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90 Jahre Bauhaus – Grund zum Feiern?

Diskurs
90 Jahre Bauhaus – Grund zum Feiern?

Das von Walter Gropius 1919 in Weimar gegründete und 1933 auf Druck der National-sozialisten geschlossene

~Winfried Nerdinger

»Bauhaus« war bereits in den 1920er Jahren als avantgardistische Experimentierstätte berühmt. Durch unermüdliche Propagandaarbeit, die durch ihre Lautstärke und Einseitigkeit viele seiner Zeitgenossen abstieß, schuf Gropius aus dem Namen und allem, was damit verbunden werden konnte, ein Markenzeichen, das ganz generell für modernes Leben stand. »Bauhausstil« war um 1930 ein geläufiger Begriff, der allerdings auch negative Assoziationen wie Formalismus, rigide Geometrisierung oder »Maschinenstil« hervorrief. Obwohl Gropius das Bauen in das Zentrum seines Gründungsmanifests gestellt hatte, wurde Architektur erst ab 1927 im Neubau am neuen Standort Dessau unterrichtet, deshalb dienten zumeist die Bauten der Bauhaus-Direktoren stellvertretend als Beispiele für eine letztlich nicht existente Bauhaus-Architektur. Zum Ruhm der Schule, an der sich nie mehr als zweihundert Schüler befanden, trugen besonders die berühmten Maler Paul Klee, Wassily Kandinsky oder Oskar Schlemmer bei sowie eine neue Form ganzheitlicher Ausbildung, bei der handwerkliche Lehre und künstlerische Gestaltung ineinandergriffen.
Die internationale Bedeutung des Bauhauses entwickelte sich erst nach der Schließung und dann nach dem Zweiten Weltkrieg. Die beiden in die USA emigrierten Direktoren, Walter Gropius und Ludwig Mies van der Rohe, entfalteten als Lehrer in Harvard und am IIT in Chicago eine enorme Breitenwirkung, die von weiteren emigrierten Bauhäuslern wie Josef Albers, Herbert Bayer, Marcel Breuer oder Laszlo Moholy-Nagy verstärkt wurde. Nun erst wurde das Bauhaus zum verklärten Mythos, zum strahlenden Leuchtturm, der bereits in der Weimarer Republik Wege in ein besseres Leben gewiesen hatte. Wieder verstand es Walter Gropius, einerseits den Ruhm an sich zu ziehen und als »Mr. Bauhaus« über seine vielen Schüler weltweit zu verbreiten, und andererseits das Bauhaus aus seinem historischen Kontext zu lösen und als »zeitlose Idee« international zu präsentieren.
Während das Bauhaus in den Ländern des Ostblocks in den ersten Nachkriegsjahrzehnten noch als formalistisch und bürgerlich abgelehnt wurde, entwickelte sich der Name in den meisten westlichen Ländern fast zum Synonym für moderne »demokratische« Gestaltung. In Israel wird bis heute die gesamte moderne Architektur der 1920er und 1930er Jahre einfach als Bauhaus bezeichnet, und auch in Japan erfreut sich alles, was irgendwie mit der legendären Schule in Verbindung gebracht werden kann, höchster Wertschätzung.
Worin lag aber nun die Wirkung der gerade einmal 14-jährigen Lebenszeit einer Einrichtung, die in Provinzstädten wie Weimar und Dessau angesiedelt gewesen war? Da sind zuerst die Bauhaus-Produkte zu nennen, die als Prototypen für Industriedesign künstlerische Qualität mit serieller Produktion verbanden und damit den Weg für das massenhaft produzierte moderne Design wiesen. Produkte aus den Bauhaus-Werkstätten wurden zu gesuchten Designklassikern, sie erzielen heute astronomische Preise und sind Schmuckstücke von Museen. Bauhaus-Design wurde und wird immer wieder kopiert und variiert oder einfach weiter produziert. Ein weiteres Wirkungsfeld war die Verbreitung der am Bauhaus entwickelten Vorlehre, einer Propädeutik für Gestaltung, an Architektur- und Kunstschulen in der ganzen Welt. Der anti-historische Charakter des Bauhaus-Vorkurses durch Fixierung auf Material, Konstruktion und Textur lieferte eine wichtige Basis für den modernen geschichtsfernen Wiederaufbau.
Mit dem 1960 gegründeten Bauhaus-Archiv entstand dann eine Einrichtung, die sich mit tatkräftiger Unterstützung der Gemeinde ehemaliger Bauhäusler zu einem Instrument der intensiven Aufarbeitung, aber auch weltweiten Popularisierung des Bauhaus-Mythos entwickelte. Nachdem alle Großmeister, Werkstätten und Epochen abgehandelt waren, kamen die Klein- und Kleinstmeister sowie die nationalen und die internationalen Querverbindungen an die Reihe, und mit Ausstellungen und Publikation wurde das Standbild unablässig weiter umkränzt. Kritische Aufarbeitung kam, wenn überhaupt, zumeist von außen. Der Ruhm des Bauhauses war allmählich so gefestigt, dass die Kritik der Postmoderne, die Wiederkehr der als Gegenpol befeindeten Beaux-Arts-Schule oder die Revision moderner Architektur im Zuge ökologischer Umorientierung kaum mehr am Glanz kratzen konnten. Nach der Wende 1989 wirkten auch noch die »Bauhaus Universität Weimar« und die »Stiftung Bauhaus Dessau« inklusive »Bauhaus Kolleg« bei den Kranzlegungen und Jubelfeiern mit. Eigentlich ist das Bauhaus längst in die ewigen Weihehallen eingegangen, aus denen sich auch heutige Künstler bei Bedarf Anregungen holen können, aber seine vielen irdischen Verwalter bemühen sich weiter unablässig, am Monument zu polieren, manchmal wohl in der Hoffnung, dass ein kleiner Reflex auch sie erhellt. Dazu müssen die Gedenktage immer enger gerückt werden, und deshalb finden nun schon zehn Jahre vor der hundertjährigen Geburtstagsfeier landauf landab Veranstaltungen statt. Gropius würde das zwar gefallen, aber das Bauhaus hat den Rummel längst nicht mehr nötig.
Der Autor ist Direktor des Architekturmuseums der Technischen Universität München und Leiter der neuen Abteilung Architektur in der Pinakothek der Moderne.
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