Bei der Begegnung mit dem langgestreckten Glasriegel des neuen Bauhaus-Museums in Dessau von Addenda Architects (Barcelona), der sich tagsüber nahezu einblickdicht präsentiert, regen sich bei mir zwei Impulse. Der eine schreit »Bloß schnell weg hier« angesichts der Spiegelglasästhetik eines Autohauses aus den 90er Jahren. Der andere plädiert für »fix reingehen«. Reingehen erweist sich als die richtige Wahl. Richtig war auch die Entscheidung, das neue Museum nicht draußen bei Bauhausgebäude und Meisterhäusern zu errichten, sondern ihm einen Platz im Herzen Dessaus zu geben. Die Stadt kann es brauchen. Innen fühlt man sich etwas wie in einem Aquarium mit Nadelstreifen; für den Vogelschutz wurde die Glasfassade zusätzlich nachgerüstet. Derart gestreift geht der Blick auf den angrenzenden Park – oder auf den Nachwendekoloss des städtischen Einkaufszentrums.
Das also ist nach 100 Jahren das gebaute Erbe des Bauhauses? Na ja. Auch im Innern wartet das Museum (Baukosten: rund 30 Mio. Euro) wegen seines finanzknappen industriell-ruppigen Betongrummelns nicht gerade mit einem berauschenden Architekturerlebnis auf. Im Kern besteht es aus einem weitgehend leergeräumten EG, das als flexibel bespielbare Veranstaltungs- und Sonderausstellungsfläche dient. Das bietet Chancen. Zwei Erschließungskerne führen in das OG, das als Brückenkonstruktion über dem EG schwebt. Eine Blackbox, die alle Blickbezüge in die Gegenwart der Bauhaus-Stadt verweigert. Und warum die Brückenkonstruktion? Soll das ernsthaft eine Hommage an Lena Bo Bardis Kunstmuseum sein? Solch eine Box wäre unter der Erde genausogut vorstellbar gewesen.
Das Bauhaus in Dessau, so klingt die Botschaft, ist endgültig im sich selbst genügenden Olymp der Hochkultur angelangt. Dass die Präsentation der Dessauer Bestände unter dem Titel »Versuchsstätte Bauhaus« dennoch gut funktioniert, verdankt sie nicht zuletzt der Szenographie von Chezweitz aus Berlin. Deren leuchtend orangefarbenes Ausstellungsmöbel »Horizont Fabrik« durchzieht den zentralen Ausstellungsraum wie ein Rückgrat und gliedert ihn geschickt. Im Wechsel von offenen und geschlossenen Sequenzen lädt es zum lustvoll-neugierigen Schauen und Stöbern ein. Auch die beiden kleineren Ausstellungsräume wissen durch ihre lebendige Inszenierung zu überzeugen. Ist am Ende also doch alles gut in Dessau? Leider nein. Denn trotz der sehenswerten Ausstellung spürt man allenthalben, dass der Neubau nicht angemessen budgetiert wurde. Auch ist er keine architektonische Lösung, die des Bauhauserbes würdig wäre.
~Jürgen Tietz
Architekten: addenda architects, Barcelona
Ausstellungsgestalter: chezweitz, Berlin
Projektsteuerung: Teamproject, Berlin
Lichtplanung Allgemeinbeleuchtung: Lichtvision Design, Berlin
Lichtplanung Ausstellungslicht: ENVUE HOMBURG LICHT, Berlin
Haustechnik: Inros Lackner, Rostock
Lichtbandsystem TECTON, Strahlersystem ARCOS: Zumtobel, Dornbirn