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Die Hoffnung bleibt

Industriebau-Ensemble von Manfred Lehmbruck bedroht
Die Hoffnung bleibt

Industriearchitektur der 50er Jahre macht nur selten auf sich aufmerksam, sind doch viele der Bauten unter dem wirtschaftlichen Druck der Nachkriegsjahre und den noch begrenzten planerischen und materiellen Ressourcen zumeist architektonisch anspruchslos realisiert.

Nicht so die Bauten der Buntweberei und Textildruckerei Pausa in Mössingen bei Tübingen. Die Firma, deren Geschichte bis ins Jahr 1871 zurückreicht, beauftragte 1951 Manfred Lehmbruck, den Sohn des Künstlers Wilhelm Lehmbruck, erstmals für den Bau eines Fabrikgebäudes in Mössingen. Außer einer älteren Shed-Halle sind nachfolgend sämtliche Gebäude der Pausa Textilfabrik vom seinerzeit jungen Architekten Manfred Lehmbruck (1913 – 92) geplant worden. Seine bedeutendsten Werke sind zweifelsohne die Museumsbauten, wie das Reuchlinhaus in Pforzheim (1961), das Wilhelm-Lehmbruck-Museum in Duisburg (1964 und 1987, siehe db 1/01) und das Federsee-Museum in Bad Buchau (1968, siehe db 1/90). Dabei sind insbesondere die Pausa Textilwerke ein außergewöhnliches Beispiel der Industriearchitektur der Nachkriegszeit. Nur sechs Jahre nach Kriegsende, 1951, wurde ein Handdruckgebäude entworfen, das den zwischenzeitlich vorherrschenden Heimatstil des Nationalsozialismus in Deutschland überwindet. Innen entsteht eine Halle mit einem Rhythmus von Oberlichtern innerhalb filigraner, aneinander gereihter Betonhalbschalen; im Außenbild ergibt sich eine Ansicht, bei der zum Fensterband gereihte Vertikalfenster als lange horizontale Linien den bewegten Schwung der gereihten Segmentgiebel kontrastieren: eine Konfrontation der Architektur der klassischen Moderne mit den schwingenden Formen der 50er Jahre.
Außer dem Handruckgebäude entstanden bis 1960 auf dem Gelände noch eine Produktionshalle, ein Kesselhaus mit Schlosserei und Kantine sowie ein Verwaltungsgebäude mit einem vorgestellten Treppenhaus. Die Gebäude sind dabei nicht, wie im Gewerbebau üblich, völlig frei nach Funktionen und Betriebsabläufen auf dem Firmengelände angeordnet, sondern bilden als Ensemble eine städtebauliche Konfiguration, die klare Freiräume schafft. Durch die Stellung der Gebäude zueinander, das Spiel von Vertikalität und Horizontalität, Außen- und Innenräumen sowie die Integration von Kunstwerken HAP Grieshabers, hat das Firmenareal der Pausa Textilwerke als Sachgesamtheit die Bedeutung eines Kulturdenkmals, das in anderem Zusammenhang außerhalb des Gewerbebaus auch als Gesamtkunstwerk bezeichnet werden könnte. Gerade der noch fast vollständig erhaltene Zustand aller Bauten samt Einrichtung aus der Entstehungszeit zeichnet dieses Ensemble der Pausa Textilwerke in besonderer Weise aus.
Anfang 2004 haben die Pausa Textilwerke Konkurs angemeldet. Ein Plan zur Rettung der Firma, der 2003 den Verkauf und Abriss des denkmalgeschützten Handdruckgebäudes zugunsten der wirtschaftlichen Sanierung der verkleinerten Firma vorsah, ist nach wie vor aktuell: Das konkrete Abrissgesuch liegt vor. Ein Bauvorbescheid, der zunächst akzeptierte, das Handdruckgebäude von 1951 zugunsten eines Einkaufmarktes abzubrechen, hat Rechtsgültigkeit bis 2005. Dennoch ist die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass das Ensemble noch erhalten werden kann, da die früheren Argumente der Freigabe des denkmalgeschützten Baus zum Abriss unter der geänderten Situation des Konkurses nicht mehr aufrecht erhalten werden können. Der Gemeinderat der Stadt und das Regierungspräsidium als oberste Denkmalbehörde tragen nun die Verantwortung, ein Stück Bau- und Kulturgeschichte der Nachkriegszeit vor dem banalen Kommerz der Gegenwart zu beschützen. Frank Hovenbitzer
Der Autor arbeitet als freier Architekt und Kulturwissenschaftler in Lörrach und Basel. Weitere Information: AK Baden-Württemberg, Kammergruppe Tübingen, Burkhard M. Sambeth; Schwäbischer Heimatbund, Ortsgruppe Tübingen, Andreas Vogt
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