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Berliner Werberäume

Diskurs
Berliner Werberäume

Die Fußball-Weltmeisterschaft beherrscht derzeit das Zentrum Berlins, nicht nur als sportliches Großereignis, sondern vor allem als ein Werbeereignis der Sonderklasse: Die Telekom hat dem Fernsehturm am Alexanderplatz einen magentafarbenen Riesenfußball umgewandelt. Der Bund der Deutschen Industrie hat gemeinsam mit der Bundesregierung den Adidas-Stollenschuhen, der Aspirin-Tablette und dem Automobil im Rahmen der Kampagne »Germany, Land of Ideas« meterhohe Denkmäler aus Kunststoff gesetzt, die die Leistungs- und Innovationsfähigkeit deutscher Unternehmen symbolisieren sollen. Die offiziellen »Public View-ing Events« wie die Fanmeile zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule auf der Straße des 17. Juni sind ausschließlich den offiziellen Sponsoren als Werbeflächen vorbehalten.

Eine Werbemaßnahme der besonderen Art präsentiert der Sportartikelhersteller Adidas. Denn Adidas – nicht etwa »König Fußball«, wie der damalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse im September 2005 verkündete – regiert zur Fußball-Weltmeisterschaft im Parlamentsviertel: Vor dem Reichstag auf dem Platz der Republik wurde der Themenpark »adidas world of football« errichtet, in dem täglich 70 000 Besucher erwartet werden. Hauptattraktion der 40 000 m² großen Anlage ist die als 13. WM-Stadion angepriesene Adidas-Arena, eine Nachbildung des Berliner Olympiastadions. Auf zwei Großbildleinwänden werden dort alle 64 Spiele der WM übertragen und Konzerte sowie Fernsehshows ausgerichtet. Die umliegende Anlage wird diverse Freizeitangebote zum Thema Fußball bieten.
Mit der Arena platziert der Konzern im Herzen Berlins eine dreidimensionale Werbewelt, in der die Fans nach dem Konzept der Branding Centers durch eine physische Erfahrung emotional an die Marke gebunden werden sollen. Auch medial wird die Arena außerordentliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Mit dem Berliner Olympiastadion wird ein Stadion nachgebaut, das als Austragungsort des WM-Finales und durch seine einprägsame Architektursprache eine herausragende Stellung hat. Der erhebliche Werbeeffekt, der auch durch den prominenten Standort direkt vor dem Reichstag entsteht, kostet Adidas neben den Kosten für Bau und Wiederherstellung der Grünanlage lediglich die Straßennutzungsgebühren.
Für die Zeit der Weltmeisterschaft wird damit ausgerechnet die verkleinerte Kopie einer nationalsozialistischen Repräsentationsarchitektur die Sicht auf den Reichstag verstellen. Gerade im Spreebogen, wo die monumentale Nord-Süd-Achse in Albert Speers nationalsozialistischen Hauptstadt-Planungen in der Großen Halle des Volkes kulminieren sollte, ist dies fehl am Platz. Mit der »adidas world of football« wird zudem der Platz der Republik der nicht kommerziellen Nutzung durch die allgemeine autonome Öffentlichkeit entrissen.
Das Projekt zeigt, wie sehr während der Fußball-Weltmeisterschaft die Berliner Stadtlandschaft durch die Werbeinteressen der FIFA-Sponsoren strukturiert wird. Zahlreiche öffentliche Räume im Berliner Zentrum nehmen den Charakter einer riesenhaften Werbetafel an. Hiervon soll – so hofft zum Beispiel Klaus Wowereit – indirekt auch die Stadt profitieren: Die Bilder friedlich feiernder Fußball-Fans vor städtebaulichen Wahrzeichen sollen als Werbung für die Stadt um die ganze Welt gehen. Verschweigen werden diese Bilder freilich, was die Imagekampagne für den öffentlichen Raum bedeutet: Dieser wird für die zahlreichen Veranstaltungsorte nicht nur temporär privatisiert und nach den Vorgaben der Sponsoren und Veranstalter bespielt, er wird auch strengen Sicherheitsauflagen, wie Umzäunungen, scharfen Zugangskontrollen und Videoüberwachung unterworfen. Damit wird eine Dimension sozialer Ausgrenzung, repressiver Kontrolle und technischer Überwachung erreicht, wie sie bisher zum Teil bereits in Shopping- und Entertainmentcentern praktiziert wird, der Idee des öffentlichen Raums einer lebendigen europäischen Metropole jedoch Hohn sprechen. Barbara Schönig
Barbara Schönig ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Fachgebiet Planungs- und Architektursoziologie der TU Berlin.
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