1 Monat GRATIS testen, danach für nur 6,90€/Monat!
Startseite » Wissen » Technik »

Das Klimatisierung des Mercedes-Benz Museums in Stuttgart

Heizung Lüftung Klima
Das Klimatisierung des Mercedes-Benz Museums in Stuttgart

~Eckehart Ullmer

Die Auswahl und die Auslegung der klimatechnischen Komponenten für das Mercedes-Benz Museum erfolgte anhand umfangreicher thermischer Simulationen und Strömungssimulationen. Die Analysen ergaben, dass der Hauptanteil der raumseitigen Wärmelasten durch die Exponat- und Rauminszenierungsbeleuchtung hervorgerufen wird. Es gibt zwei prinzipiell unterschiedliche Bereiche, die dennoch raumlufttechnisch ähnlich behandelt werden: die Sammlungsräume mit Glasfassade und die dunklen, unverglasten Mythosräume. Einen großen Einfluss auf die externen Wärmelasten in den Sammlungsbereichen hatte der vom Bauherrn gewünschte Wechsel der Verglasungsbeschichtung von 50/25 auf 66/33. Da der Bedruckungsgrad nicht verändert werden sollte, musste von einer spürbaren Erhöhung des Gesamtenergiedurchlassgrades ausgegangen und dies in der Systemauslegung berücksichtigt werden. Die raumklimatisch heikelsten Bereiche sind wiederum die Ausstellungsräume mit südwestlicher Fassadenorientierung. Um gute Raumbedingungen bei hoher Transparenz der Fassade gewährleisten zu können, musste eine ausbalancierte Lösung aus Bauteilkühlung, Kühldecken und Lüftkühlung gefunden und mit einer thermischen Simulation auf Funktionstüchtigkeit überprüft werden.

Klimatechnik Ausstellungsbereiche Jeweils eine Geschosszentrale für die Raumlufttechnik versorgt einen Ausstellungsraum Mythos und den darüber liegenden Ausstellungsraum Sammlung mit vorkonditionierter Frischluft. Da die Geometrie der Wände beinahe ausschließlich aus doppelt gekrümmten Oberflächen besteht, konnten die Geschosszentralen nur mit einem dreidimensionalen CAD-System geplant werden. Die Luftführung zu den Auslässen verläuft innerhalb der statisch extrem hoch belasteten Mythosrampe. Der jeweils darüber liegende Sammlungsraum wird über etwa 25 Kunststoffrohre, die an die Luftführung in der Mythosrampe angeschlossen sind, mit Frischluft versorgt. Die Rohre sind in die Außenwand einbetoniert. Nur durch die enge Abstimmung mit dem Tragwerks-planer und der 3D-Haustechnikplanung konnte die in die tragende Bausubstanz integrierte Luftführung realisiert werden.
Der Außenluftanteil der Zuluftmenge je Bereich mit etwa 700 m² Ausstellungsfläche richtet sich nach dem hygienisch notwendigen Maß und liegt im Regelbetrieb bei maximal 2 500 m³/h. Gleichzeitig stellt die Geschosszentrale einen variablen Umluftanteil von maximal 7 500 m³/h bereit, um erhöhte Kühllasten aus dem Raum abzuführen. Der Außenluftanteil kann bis auf 100 % erhöht werden, um das Potenzial der Außenluft zur Raumluftkonditionierung – beispielsweise durch freie Kühlung – bestmöglich zu nutzen. Die Frischluft wird direkt an den Geschosszentralen durch die verkleidete Fassade angesaugt (Bild 9), die Luftansaugschlitze sind optisch in die Außenverkleidung des Gebäudes integriert.
Einströmung in die Räume Die Ausstellungsbereiche Sammlung und Mythos sind mit einer Quelllüftung ausgestattet. Hierbei wird die Frischluft praktisch impulsfrei, das heißt mit sehr niedrigen Geschwindigkeiten (etwa 0,4 m/s) mit einer Zulufttemperatur unterhalb der Raumlufttemperatur in Bodennähe (Bild 15) in den Raum eingebracht. Es bilden sich ein »Frischluftsee«, der sich gleichmäßig im Raum ausbreitet, und eine stabile Schichtung der Luft über die Höhe (Bilder 12–14) mit von unten nach oben ansteigender Temperatur. Die bodennahe, kühle Luft wird im Nahbereich von Wärme-quellen, etwa Personen oder technischen Geräten, erwärmt und steigt nach oben. Geräte werden effizient gekühlt und Personen direkt mit Frischluft versorgt. Lüftung und Kühlung finden lokal dort statt, wo sie benötigt werden. An den Übergängen Mythos / Mythosrampe ist im oberen Scheitelbereich ein Trennstrahlsystem installiert: ein schmaler Luftstrom wird aus einem Auslass im Boden nach oben gerichtet ausgeblasen. Er verhindert ein Abströmen der Quellluft in die Mythosrampe und eine Beeinträchtigung der thermischen Luftschichtung und des Komforts.
In den Ebenen 0 und 1 sowie den Büros, Event- und Restaurantbereichen wird die Zuluft, je nach Anwendungsfall, über Weitwurf-, Waben- oder Drallauslässe im Bereich der Decken und Wände in die Räume eingebracht. Bei Auswahl und Platzierung der Lüftungsauslässe wurde darauf geachtet, dass die Zuluft für eine gleichmäßige Frischluftversorgung ausreichend weit in den Bereich einströmt und sich gleichzeitig mit der Raumluft mischt (Induktion). Die Kühlung und Beheizung der Ebenen 0 und 1 erfolgt vor allem über den Fußboden.
Abluftströme Durch thermischen Auftrieb steigt die Raumluft aus allen Ausstellungsebenen, die im Luftverbund stehen, nach oben und strömt als Abluft in das Atrium. Dort wird sie über eine zentrale Absaugung im Bereich der so genannten Preshow-Platform in die RLT-Zentrale geleitet. Ein Teil der in der Abluft vorhandenen Wärmeenergie wird dann mittels Wärmerückgewinnung über ein Kreislaufverbundsystem zur Außenlufterwärmung genutzt.
Entrauchung im Brandfall Für die Entrauchung über das zentrale Atrium wurde ein Konzept entwickelt, das auf einem »freien Luftwirbel« oder, umgangssprachlich, einem Tornado basiert (s. S. 90 ff). Der Drehimpuls für den Wirbelaufbau wird mit sechs Reihen vertikal in den Atriumwänden angeordneten Weitwurfdüsen erzeugt. Mittig in der Preshow-Plattform wird der Luftwirbel durch das Dach mit einem Brandgasventilator nach draußen befördert. Der Unterdruck im Auge des Wirbels sorgt dafür, dass der Rauch immer Richtung Atriummitte strömt und somit nicht in andere Ebenen eindringt. Für mögliche Brandszenarien wurde eine Matrix entwickelt, nach der die Lüftungsanlagen und Rauchschürzen so betätigt werden, dass ein sicheres Evakuieren des Gebäudes möglich wird. Für die Funktion des Entrauchungskonzeptes müssen in die Mythosbereiche 25 000 m³/h Außenluft zugeführt werden. Da das Zuluftsystem nur für 10 000 m³/h dimensioniert ist, wird im Entrauchungsfall das Abluftnetz mit umgekehrter Luftrichtung als Zuluftnetz verwendet. Ein eigener Hochleistungsventilator und ein Umschaltklappensystem stellen die zusätzlichen 15 000 m³/h Außenluft bereit.
Massen thermisch genutzt Die großen Massen der Betonbauteile wurden weitgehend thermisch aktiviert. Sie werden über wasserdurchflossene Rohrschlangen so temperiert, dass sie mit den sie umgebenden Flächen, mit strahlenden Lampen und elektrischen Geräten und mit den Menschen im Strahlungsaustausch stehen. Das bedeutet konkret, dass sie beispielsweise als kalte Fläche im Sommer dem Menschen ein kühleres, angenehmeres Temperaturempfinden verschaffen. Die Vorteile der Bauteilaktivierung sind ihre Wirtschaftlichkeit, das Energieeinsparpotenzial und die Komfortverbesserung durch den Strahlungsaustausch. Auch bei ganz oder teilweise verkleideten Decken ist die Bauteilaktivierung im Museum wirksam, da ein Teil der entstehenden Wärmestrahlung direkt am Entstehungsort abgeführt wird. Der energetische Nutzen bleibt also, auch wenn der Komfortgewinn in diesem Fall eingeschränkt ist. Da der Boden keine wesentliche Dämmung gegen die Rohrschlangen aufweist, kann auch hier sehr gut die Wärmestrahlung der Leuchten und die Solarstrahlung aufgenommen werden.
Der restliche Kühlbedarf aufgrund der Glasfassade in den Sammlungsräumen wird durch zusätzliche Deckenkühlpaneele gedeckt. Diese sind in die Sammlungsdecke unsichtbar integriert (Bilder 16, 17). In den Quellluftauslässen an den Glasfassaden befinden sich zusätzlich Heizkonvektoren zur Abminderung des Kaltluftabfalls in den Wintermonaten.
Verglasung Das ursprüngliche Klimakonzept wurde mit einer hochselektiven Verglasung mit nur 25 % Gesamtenergiedurchlassgrad und 50 % Tageslichttransmission erstellt. Die Temperaturgrenzen nach DIN 1946 Teil 2 wurden bei sommerlichen Außentemperaturen rechnerisch gerade eingehalten. Aufgrund von Anforderungen an die Farbe der Verglasung prüfte man allerdings während der Bauphase erneut mit thermischer Simulation, inwiefern die Komfortanforderungen bei einem höheren Energiedurchlass abweichen würden und änderte schließlich zugunsten der höchst anspruchsvollen Außenwirkung die wirksamere Verglasung. Mit einem g-Wert von 33 % werden die Temperaturgrenzen rechnerisch jetzt an wenigen Tagen überschritten. Dabei sind direkt an der Fassade die empfundenen Temperaturen am höchsten, was auf die, im Vergleich zu den gekühlten Oberflächen, relativ hohen Oberflächentemperaturen der Verglasung (mit denen der Besucher im Strahlungsaustausch steht) zurückzuführen ist.
Energiebereitstellung Die notwendige Heizwärme erfolgt mittels Fernwärme: Eine Übergabestation in der Technikzentrale im Untergeschoss des Museums versorgt sowohl Museum als auch angrenzende Verkaufsniederlassung. Die Kaltwassererzeugung für die Bauteilaktivierung wird bei entsprechenden Außenlufttemperaturen weitgehend von Rückkühlwerken übernommen. Zur Kühlung und Entfeuchtung der Zuluft erzeugen konventionelle Kältemaschinen das benötigte Kaltwasser. Bei höheren Außentemperaturen wird die Bauteilaktivierung letztlich auch von den Kältemaschinen bedarfsgerecht versorgt. Diese Anlagen befinden sich, dem Werksgelände zugewandt, im zentralen Technikbereich auf Straßenniveau.
Aktuelles Heft
MeistgelesenNeueste Artikel

Architektur Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der Architektur-Infoservice?
Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum arcguide Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des arcguide Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de