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Der digitale Bauantrag ist nicht genug.

Kommentar
Der digitale Bauantrag ist nicht genug

Der digitale Bauantrag ist nicht genug
Baugenehmigung einer Garage von 1932, Foto: Havelbaude

~Markus Hennecke

Als Anfang des Jahres der digitale Bauantrag eingeführt wurde, haben viele ihn als Meilenstein bei der Modernisierung der öffentlichen Verwaltung wahrgenommen. Das Onlinezugangsgesetz gibt Bürgern das Recht, auf digitalen Wegen mit der Verwaltung zu kommunizieren – so auch Architekten und Ingenieuren. Das ist grundsätzlich zu begrüßen.

Aber bei genauerer Betrachtung hat diese Veränderung einen Innovationsgrad, als wenn der Postillion auf seiner Kutsche das Posthorn durch ein elektrisches Horn ersetzt. Daten verbleiben weiterhin in Dokumenten eingeschlossen. Sie liegen ab jetzt nicht mehr in einer Papierakte hintereinander, sondern auf einem Server nebeneinander.

Zu der geringen Innovationstiefe, für die grundsätzlich noch die Hoffnung besteht, dass irgendwann weitere Entwicklungen stattfinden, kommt ein anderes Problem: Jede lokale Bauaufsicht setzt ihr eigenes System ein. Das mag juristisch korrekt sein, da Kommunen hoheitliche Rechte über die Prozesse haben, birgt jedoch die Gefahr, dass wir am Ende eine Diversität der Prozesse haben, die jeder Planungsbeschleunigung zuwiderläuft. Daher sollte die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung weiter gefasst werden.

Auch wenn Bauen oft mit schweren Maschinen und Baustoffen assoziiert wird, ist es vor allem ein Management großer Datenmengen. Im urbanen Raum gibt es kaum einen Quadratmeter Grundfläche, für den nicht Daten hinterlegt sind. Daten aus Bau, Betrieb und Unterhalt. Daten über Eigentumsverhältnisse, Fauna, Lärm, Luftverschmutzung, Bauten, Versorgung, Verkehr, Soziologie und vieles mehr. In jedem einzelnen Bauvorhaben werden Daten wie Teile eines Puzzles zusammengefügt. Jedoch anders als bei einem Puzzle liegen die Daten in unterschiedlichsten Formaten und Detaillierungsgraden vor. Sie liegen auch nicht in einer großen Kiste, sondern in verschiedenen kleinen, jede mit einem gesonderten Besitzer.

Von Bauprojekt zu Bauprojekt werden Daten aufbereitet. Als Stand der Technik kann zum Beispiel für eine Baugrube ein digitales Modell in 3-D gelten, das nicht nur die neu zu erstellenden Objekte beinhaltet, sondern auch Bestandsobjekte wie die Nachbarbebauung. Derartige Modelle haben eine hohe Qualität und wären auch für Projekte Dritter in der Nachbarschaft nutzbar. In der aktuellen Praxis verschwindet die Arbeit nach Abschluss des Projekts jedoch in analoge oder digitale Papierkörbe oder bestenfalls in große Archive.

Wie viel Mehrwert könnte stattdessen generiert werden, wenn die aufbereiteten Daten der einzelnen Projekte in ein integrales Datenmodell der Stadt überführt würden? Ein Modell, das der Gemeinschaft ohne Grenzen zugänglich ist. Dessen Daten schon in die Projektentwicklung eingebunden werden können, um Planungsprozesse zu beschleunigen. Diese Vision ist mit Sicherheit eine große Herausforderung, obwohl viele Techniken zum Teil schon seit Jahren zur Verfügung stehen, etwa die Geoinformationssysteme. Die wahrscheinlich größere Herausforderung ist ein Wandel im gesellschaftlichen und politischen Verständnis von Datenmodellen. Rollen und Aufgaben müssen sich ändern. Das betrifft auch staatliche und öffentliche Institutionen: Man denke nur einmal an die Katasterämter, die zwar einen wichtigen Beitrag dazu leisten, Eigentumsverhältnisse mit hoher Rechtssicherheit zu bezeugen, die darüber hinaus aber auch als Händler von Daten auftreten, die sie oftmals mit dem Geld der Bürger generiert haben. Diese Daten könnten künftig in einem integralen Datenmodell frei zugänglich sein, während sich Behörden darauf beschränken, für Ordnung, Sicherheit und Qualität zu sorgen. Das Argument des Datenschutzes wird in Deutschland gerne zur Abwehr der Entwicklungen genutzt. Werden europäische Richtlinien jedoch richtig umgesetzt, ist der Datenschutz eine wichtige Stütze.

Die Dringlichkeit der Dekarbonisierung in der Energiewirtschaft, im Bauwesen und im Verkehrssektor erfordert, Planungsverfahren zu beschleunigen. Mit der immer umfangreicheren Datenmenge, die bei Vorhaben erfasst werden muss, stößt das derzeit praktizierte Datenmanagement allerdings an seine Grenzen. Ein integrales Datenmodell für Kommunen wäre dagegen das ideale Umfeld für Bauanträge. Nicht nur Daten, die für die Baugenehmigung unmittelbar notwendig sind, sondern auch solche, die das Bauvorhaben beeinflussen, wären verfügbar. Der Antragsteller würde mit dem Datenmodell den Bauantrag erstellen und die Behörde würde ihre Genehmigung in dem Datenmodell erteilen, das auch Belange Dritter oder Träger öffentlicher Belange einbezieht.

Mut und Weitsicht aller Beteiligten sind gefordert, die Digitalisierung als Instrument zu entwickeln und einzusetzen, das der Gesellschaft hilft, die großen Aufgaben anzugehen. Die Digitalisierung ist in diesem Sinn kein Selbstzweck, sondern Grundlage. »We built this city on rock and roll« dudelte es in den Achtzigern aus den Radios. Künftig sollte es heißen: »We built this city on data«.

Der Autor ist Vorstandsmitglied der Bayerischen Ingenieurekammer-Bau.

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