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Warum der Berliner Großflughafen BER zum Desaster wurde

Fehlender Durchblick
Warum der Berliner Großflughafen BER zum Desaster wurde

Warum der Berliner Großflughafen BER zum Desaster wurde
Noch eine lange Durststrecke bis zur Eröffnung: Die Inbetriebnahme von BER ist noch nicht in Sicht Foto: Marcus Bredt, Berlin
Seufz. Ein Damoklesschwert ist den Verantwortlichen des Flughafens BER genommen worden: Am 3. August genehmigte die EU neue Kredite bzw. die Landesbürgschaften dazu. Nun können weitere 2,2 Mrd. Euro zugebuttert werden. Eine Summe, die spielend für einen kompletten Neubau reichen würde.


~Falk Jaeger

Zum Vergleich: Das 2012 eingeweihte Terminal A+ in Frankfurt (185 000 m², gut halb so viel wie beim BER) wurde in fünf Jahren fertiggestellt und kostete 500 Mio. Entwurf sowie kosten- und termingerechte Realisierung: gmp Architekten! Und wieder heißt es, mit den jetzt 6,8 Mrd. werde man auskommen. Worauf niemand einen Cent setzen würde, denn der Nachsatz: »Wenn nichts Gravierendes mehr dazwischen-kommt« bildet mittlerweile sozusagen die Fußzeile auf jedem Papier, das die Flughafengesellschaft veröffentlicht. Doch es gibt noch ein Damoklesschwert: Nächsten Herbst läuft die EU-Betriebserlaubnis für Tegel ab. Die Beantragung einer Verlängerung sei kein großes Problem. Sagt die Flughafengesellschaft, aber wer würde darauf wetten wollen … Als kürzlich der Untersuchungsausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses seinen Bericht veröffentlichte, wurde deutlich, dass all die Jahre alle Unkenrufe der Kritiker untertrieben waren, dass kein Außenstehender das Ausmaß der Misere erahnen konnte. »Kollektives Versagen« habe es laut Bericht gegeben, womit den schärfsten Anschuldigungen gegen einzelne verantwortliche Politiker die Spitze genommen war. Es empfiehlt sich daher, nicht den Bericht, sondern die Minderheitenvoten der Oppositionsparteien, der Grünen und der Piraten zu lesen (die Linke war bis 2011 auch in der Regierungsverantwortung).

Wichtigstes Fazit:
1. Der Vorstand der Flughafengesellschaft hat auf ganzer Linie versagt.
2. Dem von Politikern wie Wowereit und Platzeck geleiteten Aufsichtsrat ist es nie gelungen, sich Durchblick zu verschaffen und die Flughafengesellschaft zu kontrollieren. Er wurde von deren Vorstand permanent desinformiert und getäuscht.
3. Die Gesellschafterversammlung (Land Berlin, Land Brandenburg, Bundesrepublik Deutschland) hat den Aufsichtsrat nicht kontrolliert. Das ist nicht verwunderlich, ist er doch mit untergeordneten Chargen besetzt. Wie sollen die ihre Chefs kontrollieren? Deutlich wurde auch das groteske Ausmaß der Fehler, die der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit sich zuschulden kommen ließ. Allein seine persönlichen Fehlentscheidungen haben einen Milliardenschaden und jahrelange Verzögerungen verursacht. Er hat teure und zeitraubende Änderungen durchgesetzt, etwa den A380-Gate. Und er hat im Mai 2012, nach dem geplatzten Eröffnungstermin, auf Anraten des Vorstands Rainer Schwarz, kurzerhand Handlungsstärke bewiesen – und die Falschen gefeuert. Nämlich die Planungsgemeinschaft, die Architekten, und mit ihnen das Knowhow von 160 Fachleuten. Versagt hatten jedoch die Vorstände und die Projektsteuerung bzw. das Controlling. Damit fuhr das Projekt endgültig vor die Wand. Andererseits hat Wowereit noch über ein Jahr an Schwarz festgehalten bis der Druck zu groß wurde. Schwarz hatte Wowereit mit einer Aktennotiz in der Hand, die bewies, dass er Wowereit entgegen dessen Aussage schon lange vor dem geplatzten Eröffnungstermin informiert hatte, dass der Termin nicht zu schaffen sei. Wowereit, geschickter Politprofi, ist es geglückt, einen geschmeidigen Abgang zu inszenieren. Als ihm klar wurde, dass Schwarz im Prozess um seine Abfindung (den der gewann!) die Aktennotiz präsentieren werde, verkündete er rasch seinen Ausstieg aus der Politik. Heute ist er gern gesehener Partygast, der mit seinem angekratzten Image kokettiert, indem er launige Bemerkungen zum BER macht.
Der Untersuchungsbericht listet auf mehr als 300 Seiten (ohne Anlagen) eine unfassbare Kette von Versäumnissen, Missmanagement und Täuschungen auf, die ratlos macht. Am meisten gelitten haben die Architekten, die ihr Werk »zerschossen« sahen (M. v. Gerkan) und für die das Projekt eine »Black Box BER« war, so der Titel seines Buchs, in die ihnen der Bauherr Einblick und Einfluss verwehrte.
Aber was haben wir daraus gelernt? Immerhin, die Bundesregierung hat 2013 eine »Reformkommission Großprojekte« beauftragt, Empfehlungen zu erarbeiten. Ergebnis ist ein Zehn-Punkte-Aktionsplan, den man so zusammenfassen könnte: Frühzeitige und vollständige Planung und Kostenplanung vor Baubeginn ohne nachfolgende Änderungen, partnerschaftliche Zusammenarbeit aller Beteiligten, klare Prozesse, Zuständigkeiten und Kontrollmechanismen. Selbstverständlichkeiten eigentlich, die beim BER außer Acht gelassen wurden.
Übrigens: Stuttgart 21 ist wahrscheinlich über das Projektstadium, in dem man im Sinne dieser Punkte noch hätte gegensteuern können, hinaus. Vielleicht ist bei Teilprojekten noch was zu machen, aber das Gesamtprojekt befindet sich auf der schiefen Ebene. Und so wie man in Berlin träumt, dass man mit dem Geld alle maroden Schulen hätte sanieren können, so dämmert es auch der Bahn, dass eine breitere Streuung der Mega-Investition auf das Gesamtnetz weit mehr als die für S21 prognostizierte Verkürzung der Reisezeit aller Verbindungen um dürftige 5,3 Minuten bringen würde.

Falk Jaeger ist freier Architekturkritiker und Publizist in Berlin.


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