Fahrt, Ost-West-Achse, City, rechte Rheinseite. In dieser Systematik liegt auch die größte Stärke des Plans, denn die Einteilung in diese Interventionsräume bietet nicht nur strategisch geschickte, weil in der Planungspraxis auch verfolgbare Teilziele, sondern sie bildet auch relativ präzise psychogeografische (linksrheinische) Kölner Befindlichkeit ab. Wobei die Leistung hierbei nicht nur in der Findung der Interventionsräume liegt, sondern gleichermaßen in der Auslassung ganzer Stadtsegmente, im Wesentlichen der innenstädtischen Wohnquartiere, aus jeglichem Interventionsraum. So verzichtet der Masterplan auf den Versuch, die Stadt in ihrer Gesamtheit »aus einem Guss« erscheinen zu lassen und benennt gleichzeitig diejenigen Teilräume, die von einer in sich homogeneren Behandlung profitieren, ja teilweise überhaupt erst erkennbar werden sollen. Was sich daraus ergeben könnte, ist eine Stadt, die nicht nur, wie bisher, durch ihre erzählerische Durchwirktheit besticht, sondern zugleich auch diejenigen Momente von Klarheit und Orientierung bietet, die andererseits das Erleben des Durchwirkten, des Labyrinthischen und Widersprüchlichen für den Nichteingeweihten manchmal überhaupt erst möglich, zumindest aber erst genießbar machen.
Bei aller Einfühlsamkeit und allem Sicheinlassen auf Kölner Gegebenheiten sind die Planer des Büros Speer einer Falle aber doch nicht entgangen: derjenigen der Behandlung der rechten Rheinseite aus einer unverkennbar linksrheinischen Perspektive. Das zeigt sich schon in der Einteilung der Interventionsräume: Während in der linksrheinischen Stadthälfte differenziert Teilräume benannt werden, wird das gesamte rechtsrheinische Köln als ein Interventionsraum behandelt. Während im Linksrheinischen dezidiert städtebaulich – mit Raumfolgen und Atmosphären – argumentiert wird, kommen rechtsrheinisch auch die üblichen Phrasen aus der Stadtentwicklung und -verwertung zu Wort. Sprechendes Beispiel hierfür ist die Beurteilung der verbliebenen beiden Häfen als suboptimale Nutzung der Reserven in hochwertigen, innenstadtnahen Lagen. Die Häfen sind, in ihrer jetzigen, industriell geprägten Form, für viele Spaziergänger starke, heterotope und ihre Stadtwahrnehmung aktivierende Bausteine des Stadtraums Rhein. Orte, die aus einer anderen Zeit oder einer anderen Wirklichkeit als ihre Umgebung zu stammen scheinen. Die man für sich entdecken und anderen zeigen kann. In die hinein- und aus denen heraustretend man das jeweils andere fremd und neu erlebt. Hier, wie auch an einigen anderen Stellen, zum Beispiel bei den manchmal etwas rezepthaften Raumkantenschließungen, der undifferenzierten Behandlung von Baulücken als bloßes Nachverdichtungspotenzial oder der Narbenpolitur entlang der Verkehrswunden aus der Nachkriegszeit, wäre ein noch deutlicheres Bekenntnis zur Stadt als modernes Gesamtkunstwerk wünschenswert gewesen.
Betrachtet man die Kölner Innenstadt, so bietet sie ein recht zerklüftetes Bild, heißt es im Vorwort der »Unternehmer für die Region«, den Auftraggebern des Masterplans. »Zerklüftet« beschreibt eine räumliche Qualität. Das Spektrum dieser Qualität reicht in Köln von wild und aufregend, wie zum Beispiel der Karambolage aus Dom und Eisenbahn, über spielerisch bewegt bis hin zu Ödnis durch Diffusität. Speer und Partner haben nicht an einer pauschalen Glättung Kölns gearbeitet. Sie haben mit feinem Gespür und guter Priorisierung diejenigen Teile des Stadtkörpers herausgearbeitet, die durch eine homogenere Behandlung überhaupt erst lesbar werden, und leisten damit ihrerseits womöglich einen Beitrag zu der gleichen Dynamik, die auch das Zerklüftete an seinen besseren Stellen entfaltet. Den Tiger geritten, also mit den Unvollkommenheiten gearbeitet und sie ins Erhabene überführt, wie es beispielsweise das Museum Kolumba von Peter Zumthor schafft, und wie es sich für eine Stadt wie Köln vielleicht generell empfiehlt, haben sie allerdings nicht. Vielleicht braucht es dafür konkretere Projekte, die sich durchaus auch aus dem Masterplan ergeben könnten.
Die kursiv gesetzten Satzteile sind Zitate aus dem vorgelegten Masterplan.
Der Autor ist Reiseführer und Betreiber des »Büro für Städtereisen«, Köln.
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