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Die Causa Pronold rückt die Berliner Bauakademie in weite Ferne

Schwere Geburt
Berliner Bauakademie in Turbulenzen

Die Causa Pronold rückt die Berliner Bauakademie in weite Ferne.

Wenn die Stiftung Bauakademie, die bislang weder ein Gebäude noch einen Direktor noch ein Programm hat, auf Standby-Modus geschaltet ist, trägt ausnahmsweise nicht das Virus die Schuld. Der Stiftungsrat, besetzt im Wesentlichen mit Akteuren aus dem Politikbetrieb, hat derzeit schlichtweg keine Lust, sich mit dem leidigen Problem der Besetzung des Direktorenpostens zu beschäftigen. Corona mag eine Ausrede sein, aber da ist noch ein Rechtsstreit von Philipp Oswalt, einem Mitbewerber, gegen das Auswahlverfahren anhängig, dessen Ausgang man abwarten will, so die offizielle Lesart. Bis dahin steht wohl Dringenderes auf der Tagesordnung.

Man hatte ja mit der Kür des Staatssekretärs Florian Pronold in der Fachwelt einen Sturm der Entrüstung hervorgerufen, der zum Rücktritt Pronolds von seiner Kandidatur führte. Allerdings nur scheinbar, denn wenn die 621 Unterzeichner des Offenen Briefs gegen dessen Berufung ihr Ziel erreicht zu haben glaubten und die Presse eilfertig den Rückzug Pronolds vermeldete, so hatten alle nicht seine Verlautbarung im Wortlaut gelesen. Das jedoch empfiehlt sich bei einem Juristen, und Pronold hatte sich in Sachen Bauakademie wiederholt als wahrer Winkeladvokat erwiesen. Er schrieb nämlich: »… habe ich den Stiftungsrat deshalb gebeten, mich von meiner Bereitschaft, das Amt des Direktors auszuüben, zu entbinden«. Entbunden hat ihn noch niemand – eine schwere Geburt offensichtlich, und so ist davon auszugehen, dass der Stiftungsrat sich nach einem für ihn positiven Ausgang des Rechtsstreits durchaus überlegt, Pronold nicht »von seiner Bereitschaft zu entbinden« und ihn zu berufen.

Dass es die den Stiftungsrat dominierende Politik mit der Etablierung der Bauakademie und deren Neubau nicht mehr allzu eilig hat, ergibt sich aus dem Umstand, dass Pronold, sollte der Rechtsstreit zu seinen Gunsten ausgehen, keineswegs stante pede zur Verfügung stünde. Gemäß den Karenzzeitregelungen der Bundesregierung dürfte er den Job frühestens acht Monate nach seinem Ausscheiden aus Regierung und Parlament übernehmen. Andererseits könnte der Stiftungsrat, würde er Pronold »entbinden«, zügig eine neue Ausschreibung starten. Dazu besteht aber sichtlich keinerlei Neigung.

Hintergrund ist eine weitere Personalie, denn die Bauakademie hat ihren wichtigsten politischen Rückhalt verloren. Der Haushaltspolitiker Johannes Kahrs, strategischer Strippenzieher der SPD, hat sich – wegen eines verlorenen Machtkampfs um den Job des Wehrbeauftragten beleidigt – von allen politischen Ämtern zurückgezogen.

Er war es gewesen, der die Finanzierung der Bauakademie organisiert und die Gründung der Stiftung betrieben hatte. Ihm ging es v. a. um die getreue Rekonstruktion des Schinkel-Baus, am liebsten samt Schinkels Arbeits- und Wohnräumen – mit Schinkel als Wachsfigur am Schreibtisch, spotten Insider. An der Bauakademie als Institution hatte er wenig Interesse gezeigt. So störte ihn auch nicht die fachfremde Besetzung des Direktorenstuhls, galt es doch, einen SPD-Mann ohne politische Perspektiven nach der nächsten Wahl mit einem Posten zu bedenken.

Auf diese Weise ins Amt gekommen zu sein, stärkt nicht gerade die Reputation eines Bauakademiedirektors. Zudem wurde mittlerweile deutlich, dass Pronolds Berufung tatsächlich ein Fehlgriff wäre, zeigt er doch seit Aufkommen der Widerstände in der Öffentlichkeit ein anderes Gesicht. Die Briefschreiber, die Presse von Spiegel bis hin zu den freien Journalisten von frei04, die den Offenen Brief lediglich verbreitet hatten, überzieht er mit Unterlassungsklagen. Kurze Zeit schien es, als habe er den nach seinem »Rücktritt« gegenstandslosen Rechtsstreit mit frei04 begraben. Doch für den gelernten Juristen gehört es zum Selbstverständnis, Rechtspositionen mit allen Finten durchzusetzen, und so gibt er seinen Rechtsanwälten die Sporen und keilt weiter aus. Selbst wenn er Recht bekäme, den Image-Schaden für seine eigene Reputation will er wohl nicht erkennen. Auch nicht, dass er sich damit ein weiteres Mal als für den Job nicht qualifiziert erweist; einen Job, der viel mit kultureller Kompetenz, visionärem Denken und v. a. mit Offenheit, Empathie und Moderation unterschiedlicher Protagonisten zu tun hat. Ein Wortklauber und kleinmütiger Jurist ist da fehl am Platz.

Zwischenzeitlich hatte die Stiftung eine stellvertretende Direktorin berufen. Julia Rust von Krosigk, eine Berliner Kulturmanagerin, soll sich um den Ausstellungs- und Veranstaltungsbetrieb und das Management der Bauakademie kümmern.

Gerüchteweise war zu hören, dass sie sich angesichts der Querelen ebenfalls zurückgezogen habe, doch das ist wenig wahrscheinlich, hat sie doch einen sicher recht auskömmlichen Fünfjahresvertrag unterschrieben. Für eine Stellungnahme ist sie nicht zu erreichen, was man verstehen kann.

Den Freunden der Bauakademie schwant nichts Gutes. Das Ministerium spielt auf Zeit und die politische Unterstützung bröckelt. Wenn deutlich wird, dass die bewilligten 62 Mio. für den Neubau keineswegs ausreichen werden (wovon man getrost ausgehen kann), ist das Projekt gestorben, denn angesichts der prekären Haushaltslage wird der Bundestag in den nächsten Jahren keinerlei finanzielle Risiken eingehen wollen.

So wird man wohl pragmatische Lösungen suchen müssen, z. B. die von Anfang an merkwürdig erscheinende Zweigleisigkeit Bauakademie-Baukultur auflösen und die beiden um politische Unterstützung und Sponsoren konkurrierenden Stiftungen zusammenlegen. Einen zweiten Direktor könnte man sich dann sparen und die ärgerliche Causa Pronold wäre elegant vom Tisch.

~Falk Jaeger

Der Autor lebt als Publizist und freier Architekturkritiker in Berlin.

zur Meldung:
Florian Pronolds Wunsch,
ihn von seiner Bereitschaft, das Amt des Direktors auszuüben,
zu entbinden »

Siehe auch
db-Kommentar 2/2020 »
 
Falk Jaeger konstatiert, dass die Stiftung Bauakademie trotz der Konstruktion als privatrechtliche Stiftung viel zu nahe an der Politik und am Ministerium positioniert ist – er hält das für unklug, ungut, nahezu degoutant.


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